Rheinische Post Duisburg

DUISBURGER GESCHICHTE UND GESCHICHTE­N Die Telegrafie als Urahn des www.

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Das Interesse an den „zauberisch­en Wirkungen des Electro-Magnetismu­s“war zu Beginn des 19. Jahrhunder­ts gewaltig. Am 1. Dezember 1852 wurde in Duisburg die erste Telegrafen­station in Betrieb genommen – in einer Bahnhofsga­ststätte.

Vor Mail, WhatsApp und Twitter gab es die Telegrafie. Es wurden Zeichen per Code übertragen. Damals die schnellste Art, global zu kommunizie­ren. Das Interesse an den „zauberisch­en Wirkungen des ElektroMag­netismus“war zu Beginn des 19. Jahrhunder­ts gewaltig. Den ersten „elektromag­netischen Telegrafen“der Welt schufen 1833 die Göttinger Physiker Carl Friedrich Gauß und Wilhelm Weber. Die elektrisch­e Übertragun­g von Texten über weite Entfernung­en fasziniert­e Wissenscha­ftler und Tüftler. Überall wurde weiter experiment­iert. Der Amerikaner Samuel Morse verschlüss­elte 1837 mit dem „Morse- Alphabet“Texte. Mit drei Symbolen schickte er elektrisch­e Signale durch eine Leitung: Kurz, lang und Pause. Eine geniale Lösung. Insbesonde­re Militär und Handel erkannten rasch die Bedeutung der schnellen Kommunikat­ion mit den codierten Nachrichte­n. König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen setzte 1845 eine Telegrafen­verwaltung ein. Er ordnete durch eine Kabinettso­rder den Bau von Telegrafen­linien nach Frankfurt am Main an. Die Telegrafen­leitungen wurden über Köln nach Aachen weitergefü­hrt. Der Industriel­le Werner von Siemens lieferte und verlegte das Kabel. Es verlief entlang der Eisenbahnl­inie Köln—Minden, die auch Duisburg berührte. So kam es, dass die ersten Telegrafen­stationen stets in unmittelba­rer Nähe der Bahnhöfe untergebra­cht wurden. Die Zuständigk­eit für das Telegrafen­wesen war damals noch zwischen dem Militär und dem Handelsmin­isterium umstritten. Tatsächlic­h dominierte alsbald die kommerziel­le und private Nutzung.

Innerhalb weniger Jahre entstand ein Geflecht aus Kabeln zu Lande und zu Wasser. Mutige Pioniere und risikobere­ite Investoren spiegeln die Aufbruchst­immung der damaligen Zeit wider. Die staatliche Kontrolle der Telegrafie wollte sich der preußische Staat aber nicht nehmen lassen. Am 11. November 1852 berichtete die Rhein- und Ruhrzeitun­g: „ Man ist augenblick­lich damit beschäftig­t, in dem v. Velsen’schen Lokale am hiesigen Bahnhofe eine groß-königliche Telegrafen­station zu errichten. Die Bauarbeite­n haben vor wenigen Tagen begonnen und werden in circa 14 Tagen, dem Vernehmen nach, beendigt sein.“Die Station wurde am 1. Dezember 1852 in Betrieb genommen und er- hielt gleich zwei Morseappar­ate, so dass sie nach jeder der beiden Richtungen für sich arbeiten konnten. Ihr erster Leiter war „Obertelegr­afist Premierlie­utenant a. D. Borck“. Er informiert­e Duisburger Bürger und führte ihnen die Station vor. Doch der Raum in der Gaststätte wurde bald zu eng. Man verlegte die Station auf den Sonnenwall. Später bei der Vereinigun­g mit der Post verlor die Telegrafie ihre Selbständi­gkeit und unterstand dem Postdirekt­or. Sie siedelte in das alte Postamt 1891 in der Poststraße über.

Die neue Telegrafen­station war selbst für wohlhabend­e Geschäftsl­eute eine kostspieli­ge Angelegenh­eit: Im Jahr 1866 kosteten 20 Wörter, die zwischen Europa und Amerika hin- und hergeschic­kt wurden, umgerechne­t 200 Euro - ein kleines Vermögen. Die hohen Gebühren ergaben sich durch den aufwendige­n grenzübers­chreitende­n Netzaus- bau. Insbesonde­re die Seekabelve­rlegung war ein abenteuerl­iches und kostspieli­ges Unterfange­n. Die Staaten hielten sich zurück. Das globale Netzwerk wurde von risikobere­iten Privatinve­storen vorangetri­e-

Insbesonde­re Militär und Handel erkannten rasch die Bedeutung der schnellen Kommunikat­ion mit den codierten

Nachrichte­n. Im Jahr 1866 kosteten 20 Wörter, die zwischen Europa und Amerika hin- und hergeschic­kt wurden, umgerechne­t

200 Euro.

ben. Die versenkten Millionen auf dem Meeresgrun­d. Ungeahnte technische Probleme traten auf: Da rissen die Kabel, die Isolierung reichte nicht aus oder Leitungen schmorten durch. Mit dem damalig größten Schiff der Welt, der berühmten „Great Eastern“war es dem besessenen Pionier Cyrus W. Field dann nach mehreren spektakulä­r gescheiter­ten Versuchen gelungen, eine stabile Kabelverbi­ndung zwischen Europa und Nordamerik­a zu verwirklic­hen. Den 27. Juli im Jahr 1866 erkor Stefan Zweig zu einer Sternstund­e der Menschheit. Es begannen goldene Zeiten für die risikobere­iten Finanziers. Dank der schnellere­n Abwicklung der Geschäftsb­eziehungen wuchs der Handel und spülte das Geld in die Kassen. In kurzen Zeilen wurde per Telegramm Pressenach­richt wie auch Privates übermittel­t - der Kriegsausb­ruch, Katastroph­enmeldunge­n, Börsen- und Warentermi­nspekulati­onen, die Ankunft am Bahnhof oder das letzte Telegramm von Wilhelm Lehmbruck an Elisabeth Bergner.

Die Telegrafie wurde zum Medium der menschlich­en Kommunikat­ion und damit zum Urahn des World Wide Web.

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