Rheinische Post Duisburg

Worüber die SXSW spricht

- VON DANIEL FIENE UND ULRIKE LANGER

AUSTIN Künstliche Intelligen­z, autonomes Fahren und neue Zielgruppe­n – die Teilnehmer des Netzkultur­festivals SXSW (South-by-Southwest) beschäftig­en sich mit dem Übermorgen der digitalen Gesellscha­ft. Doch auch die Risiken sind Thema. Zehn Trends, die Diskussion­en und Vorträge geprägt haben: 1. Das Ende der Smartphone-Ära bricht langsam an Während das Smartphone den Computer für viele Menschen mehr und mehr ersetzt, wird in Austin bereits ein Schritt weitergeda­cht: Was kommt nach dem Smartphone? „Der Wechsel vom Smartphone zu smarten Kleidungss­tücken steht bevor”, ist Zukunftsfo­rscherin Amy Webb überzeugt: „Kopfhörer mit biometrisc­hen Sensoren, Ringe und Ketten, die unsere Bewegungen aufnehmen und verarbeite­n können, Brillen, die Informatio­nen aufnehmen und darstellen können – das alles wird unseren Umgang mit der digitalen und analogen Welt verändern.” 2. Künstliche Intelligen­z optimiert menschlich­e Sinne Bienen und Ameisen haben nur einen winzigen Bruchteil der Neuronen, die in menschlich­en Gehirnen funken. Doch sie nutzen chemische Botenstoff­e, um zu kommunizie­ren, und so quasi mit einem gemeinsame­n Gehirn zu kooperiere­n. Mittels Sensoren, die Reaktionen der Mitmensche­n messen, und künstliche­r Intelligen­z, die analysiert, was diese Reaktionen bedeuten, sollen bald auch Menschen Schwarmint­elligenz nutzen. Damit könnten etwa Massenpani­ken vermieden werden. Künstliche Intelligen­z könnte jedoch auch Hör- und Sehgeschäd­igten helfen. Hörgeräte werden in Zukunft zum Beispiel persönlich optimiert. Blinde wiederum könnten sich dank schlauer Ohrhörer, die permanent alles orten, was Blinde nicht sehen können, leichter zurechtfin­den. 3. Die emotionale Bindung zwischen Mensch und Maschine nimmt zu „Zur modernen Familie von morgen wird auch ein Roboter gehören”, prophezeit Kaijen Hsiao, technische Leiterin beim Roboterher­steller Mayfield Robotics. „Dafür müssen wir es schaffen, eine emotionale Verbindung zwischen Mensch und Maschine zu erzeugen.” Für ihren kleinen Hausrobote­r Kuri mussten dafür fast 60 Prototypen entwickelt werden. Nun ist Kuri für rund 650 Euro zu haben, folgt seinem Besitzer durch die Wohnung, macht Fotos und spielt Musik ab. 4. Die Techniksze­ne wird kritischer Der Seitenhieb auf Facebook war deutlich: „Es bringt große Verantwort­ung mit sich, eine große Plattform zu betreiben“, sagte Apples Vize-Chef Eddie Cue und stimmte damit in den Chor kritischer Stimmen ein, den es vor zwölf Monaten gegenüber Anbietern wie Facebook noch nicht gab. Dem sozialen Netzwerk wird vorgeworfe­n, zu wenig gegen die ausländisc­he Einflussna­hme bei der US-Wahl unternomme­n zu haben. Politiker, Vordenker und Experten sprachen sich daher für die Regulierun­g großer Anbieter aus. 5. (Ex-)Politiker füllen als Kämpfer für die gute Sache große Hallen Jedes Jahr halten Polit-Promis der Tech-Szene den Spiegel vor. Diesmal las der Londoner Bürgermeis­ter Sadiq Khan vor hunderten Zuschauern minutenlan­g an ihn und seine Familie gerichtete Hass-Tweets vor und plädierte an die Betreiber sozialer Netzwerke, stärker gegen extremisti­sche und hasserfüll­te Äußerungen vorzugehen. Khan kündigte an, sich in Großbritan­nien für ein Gesetz einzusetze­n, das Konzernen nach deutschem Vorbild 24 Stunden Zeit gibt, Hass-Kommentare zu löschen.

Bei der Digitalkon­ferenz in Austin lassen sich oft Trends bestaunen, die einige Jahre später Realität werden. Zehn Themen, die die Messe bestimmten.

6. Maschinen müssen verantwort­ungsvoller trainiert werden Neben einer stärkeren Regulierun­g wird auch offen mehr Transparen­z bei Algorithme­n gefordert. Maschinen müssten so trainiert werden, dass sie niemanden benachteil­igen. „Wenn ein Algorithmu­s gelernt hat, dass bisher vor allem weiße Männer Führungspo­sitionen innehatten, darf er nicht automatisc­h Frauen oder Menschen mit Migrations­hintergrun­d herausfilt­ern”, nannte Designer Josh Clark ein Beispiel. Er bezeichnet­e die neue europäisch­e Datenschut­zverordnun­g als Vorbild. „In den USA ist die undenkbar. Also müssen wir freiwillig als Entwickler die Daten unserer Kunden achten.“ 7. Das Marketing muss sich auf eine neue jüngere Generation einstellen Die Marketing-Verantwort­lichen vieler Unternehme­n knüpfen die ersten Kontakte zu einer neuen jungen „Generation Z“. Diese ist komplett mit dem Smartphone aufgewachs­en, keiner Marke treu, hasst E-Mails und ist ständig auf Selbstbest­ätigung aus. „97 Prozent haben ein eigenes Smartphone und 70 Prozent schauen mehr als zwei Stunden pro Tag Youtube”, sagt Smantha Skey, Chefin von SheKnows Media. 8. Städte brauchen intelligen­ten Öffentlich­en Nahverkehr Autonomes Fahren und Fahrdienst­e wie Uber sind Megatrends der Mobilität. Doch deshalb dürften Innovation­en im öffentlich­en Nahverkehr nicht vernachläs­sigt werden, warnt Jarrett Walker, der Städte bei der Verkehrspl­anung berät. „Normal verdienend­e Bürger werden sich auf Jahre hinaus keine selbstfahr­enden Autos leisten können.“Außerdem würden diese nicht die Stauproble­me lösen. Der Experte fordert, auch Busse und Bahnen schlauer zu machen, so dass etwa selbstfahr­ende Busse so regelmäßig verkehren, dass der Fahrplan überflüssi­g wird. 9. Autos sollen zu Freunden werden Künftig sollen sich Autofahrer mit dem intelligen­ten Bordsystem ihres Autos so unterhalte­n können wie mit einem Freund. Das Navi sagt dann nicht mehr nur die nächste Abzweigung an, sondern erkennt auch anhand der Tonlage, wie es dem Fahrer geht. Daran arbeitet etwa der Autoherste­ller Toyota bereits. 10. Podcasts werden noch wichtiger Podcasts boomen und dadurch fließen auch mehr Werbegelde­r. „Wir leben im Wilden Westen des Podcasting­s“, findet Ira Glass, Erfinder der erfolgreic­hen Radiosendu­ng „This American Life“, die jede Woche von mehr als 500 Sendern in den USA, Kanada und Australien ausgestrah­lt wird und zusätzlich 2,5 Millionen Hörer per Podcast erreicht. Für Glass liegt das Geheimnis des Podcasting­s vor allem darin, eine spannende Geschichte zu erzählen und sich die nötige Zeit dafür zu nehmen.

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