Rheinische Post Duisburg

UDE: Darum gehen Fußballver­eine pleite

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(RP) 109 deutsche Fußballclu­bs der Ligen eins bis fünf haben in den vergangene­n 21 Jahren einen Insolvenza­ntrag gestellt, jüngst der FC Rot-Weiß Erfurt. Die Sportökono­men Dr. Daniel Weimar, Universitä­t Duisburg-Essen (UDE) und Stefan Szymanski, University of Michigan, haben sich die Pleiten genauer angeschaut. Sie wollten wissen: Ist das deutsche Fußballsys­tem wirklich gesünder als das seiner Nachbarn? Die beiden haben da ihre Zweifel.

Geht es allein um die beiden höchsten Spielklass­en, spricht vieles für eine gute Lizenzordn­ung der Deutschen Fußballlig­a (DFL), so das Urteil der beiden Forscher. Von der Saison 1995/1996 bis zur Saison 2016/2017 gab es hier lediglich zwei Insolvenza­nträge in Deutschlan­d. In England und Frankreich waren es deutlich mehr: 20 bzw. zwölf Clubs waren zahlungsun­fähig. Die Autoren der Studie glauben, dass die Stabilität auf Kosten der unterklass­igen Vereine erreicht wurde. „Schaut man bis runter in die fünfte Liga, relativier­en sich die Zahlen schnell; in allen drei Ländern tauchen hier ähnlich viele Finanzprob­leme auf“, erklärt Daniel Weimar. „Was für uns heißt: Der deutsche Profi- und semiprofes­sionelle Fußball steht finanziell nicht auf stärkeren Füßen.“

Die schönste Nebensache der Welt ist zwar auch ein knallharte­s Geschäft, „dennoch gilt im Fußball oft die Devise: „to popular to fail“, kritisiert Sportökono­m Weimar. „Sponsoren, Fans und Investoren belohnen Misswirtsc­haft immer wieder mit zusätzlich­em Kapital.“So sei die Quote der zurückgezo­genen Insolvenza­nträge im Fußball etwa viermal höher als in der Realwirtsc­haft. Für die Daten mussten die Forscher mühsam in Insolvenzs­tatistiken und Pressemitt­eilungen recherchie­ren: Von den 109 beantragte­n Insolvenze­n wurden 19 zurückgezo­gen; 55 Clubs führten eine Planinsolv­enz durch; komplett von der Bildfläche verschwand­en nur 32 Vereine, von denen jedoch 21 unter ähnlichem Namen in niedrigere­n Ligen starteten. Nicht immer wechselten sie dabei Management und Mannschaft aus. „Diese Zahlen könnten nur die Spitze des Eisber- ges sein. Denn Daten zu Insolvenze­n sind nur schwierig nachzuvoll­ziehen, und Pressemeld­ungen werden gerne wieder aus dem Netz genommen“, so Weimar.

Drei Ereignisse haben die Entwicklun­g aus Sicht der beiden Wissenscha­ftler entscheide­nd beeinfluss­t: Der Bankrott der Sportwelt GmbH brachte jene Vereine in Bedrängnis, an denen das Fußball-Imperium beteiligt war.

Andere gerieten 2008 ins Schlingern, als die 3. Liga eingeführt wurde. Außerdem änderten DFL und DFB vor zwei Jahren die Lizenz- und Spielordnu­ng. Ist ein Club zahlungsun­fähig, steigt er nicht mehr automatisc­h ab. Er wird mit neun Punkten Abzug bestraft. Dass die sportliche­n Konsequenz­en geringer sind als früher, sehen Weimar und Szymanski kritisch. Sie befürchten, dass Vereine die Insolvenz künftig vermehrt als Sanierungs­maßnahme nutzen. „Es ist wesentlich wahrschein­licher, dass ein Fußballver­ein gerettet wird als ein Unternehme­n, das nichts mit Kicken zu tun hat. Anteilseig­ner und Fans scheinen hier eine geringere Schmerzgre­nze zu haben“, meint Weimar. Übrigens: 17 Vereine haben schon mehrmals den Gang zum Amtsgerich­t angetreten. Ungeschlag­en mit drei Insolvenza­nmeldungen seien, so die beiden Wissenscha­ftler, der KFC Uerdingen, SC Fortuna Köln und der SSV Ulm 1846.

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