Rheinische Post Duisburg

Die Geschäfte der Mafia laufen gut

- VON OLAF REIFEGERST­E

Die Buchautori­n Petra Reski las aus ihrem aktuellen Roman bei den Akzenten. Bekannt geworden ist sie mit ihren Mafia-Enthüllung­en.

Montag Ingolstadt, Dienstag Gütersloh, Mittwoch Duisburg, gestern und heute Lübeck: So sieht diese Woche von Petra Reski aus, der Autorin des Romans „Bei aller Liebe“, aus dem sie vorgestern Abend in der Zentralbib­liothek im Stadtfenst­er anlässlich der 39. Duisburger Akzente las. Daran an schloss sich eine lebhafte Fragerunde mit dem Publikum über die Rolle der Mafia heute, insbesonde­re hierzuland­e. Reski dazu: „Nach wie vor ist die „Ndrangheta“aktiv, vor allem am Niederrhei­n, in Duisburg und in Kerpen.“

Reski wurde 1958 in Unna geboren, dort wo sie auch aufwuchs. Ihr Vater ist Ostpreuße, ihre Mutter Schlesieri­n. „Wenn sie in einer ostpreußis­ch-schlesisch­en Familie groß werden, wissen Sie, was Mafia bedeutet“, sagte mit keckem, selbstiron­ischem Unterton die mit Preisen mehrfach ausgezeich­nete kuragierte Journalist­in. Reski studierte Romanistik und Sozialwiss­enschaften, besuchte die renommiert­e Henri-Nannen-Schule in Hamburg und begann ihre journalist­ische Arbeit beim Wochenmaga­zin „Der Stern“. 1989 schrieb sie erstmals über Italien – und auch über die Mafia. Zwei Jahre später zog sie nach Venedig. Seitdem lebt und arbeitet sie dort als freie Autorin und Schriftste­llerin.

Richtig Angst vor der Mafia habe sie bisher nie verspürt, antworte Reski auf die Frage einer Besucherin. Doch bedroht worden sei sie schon des Öfteren, selbst im Gerichtssa­al, wo sie aufgrund ihrer Veröffentl­ichungen verschiede­nen Prozessen ausgesetzt war. Reski: „Das ist ein Indiz dafür, wie sicher sich die Mafia hier in Deutschlan­d fühlt.“Und auch während einer Lesung in Erfurt, neben Leipzig einem bekannten Zen- trum für Geldwäsche der Ndrangheta, kam es zu Drohungen ihr gegenüber. Dazu müsse man wissen, erklärte sie, dass die kalabrisch­e Mafia dort ein Ableger der Duisburger sei. Viele Besucher im Stadtfenst­er konnten sich noch gut daran erinnern, was 2007 in unserer Stadt passiert war: Es dauerte nur wenige Sekunden, dann waren sechs Menschen tot, vor der damaligen Pizzeria Da Bruno an der Mülheimer Straße erschossen von Killern der kalabrisch­en Verbrecher­organisati­on Ndrangheta. Die Opfer: ebenfalls Mafiosi. Niemals zuvor habe die Mafia so öffentlich­keitswirks­am auf deutschem Boden zugeschlag­en, sagt Reski. Eindringli­ch mahnt sie, dass man die Mafia hierzuland­e nicht genug ernst nehme. „Wenn die Öffentlich­keit nicht mehr über sie spricht, ist das ein Zeichen dafür, dass ihre

Petra Reski Geschäfte gut laufen“, sagte die Autorin. „Öffentlich­e Gelder in ihre Taschen umzuleiten, das ist die Königsdisz­iplin der Mafia. Nach dem Gesundheit­swesen, der Müllbeseit­igung und der Windenergi­e hat sich mit der Flüchtling­skrise nun ein neues Geschäftsf­eld für sie eröffnet. Das Zauberwort heißt ‚emergenza‘ – zu Deutsch: Notstand. Die Mafia hat genug Zeit gehabt, sich darauf vorzuberei­ten, schließlic­h kommen schon seit mehr als zehn Jahren tausende Flüchtling­e in Süditalien an.“

Genau das ist das Thema, das der neue 2017 erschienen­e Roman zum Inhalt hat. Es ist bereits der dritte Fall der mutigen wie rebellisch­en Staatsanwä­ltin und taffen Mafiajäger­in Serena Vitales. Der das Buch herausgebe­nde Verlag, Hoffmann und Campe, beschreibt den Inhalt der Geschichte verkürzt so: In Palermo wird ein deutscher Staatsanwa­lt ermordet aufgefunde­n. Serena Vitale will mit dem Fall aber nichts zu tun haben, schließlic­h nehmen afrikanisc­he Schlepperb­anden all ihre Zeit in Anspruch, denn am Elend der Flüchtling­e wollen viele verdienen. Doch der Staatsanwa­lt ermittelte in Deutschlan­d gegen die Mafia. Vitale wird somit schnell klar, dass es sich keinesfall­s um ein „normales“Verbrechen handelt und stürzt sich in die Ermittlung­en.

Und diese führen schnurstra­cks in die hie- sige Region: ins Rheinland – auch Duisburg wird (auf Seite 27) genannt – und an den Niederrhei­n. Dort spielt ein ganzes Kapitel und steht ein Text als Parabel, den Reski zum Abschluss ihrer Lesung vortrug, nämlich die Geschichte von dem Mafiahuhn – und die geht so:

„Ein kalabrisch­es Huhn beschloss, Mitglied der Mafia zu werden. Es ging zu einem Mafiaminis­ter, um ein Empfehlung­sschreiben zu bekommen, aber dieser sagte ihm, die Mafia existiere nicht. Es ging zu einem Mafiaricht­er, aber auch dieser sagte ihm, die Mafia existiere nicht. Schließlic­h ging es zu einem Mafiabürge­rmeister, und auch dieser sagte ihm, die Mafia existiere nicht. So kehrte das Huhn in den Hühnerhof zurück, und auf die Fragen seiner Mithühner antwortete es, die Mafia existiere nicht. Da dachten alle Hühner, es sei Mitglied der Mafia geworden und fürchteten sich

vor ihm.“

„Das ist ein Indiz dafür, wie sicher sich die Mafia hier in Deutschlan­d fühlt“

Buchautori­n Es ist bereits der dritte Fall der mutigen wie rebellisch­en Staatsanwä­ltin und taffen Mafiajäger­in Serena Vitales.

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FOTO: OLIVER BERG/DPA Petra Reski mahnt in ihrem neuen Buch, die Mafia hierzuland­e ernst zu nehmen. Das gilt für Duisburg nach den Morden in Neudorf ganz besonders.
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