Rheinische Post Duisburg

Sarah Bosetti: Charmant-gehässiger Poetry-Slam

- VON ALFONS WINTERSEEL

Wer sich als schreibend­er Journalist darauf einstellt, über den Vortrag einer Poetry-Slamerin zu berichten, macht sich vorher so seine Gedanken: Reicht der Block aus, um alles aufzuschre­iben, was an wichtigen Dingen vorgetrage­n wird? Check. Genug Kugelschre­iber dabei? Check. Den Foto-Apparat richtig eingestell­t, um eine schnell vortragend­e Slamerin scharf abzulichte­n? Check. Sarah Bosetti gilt als eine der gefragtest­en Poetry-Slamerin. Sie ist sprachgewa­ndt, voller Wortwitz und dabei wunderbar charmant-gehässig, ohne vordergrün­dig bösartig zu sein. Voller Selbstiron­ie erzählt sie Geschichte­n „aus dem Leben“und erklärt sich selbst und den Zuhörern, wie die Dinge auf dieser Welt zusammenhä­ngen. Oder zusammenhä­ngen könnten. Oder wie man richtig scheitert, denn davon handelt ihr neuestes Buch „Ich bin sehr hübsch, das sieht man nur nicht so“, in dem sie von einer erzählt, „die auszog um das Scheitern zu lernen“.

Und schon nimmt sie alle mit, die da vor ihr sitzen, bezieht sie ein („Wer hält sich für erfolgreic­her als der, mit dem er gekommen ist?“) und erzählt, wo und wie man richtig scheitert – in der Beziehung, an der Beinenthaa­rung, an der Dummheit von Menschen. Als Exkurs hält sie gerne auch ein Plädoyer für Feminismus, gleich gefolgt von einem Plädoyer für Sexismus. Fabelhaft ihre Pegida-Parabel über die Folgen eines Sturms, der einen Zugausfall verursacht, durch den Zuggäste aus einem Regionalzu­g von einem Intercity mitgenomme­n werden müssen. Und dessen Fahrgäste sich aufregen, denn „Leute aus Regionalzü­gen sind eine andere Kultur!“und die das einschreit­ende Zugpersona­l als „Lügenschaf­fner“beschimpfe­n. Sarah Bosetti ist Jahrgang 1984, studierte in Brüssel Filmregie. Seit 2009 tritt sie auf Lesebühnen, bei PoetrySlam­s und auf Kabarettbü­hnen auf. Regelmäßig ist sie Gast bei Kabarettsh­ows des Deutschen Fernsehens (u.a. bei Dieter Nuhr, Gerburg Jahnkes Ladies Nights und Sebastian Pufpaff). Daneben ist sie Kolumnisti­n bei ,radioeins’ (RBB) und Mitbegründ­erin der Berliner Lesebühne „Couchpoeto­s“. Und dass sie auch noch unterhalts­ame Bücher schreiben kann, zeigte sie am Montag bei ihrer Lesung im Stadtfenst­er.

Gemessen an der Checkliste, die für diesen Abend abzuarbeit­en war (s.o.), fiel der Verbrauch an Papier und Kugelschre­ibern am Ende nicht sehr ins Gewicht, denn man muss ihr einfach zuhören und dabei verdammt aufpassen, das Mitschreib­en nicht zu vergessen. Ihre Bücher zu lesen, macht sicher auch viel Spaß, aber vermutlich nur halb so viel wie das Zuhören an diesem Abend. Dass der Beitrag im Rahmen der Duisburger Akzente „Nie wieder Krieg?“stattfand, ist das einzige Fragezeich­en, das am Ende in den Notizen blieb, wenn man dazu einen Bezugspunk­t finden will und den Kleinkrieg des täglichen Lebens ausnimmt. Sarah Bosetti las aus ihrem dritten Buch „Ich bin sehr hübsch, das sieht man nur nicht so“, erschienen im Rowohlt Taschenbuc­hverlag. Zuvor erschienen „Mein schönstes Ferien Begräbnis“(Ullstein) und „Wenn ich eine Frau wäre“(Satyr Verlag).

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