Sarah Bosetti: Charmant-gehässiger Poetry-Slam
Wer sich als schreibender Journalist darauf einstellt, über den Vortrag einer Poetry-Slamerin zu berichten, macht sich vorher so seine Gedanken: Reicht der Block aus, um alles aufzuschreiben, was an wichtigen Dingen vorgetragen wird? Check. Genug Kugelschreiber dabei? Check. Den Foto-Apparat richtig eingestellt, um eine schnell vortragende Slamerin scharf abzulichten? Check. Sarah Bosetti gilt als eine der gefragtesten Poetry-Slamerin. Sie ist sprachgewandt, voller Wortwitz und dabei wunderbar charmant-gehässig, ohne vordergründig bösartig zu sein. Voller Selbstironie erzählt sie Geschichten „aus dem Leben“und erklärt sich selbst und den Zuhörern, wie die Dinge auf dieser Welt zusammenhängen. Oder zusammenhängen könnten. Oder wie man richtig scheitert, denn davon handelt ihr neuestes Buch „Ich bin sehr hübsch, das sieht man nur nicht so“, in dem sie von einer erzählt, „die auszog um das Scheitern zu lernen“.
Und schon nimmt sie alle mit, die da vor ihr sitzen, bezieht sie ein („Wer hält sich für erfolgreicher als der, mit dem er gekommen ist?“) und erzählt, wo und wie man richtig scheitert – in der Beziehung, an der Beinenthaarung, an der Dummheit von Menschen. Als Exkurs hält sie gerne auch ein Plädoyer für Feminismus, gleich gefolgt von einem Plädoyer für Sexismus. Fabelhaft ihre Pegida-Parabel über die Folgen eines Sturms, der einen Zugausfall verursacht, durch den Zuggäste aus einem Regionalzug von einem Intercity mitgenommen werden müssen. Und dessen Fahrgäste sich aufregen, denn „Leute aus Regionalzügen sind eine andere Kultur!“und die das einschreitende Zugpersonal als „Lügenschaffner“beschimpfen. Sarah Bosetti ist Jahrgang 1984, studierte in Brüssel Filmregie. Seit 2009 tritt sie auf Lesebühnen, bei PoetrySlams und auf Kabarettbühnen auf. Regelmäßig ist sie Gast bei Kabarettshows des Deutschen Fernsehens (u.a. bei Dieter Nuhr, Gerburg Jahnkes Ladies Nights und Sebastian Pufpaff). Daneben ist sie Kolumnistin bei ,radioeins’ (RBB) und Mitbegründerin der Berliner Lesebühne „Couchpoetos“. Und dass sie auch noch unterhaltsame Bücher schreiben kann, zeigte sie am Montag bei ihrer Lesung im Stadtfenster.
Gemessen an der Checkliste, die für diesen Abend abzuarbeiten war (s.o.), fiel der Verbrauch an Papier und Kugelschreibern am Ende nicht sehr ins Gewicht, denn man muss ihr einfach zuhören und dabei verdammt aufpassen, das Mitschreiben nicht zu vergessen. Ihre Bücher zu lesen, macht sicher auch viel Spaß, aber vermutlich nur halb so viel wie das Zuhören an diesem Abend. Dass der Beitrag im Rahmen der Duisburger Akzente „Nie wieder Krieg?“stattfand, ist das einzige Fragezeichen, das am Ende in den Notizen blieb, wenn man dazu einen Bezugspunkt finden will und den Kleinkrieg des täglichen Lebens ausnimmt. Sarah Bosetti las aus ihrem dritten Buch „Ich bin sehr hübsch, das sieht man nur nicht so“, erschienen im Rowohlt Taschenbuchverlag. Zuvor erschienen „Mein schönstes Ferien Begräbnis“(Ullstein) und „Wenn ich eine Frau wäre“(Satyr Verlag).