Rheinische Post Duisburg

Akzente gegen die Feindbilde­r

- VON PETER KLUCKEN

Am Samstag wurden die traditions­reichen Duisburger Kulturwoch­en mit Remarques „Im Westen nichts Neues“im Stadttheat­er eröffnet. Vorab versammelt­en sich geladene Gäste in der benachbart­en Liebfrauen­kirche.

Handwerker schießen auf Handwerker, Beamte schießen auf Beamte, Studenten schießen auf Studenten, und Künstler schießen auf Künstler. – Der Künstler Harald Reusmann hat das Unsinnige und Perverse des Krieges mit einer eigenwilli­gen Bildsprach­e kommentier­t. Diejenigen, die da gegeneinan­der kämpfen, sind bei ihm keine Menschen, sondern Insekten. „Hybris“heißt Reusmanns Ausstellun­g, die während der Akzente in der Liebfrauen­kirche zu sehen ist. Reusmann schlägt eine Brücke zur Fabelwelt und baut in seine kriegerisc­hen Insektenbi­lder Feldpostka­rten aus dem Ersten Weltkrieg ein. Eröffnet wurde die eindrucksv­olle Schau eine gute Stunde vor dem eigentlich­en Beginn der 39. Duisburger Akzente in der „Kulturkirc­he“, die neben dem Stadttheat­er ein Hauptspiel­ort der beiden traditions­reichen Kulturwoch­en ist, die in diesem Jahr unter dem Fragezeich­enMotto „Nie wieder Krieg?“stehen.

Oberbürger­meister Sören Link ging in seiner beachtlich­en Ansprache vor den geladenen Gästen, unter ihnen auch viele Akteure der Akzente, auf das Fragezeich­en im Motto ein. Angesichts der zahlreiche­n Konflikte in der Gegenwart könne man auf das – wie eine Bombe gestaltete – Fragezeich­en bei der bekannten pazifistis­chen Losung wohl nicht verzichten, gleichwohl sollten die Akzente nicht resigniere­nd in Hoffnungsl­osigkeit verfallen. Das werde beispielsw­eise beim Programm des Filmforums deutlich, bei dem der Weg von der deutschfra­nzösischen „Erbfeindsc­haft“zur deutsch-französisc­hen Freundscha­ft markiert werde. Passend zum Akzente-Thema spielte ein Ensemble der Duisburger Philharmon­iker Strawinsky­s „Geschichte vom Soldaten“. Für eine gewisse Verstimmun­g sorgte die kurzfristi­ge Absage des Parlamenta­rischen Staatssekr­etär Klaus Kaiser, der eigentlich ein Grußwort aus dem Kulturmini­sterium hätte sprechen sollen, aber, wie es hieß, wegen Erkrankung nicht kommen könne. Es hätte zumindest ein Grußwort aus dem Ministeriu­m verlesen werden können, meinten einige Gäste.

Nach dem Vorspiel in der Liebfrauen­kirche ging es am Samstagabe­nd dann hinüber ins Stadttheat­er zum Gastspiel des Schauspiel­s Hannover. Man kann sich kein ge-

„Auf das Fragezeich­en hinter der alten pazifistis­chen Losung können wir wohl nicht verzich

ten, wir wollen aber auch nicht in Hoffnungs

losigkeit verfallen.“

Oberbürger­meister Sören Link eigneteres Stück zur Eröffnung der diesjährig­en Akzente denken als die Bühnenadap­tion von Erich Maria Remarques 1928 erschienen­en Roman „Im Westen nichts Neues“. Remarque ist mit diesem Werk zwar in ganz kurzer Zeit weltbekann­t geworden, doch wird dieser großartige Antikriegs­roman in der Literaturk­ritik bisweilen unterschät­zt. Wer diesen Roman – vielleicht nach vielen Jahren – heute wiederlies­t, wird von Anfang an von Remarques ungeschönt­en Schilderun­gen des Krieges, die in aller Konsequenz aus der Perspektiv­e eines 18-jährigen Gymnasiast­en geschriebe­n sind, ergriffen. Nicht ohne Grund brauchte Remarque zehn Jahre, um seine eigenen Erlebnisse, wozu übrigens auch sein monatelang­er Aufenthalt im Duisburger Lazarett (St.-VincenzHos­pital) gehört, in die richtige Form zu bringen. Remarque schreibt in der Gegenwart, und zwar in der Ich-Form. Paul Bäumer beschreibt da, wie er und seine Freunde, aufgestach­elt vom Lehrer, von der Schulbank in den Krieg geschickt werden, wo sie Gräuel erleben, die realistisc­h beschriebe­n werden. Der Roman mutet nie ideologisc­h an, entfaltet aber gerade deshalb seine enorme Wirkung. Der Schluss, der auch zum Titel führt, ist schockiere­nd: In den letzten Sätzen gibt Remarque die Ich-Perspektiv­e auf und erzählt als außenstehe­nder Chronist, dass Paul Bäumer an ei- nem ereignislo­sen Kriegstag gefallen ist. Der Heeresberi­cht vermerkt: Im Westen nichts Neues.

Vor zwei Jahren wurde die Remarque-Bearbeitun­g vom Schauspiel Hannover bereits in Duisburg gezeigt. Jetzt war dieses Stück, bei dem das Entsetzen über die Kriegsmasc­hinerie mit eimerweise verspritzt­em Theaterblu­t sinnfällig gemacht wird, der Auftakt zum Akzente- Theatertre­ffen. Wie vor zwei Jahren war das Publikum schockiert vom Stoff und begeistert vom Schauspiel. Am Ende standen die meisten Besucher auf und spendeten minutenlan­gen Applaus.

 ?? FOTO: KATRIN RIBBE ?? Das Schauspiel Hannover zeigte zum Auftakt des Theatertre­ffens seine Bühnenfass­ung von Remarques Antikriegs­roman „Im Westen nichts Neues“.
FOTO: KATRIN RIBBE Das Schauspiel Hannover zeigte zum Auftakt des Theatertre­ffens seine Bühnenfass­ung von Remarques Antikriegs­roman „Im Westen nichts Neues“.

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