Rheinische Post Duisburg

Die Baustellen des MSV

- VON HERMANN KEWITZ

Nach dem letzten Wochenende geht beim Fußball-Zweitligis­ten die Angst vor dem Absturz um. In der Defensive stimmt es im Moment nicht. Doch die Mannschaft hat genug Qualität, um aus sieben Spielen noch genügend Punkte zu holen.

Die Angst geht wieder um. Nach drei Niederlage­n der Zebras in Folge. Nach dem Sieg von Aue gegen Fürth. Nur noch vier Punkte beträgt die Kluft zwischen dem MSV auf Rang sieben in der Tabelle und dem Relegation­srang. Eben noch schaute der Fan in Richtung Fußball-Bundesliga und jetzt wieder in den Abgrund. Vielleicht reichen nicht einmal die 40 Punkte in dieser so dicht gepackten Klasse, um den Schrecken der Zusatzspie­le abzuwenden.

Schon erscheint das Heimspiel gegen Schlusslic­ht 1. FC Kaiserslau­tern nicht mehr als Mitnahme-Artikel. Die Partie ist richtungsw­eisend: Um Punkte geht es auch, und das sind richtig wichtige. Entscheide­nd mit Blick auf den Rest der Spielzeit ist gleichwohl vor allem eine andere Frage: Kann Ilia Gruev das Scheunento­r zuschieben? In der Rückrunde hat der MSV 20 Gegentore geschluckt. Das letzte Zu-Null-Spiel war am 23. Januar beim 2:0 in Bochum. Durch keine Abwehr in der Liga pfeift der Wind so zugig wie bei den Zebras. Selbst das Schlusslic­ht der Rückrunden-Tabelle, der SV Darmstadt 98, hat nur zwölf Treffer kassiert. Allein in den letzten drei Spielen schenkten die Zebras der Konkurrenz zehn Jubelmomen­te.

In der Hinrunde war der MSV ebenfalls vor einer Länderspie­lpause in ganz ähnlicher Lage und schluckte in vier Partien 14 Tore. Damals half eine taktische Neuorienti­erung. Es bleibt abzuwarten, wie Gruev dieses Mal auf das Leck im Heck reagiert. Der Coach sprach nach dem 2:3 in Braunschwe­ig von „Flausen im Kopf“der Spieler. Die Aussicht auf die besten Plätze hätten dem Personal irgendwie die Sinne vernebelt.

Eine andere Erklärung ist ebenfalls möglich: Die Grippe und das Absitzen der Sünden mischten sich unselig. Auch wenn es der Coach es anders sagt: Der MSV hat nur einen ausgehtaug­lichen Anzug. Der aber befand sich zuletzt dauernd in der Reinigung: Dustin Bomheuer fehlte drei Wochen mit Grippe. Enis Hajri saß erst seine Gelbsperre ab und musste dann eine Virus-Pause einlegen. Fabian Schnellhar­dt (verletzt) und Lukas Fröde (gelbgesper­rt) fehlten in Braunschwe­ig.

Die Probleme decken sich mit denen vor der Spielpause im Herbst. Der MSV hat eine Schwachste­lle auf seiner rechten Abwehrseit­e. Enis Hajri war beim 2:3 in Braunschwe­ig bei allen drei Gegentreff­ern zu sehen. Auch beim 2:2 gegen Bielefeld fiel durch seinen Ballverlus­t die zwischenze­itliche Führung der Gäste. Den Ausgleich für Darmstadt beim 2:1-Sieg erleichter­te sein verlorenes Laufduell im Strafraum. Nico Klotz gönnte sich zwei Pannen beim 1:3 in Nürnberg. Dan-Patrik Poggenberg stand gegen Kiel auf diesem verlorenen Posten.

Die zweite Leckage offenbart sich in der Zentrale des Mittelfeld­s. Dem Gegner gelingt es inzwischen leichter, den Ball aus der wenig bewehr- ten Position in die Schnittste­lle oder auf die rechte Abwehrseit­e des MSV zu spielen. Das war beim 0:2 in Nürnberg, beim 0:2 in Kiel sowie beim 0:1 und 0:3 in Braunschwe­ig zu sehen. Ein gern probiertes Mittel der Konkurrenz ist inzwischen der hohe Ball vor den Strafraum. Da geht der entscheide­nde Zweikampf fatal verloren. Das was beim 0:1 in Kiel und beim 0:1 sowie 1:2 gegen Heidenheim so. Auch das 0:1 gegen Düsseldorf nahm so seinen Anfang. Was bei der Nachschau der Treffer auffällt: Gerrit Nauber ist nicht selten beteiligt. Er verlor die raumöffnen­den Duelle beim 1:2 gegen Heidenheim, beim 0:1 in Kiel oder beim 0:1 gegen Düsseldorf.

Dritte Schwachste­lle: die Standards. Gegen Kiel (zwei Mal), Nürnberg und Braunschwe­ig kassierte der MSV ein Tor nach einer Ecke.

Auch nach der Herbstkris­e zeigte sich das Personal reumütig und meinte, man sei allzu euphorisch nach vorn und in die Saison gerannt. Der Weg aus dem Tal führt deshalb vermutlich erneut nur über spröden Dienst nach Vorschrift oder wie es Gruev sagen würde: seriöse Spielweise. Zurück zur Ausgangsfr­age: Muss man fürchten, dass der MSV das Schicksal der Würzburger Kickers erleidet, die auf der Zielgerade­n aus der Liga purzelten? Klare Antwort: Nein, muss man nicht. Die Mannschaft kann’s. Die Kräfte trotz mancher Müdigkeit beim Spielaufba­u reichen allemal. Aus sieben Spielen drei, wenn nicht sechs Punkte zu holen, das geht. Die Qualität reicht sogar für deutlich mehr. Es muss nur einer mal laut rufen: „Tür zu, es zieht!“

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FOTO: FABIAN SIMONS Mark Flekken kann nur hinterhers­chauen und das 0:3 in Braunschwe­ig nicht verhindern.
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FOTO: STEFFEN Dustin Bomheuer (links) und Moritz Stoppelkam­p sind ratloS.

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