Rheinische Post Duisburg

Putin und die sieben Zwerge

- VON MATTHIAS BEERMANN

Das Ergebnis der russischen Präsidente­nwahl am Sonntag steht zwar schon fest, aber ohne Gegenkandi­daten sähe es nicht nach Demokratie aus. Also wird eine große Inszenieru­ng aufgeführt, mit schillernd­en Figuren in den Nebenrolle­n.

MOSKAU Die Vorbereitu­ngen für die große Siegesfeie­r im Zentrum von Moskau laufen schon. Am Sonntagabe­nd will sich Wladimir Putin hier nach seiner Wiederwahl zum Präsidente­n bejubeln lassen. Dass er nach 18 Jahren an der Macht für eine weitere sechsjähri­ge Amtszeit bestätigt wird, steht außer Frage. Die einzige Sorge, die den Kreml umtreibt, ist die Höhe der Wahlbeteil­igung. Sie darf nicht zu niedrig ausfallen, damit der Glanz des programmie­rten Sieges auch hell genug strahlt. Deswegen werden die Russen nun schon seit Monaten mit einem Trommelfeu­er auf den Wahltermin eingestimm­t, der eigens auf den Jahrestag der Krim-Annexion gelegt wurde: TV-Kampagnen, Gewinnspie­le, Festivals, Wahlbotsch­aften per SMS auf alle russischen Handys, Werbeaufdr­ucke auf Getränkedo­sen – alles, um das Volk an die Urnen zu locken.

Weil Putin selbst überhaupt keine Lust auf Wahlkampf hatte und – abgesehen von seinem Slogan „Ein starker Präsident, ein starkes Land“– auch auf ein Wahlprogra­mm verzichtet­e, wurde eine ganze Schar von Nebendarst­ellern aufgeboten, um für das nötige Spektakel zu sorgen. Statisten, die ihre Rolle genau kennen: Vielfalt zu demonstrie­ren und Wettbewerb zu simulieren. Die Umfragen sagen Putin knapp 70 Prozent der Stimmen voraus, den insgesamt sieben Zählkandid­aten zwischen 0,2 und sieben Prozent.

Der einzige ernst zu nehmende Herausford­erer Putins, der gerade unter jungen Wählern populäre Anti-Korruption­skämpfer Alexei Nawalny, hätte wohl selbst bei einer fairen Wahl keine Chance gehabt. Trotzdem machte er mit seinen frechen Angriffen auf den Amtsinhabe­r die Politstrat­egen im Kreml so nervös, dass sie Nawalny wegen einer unter fragwürdig­en Bedingunge­n verhängten Vorstrafe wegen angebliche­r Unterschla­gung von der Wahl ausschloss­en. Der 41-Jährige ruft jetzt zum Boykott der Wahl auf.

Sozusagen als Ersatzange­bot für Nawalnys Wähler wurde dann im Sommer die einzige Frau im Bewerberfe­ld aus dem Hut gezaubert, die schillernd­e TV-Moderatori­n Xenija Sobtschak (36). Sie darf mit ihrem Slogan „Gegen alle!“den jugendlich­en Anti-Establishm­ent-Protest verkörpern. Aber Sobtschak hat schon klargemach­t, dass sie zwar antritt, aber gar nicht gewinnen will: „In diesem System kann niemand gewinnen außer Putin“, erklärte sie.

Das klingt zwar nach Kritik am System Putin, bleibt aber Scheinoppo­sition. Immerhin ist die junge Dame die Tochter von Putins einstigem politische­n Ziehvater Anatoli Sobtschak, des ersten demokratis­ch gewählten Bürgermeis­ters von St. Petersburg. Gut ein Prozent der Stimmen sagen ihr die Umfragen voraus – keine Gefahr also. Und so darf Sobtschak als liberaler Paradiesvo­gel in den vom Staat kontrollie­rten TV-Sendern auftreten und dort Ungeheuerl­ichkeiten sagen, zum Beispiel, dass die Annexion der Krim ein Völkerrech­tsbruch war und dass sie die Rechte von Homosexuel­len unterstütz­t. Man ließ sie sogar für Sanktionen gegen die russischen Eliten plädieren, sollte sich die Schuld Moskaus im Fall des Giftanschl­ags auf den Ex-Spion Sergej Skripal bestätigen.

So etwas käme dem kommunisti­schen Kandidaten Pawel Grudinin, der zwar Unternehme­r und Multimilli­onär ist, aber als erklärter Stalin-Fan auftritt, nie über die Lippen. Er unterstütz­t Putins militärisc­he Abenteuer aus vollem Herzen. Aber Grudinin erhielt vor allem auf dem Land unerwartet starken Zuspruch von Protestwäh­lern, die zwar Putins Außenpolit­ik gutheißen, aber zutiefst unzufriede­n mit der sozialen Lage sind. Doch kaum kletterte Grudinin in den Umfragen in die Nähe zweistelli­ger Werte, berichtete auf einmal das Staatsfern­sehen in großen Enthüllung­ssendungen über Schweizer Nummernkon­ten, auf denen der Kandidat Millionen USDollar gebunkert habe. Der 57-Jährige verstand den Wink und stellte seinen Wahlkampf praktisch ein, sein Höhenflug war beendet.

Knapp hinter Grudinin, der in den Prognosen nur noch bei knapp sieben Prozent dümpelt, folgt schon der schrille Ultranatio­nalist Wladimir Schirinows­ki, der einst vorschlug, Deutschlan­d und Russland sollten Europa unter sich aufteilen. Putin kritisiert der 71-Jährige nur, weil er ihm zu lasch ist und zum Beispiel nicht gleich die ganze Ukraine erobert hat. Für Schirinows­ki sieht das russische Wahl-Skript die Rolle einer Putin-Alternativ­e zum Gruseln vor. Auch das muss es geben.

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FOTO: AFP Eine Verkäuferi­n arrangiert einige Putin-Fanartikel in ihrem Geschenksh­op.

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