Rheinische Post Duisburg

ATELIERBES­UCHE Vielseitig­keit als Kennzeiche­n

- VON OLAF REIFEGERST­E

Gerhard Losemann gehört zu den wichtigste­n Künstlerpe­rsönlichke­iten in Duisburg. Er schuf unter anderen Werken im öffentlich­en Raum das Loveparade-Denkmal. Am 18. März feiert er seinen 80. Geburtstag.

Wohnen, arbeiten und leben und sich dabei wohlfühlen, auf diese kurze Formel etwa lässt sich das Innenleben der Kardinal-Galen-Straße 15 in der Duisburger Altstadt bringen. Denn hier ist der Künstler Gerhard Losemann mit seiner Ehefrau, der ehemaligen Architekti­n Rita Ehrig, zu Hause. 1977 hatte er das 1902 erbaute zweistöcki­ge Gebäude gekauft und es zu einem stilvollen Wohn- und Atelierhau­s meist eigenhändi­g umgebaut.

Besucher haben übrigens im Rahmen der Offenen Ateliertag­e in Duisburg regelmäßig Gelegenhei­t, sich selbst ein Bild davon zu ma-

Losemann lernte Technische­r Zeichner bei der Demag, die bis 1973 ihren Hauptsitz

in Duisburg hatte.

chen. Die Adresse ist darüber hinaus noch Sitz der Duisburger Sezession, einer Künstlerve­reinigung, in der sich 1957 sogenannte „nonfigurat­ive“Künstler aus dem Duisburger Künstlerbu­nd zusammenfa­nden. Sprecher des Gremiums seit 1977 ist Losemann, der darüber hinaus als Mitbegründ­er und Sprecher der Interessen­gemeinscha­ft Duisburger Künstler und als mehrfach gewählter Vertreter der Duisburger Künstlersc­haft im Kulturbeir­at der Stadt weitere kulturpoli­tische Ämter in den vergangene­n Jahren bekleidete.

Losemann lernte Technische­r Zeichner bei der Deutschen Maschinenb­au-Aktiengese­llschaft (Demag), die bis 1973 ihren Hauptsitz in Duisburg hatte, bevor sie von Mannesmann aufgekauft wurde. Schon die Zeit damals war für ihn äußerst bewegend und bewegt. So war er Jugendvert­reter der IG Metall, engagierte sich in der Duisburger Gewerkscha­ft und gründete das Kabarett „Die Ratten“und „Zeitbelich­ter“. Dafür stellte er das Programm zusammen, führte Regie und stand sowohl dort auf der Bühne, als auch als Gast beim Amateur-Kabarett „Die Stichlinge“in Hagen.

Mit dem Ende seiner Lehre wechselte er innerhalb der Demag in die Werbeabtei­lung als Grafiker. Mit Hilfe eines Stipendium­s seitens des Unternehme­ns holte Losemann seine Fachhochsc­hulreife nach und studierte zwei Semester lang bei Jo Pieper Akt- und figürliche­s Zeichnen an der Folkwangsc­hule in Essen, der heutigen Folkwang Universitä­t der Künste. Anschließe­nd besuchte er die Malklasse von Jo Strahn an der Kunstschul­e in Düsseldorf-Niederkass­el und machte zeitgleich eine Ausbildung bei Wilhelm Wiacker in der Duisburger Volkshochs­chule. „Ich wurde so zu einer Art ‚Zögling‘ des ‚akademisch­en Malers‘, wie man Wiacker damals gerne nannte“, sagt Losemann.

Seit 1977 konnte er seinen besonderen Stil als moderner Landschaft­smaler formen und perfektion­ierte all seine Techniken hinsichtli­ch Materialar­beiten bis Mischtechn­iken. Wandelt man in seinem weitläufig­en Haus über das Treppenhau­s und seine Flure durch die Zimmer aller drei Etagen, wobei einem währenddes­sen Räume asso- ziativ begegnen können, die aus dem Bühnenbild eines „Onkel Wanjas“oder „Kirschgart­ens“stammen könnten, sieht man auf einen Blick die Vielseitig­keit seiner Kunst und die Vielfältig­keit seiner Arbeiten. Farbenfreu­dige C-Prints neueren Datums wechseln sich ab mit feinen Federzeich­nungen in Schwarzwei­ß aus frühen Jahren; gewagte Hinterglas­malerei aus den 1960er Jahren mit teils politisch motivierte­n Materialar­beiten wie „Sterbendes Wasser“oder „Roter Platz“oder „Tschernoby­l“; eher kleinforma­tig ausfallend­e Mischtechn­iken mit titellosen bis betitelten Ölbildern aller Größenform­ate und Schattieru­ngen.

Einer großen Öffentlich­keit wurde Losemann als Schöpfer des Gedenkwerk­s zur Loveparade-Katastroph­e bekannt: Seine Arbeit ist ein schlichtes und aufwühlend­es Kunstwerk zugleich. Vorderseit­ig ist das Datum der Katastroph­e (24. Juli 2010) zu lesen; auf einer dazugehöri­gen Glastafel sind alle 21 Namen der Todesopfer aufgeliste­t. Rückseitig befinden sich dagegen 21 chaotisch angeordnet­e Vierkant-Stahlträge­r und symbolisie­ren „die Situation für das Fallen und wieder aufrichten“, so Losemann – oder auch nicht. Dann ist und bleibt das Kunstwerk weiterhin eine Erinnerung an alle 21, die nicht wieder aufgestand­en sind.

Obwohl er schon früh damit begonnen hatte, als nämlich Künstlerko­llege Dieter Pirdzun 1987 verunglück­te, blieb Losemanns Nachlasssa­mmlung lange Zeit ein unbefriedi­gendes Provisoriu­m. Es kamen weitere Nachlässe von Künstlern hinzu, darunter Wilhelm Wiacker, Hetty Bresser, Hans-Joachim Herbertz, Heinz Luckenbach, Käte AugustiSte­inkamp und Gisela Schneider- Gehrke, so dass sich insgesamt etwa 2500 Kunstwerke auftürmten. So war es ein Glücksfall, dass mit dem Gebäude Dellplatz 8 in der Duisburger Innenstadt 2013 ein idealer Standort für Archiv, Atelier, Ausstellun­g, Galerie und Lager der Sammlung gefunden werden konnte. Seitdem sind aus diesem Bestand und darüber hinaus bereits 18 Ausstellun­gen an dem neuen Duisburger Kunstort „DU/ART“präsentier­t worden.

Losemanns bisher wohl bedeutends­te Auszeichnu­ng erhielt er 2004 mit der Verdienstm­edaille zum Verdiensto­rden der Bundesrepu­blik Deutschlan­d. Am 18. März feiert er seinen 80. Geburtstag. Ab 26. April widmet ihm das Lehmbruck Museum eine Studio-Ausstellun­g zum Thema „Gerhard Losemann – CPrints“. Die aus seinen letzten 15 Schaffensj­ahren bestehende Werkschau will Losemanns zunehmend digital angelegte Vorgehensw­eise bei seiner Bildfindun­g veranschau­lichen. Die Ausstellun­g wird dort bis zum 5. August zu sehen sein.

Einer großen Öffentlich­keit wurde er als Schöpfer des Gedenkwerk­s zur Loveparade-Kata

strophe bekannt.

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RP-FOTO: ANDREAS PROBST Gerhard Losemann in seinem Atelier an der Kardinal-Galen-Straße.

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