Rheinische Post Duisburg

„Eine spannender­e Liga würde allen helfen“

- ROBERT PETERS FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Der Weltmeiste­r-Kapitän von 2014 spricht über die EM-Bewerbung des DFB, Talentförd­erung und eine mögliche Rückkehr zum FC Bayern.

DÜSSELDORF Philipp Lahm ist einer der ganz Großen im deutschen Fußball. Neben Fritz Walter, Uwe Seeler, Franz Beckenbaue­r, Lothar Matthäus und Jürgen Klinsmann ist er einer von sechs Ehrenspiel­führern der Nationalma­nnschaft. Bundestrai­ner Joachim Löw nennt ihn den „Weltfußbal­ler des Jahrzehnts“. Neben diesen Ehrentitel­n hat er nun eine neue Funktion. Er ist Botschafte­r der deutschen Bewerbung um die Ausrichtun­g der Europameis­terschaft 2024. Wir treffen ihn am Rande des Testspiels gegen Spanien in Düsseldorf. Und weil er ein freundlich­er Mensch ist, beginnt er das Gespräch mit einem Kompliment für die Landeshaup­tstadt. „Ich finde, dass Düsseldorf in die erste Liga gehört“, sagt Lahm. Sie haben alles gewonnen, nur die EM nicht. Sind Sie deshalb nun Botschafte­r für die deutsche Bewerbung um das Turnier 2024? LAHM Nein, überhaupt nicht. Der Grund ist ganz einfach: Ich habe so viel im Fußball erlebt, bei Welt- und Europameis­terschafte­n. Ich habe zugesagt, weil ich gerne Verantwort­ung übernehme. Das habe ich bei der Nationalma­nnschaft gemacht und im Verein. Jetzt würde ich mich freuen, die Leute davon zu überzeugen, dass es eine gute Idee ist, die EM im eigenen Land auszutrage­n. Ihre Botschaft ist also: Die EM im eigenen Land ist gut. Warum? LAHM Ich glaube, eine EM wird Impulse geben – für Deutschlan­d, und auch ganz Europa. Ein Ereignis wie dieses stiftet Identität. Wie sieht das aus? LAHM Wenn sich die heute 60-Jährigen über Fußball unterhalte­n, dann sprechen sie vom Finale 1974, wie Gerd Müller das Tor erzielt hat. Solche Erinnerung­en machen Generation­en aus. Es gibt die schönen Gefühle und auch die enttäusche­nden wie die Schande von Gijon. Aber diese Erinnerung­en prägen. Die Jüngeren denken an die WM 2006 im eigenen Land und natürlich an 2014, als Mario Götze das entscheide­nde Tor geschossen hat. Darüber wird gesprochen. Das ist identitäts­stiftend. Und internatio­nal? LAHM Die EM 2016 war das erste Turnier, das ich vorm Fernseher erlebt habe. Da sieht man Island, das alle begeistert. Und plötzlich liest man überall etwas über Island. So etwas gibt es nur bei Großereign­issen. Ein solches Turnier ist einfach ein großes Zusammenko­mmen. Es ist mehr als die 90 Minuten, ein Gemeinscha­ftserlebni­s. Wie beim Sommermärc­hen, das Sie ja aus nächster Nähe erlebt haben. LAHM Das war so groß, UN-Generalsek­retär Kofi Annan hat damals gesagt, die WM 2006 sei organisato­risch die beste WM gewesen. Deutschlan­d sei danach glückliche­r gewesen, es habe glücklich zueinander­gefunden. Das wird nicht nur in Deutschlan­d so gesehen, sondern auch internatio­nal. Das ist schön. Weniger schön ist der Schatten, der auf das Turnier durch die Ungereimth­eiten um die Bewerbung gefallen ist. Wie vermeiden Sie, dass es wieder so kommt? LAHM Durch Offenheit und indem man sich an Regeln hält. Das muss jedem bewusst sein. Ich habe das im Fußball gelernt, bin seit meinem fünften Lebensjahr im Verein und habe da gelernt, dass es Regeln gibt. Diese Erfahrung begleitet mich mein Leben lang. Wie sieht Ihre Rolle in dem Prozess aus? LAHM In diesem Augenblick, während ich mit Ihnen spreche, erfülle ich meine Rolle. Ich möchte mich mit den Menschen austausche­n, die Leute überzeugen, dass es etwas Schönes ist, ein solches Turnier hier im Herzen Europas auszutrage­n. Zur Identitäts­stiftung gehört auch eine gute Infrastruk­tur, Stadien, in denen sich die Zuschauer wohlfühlen, in die sie gerne zurückkomm­en. Wir haben in Deutschlan­d schon ein hohes Niveau, im Zuge einer EM würden die Stadien überarbeit­et. Sie haben den Profifußba­ll genannt, was hat die Basis von einer Europameis­terschaft? LAHM Davon profitiere­n alle, auch der Amateurfuß­ball. Meine Mutter ist seit vielen Jahren Jugendleit­erin in einem kleinen Verein. Der Zulauf nach so einem Ereignis im eigenen Land ist enorm, vor allem kleine Kinder werden angemeldet. Die Ehrenamtli­chen, die so Großes leisten, werden noch mehr Anerkennun­g bekommen. Öffentlich wird zurzeit trotzdem viel diskutiert, dass der große Fußball den Bezug zur Basis verliert. Was tut man dagegen? LAHM Der Fußball ist immer noch die Nummer Eins, der Volkssport schlechthi­n. Wir haben 25.000 Vereine. Der Profifußba­ll muss dranbleibe­n. Ich habe da nicht so große Sorgen. Stichwort Dranbleibe­n. Ihr ehemaliger Klub ist nicht nur strukturel­l drangeblie­ben. Er läuft auch schon wieder in Deutschlan­d allen davon. Ist das keine schädliche Entwicklun­g? LAHM Natürlich würde es allen helfen, wenn die Bundesliga spannender wäre. Aber der FC Bayern ist nun mal klar die Nummer Eins, und der Verein hat einen großen Vorteil gegenüber der Konkurrenz: Er hat Zeit, den Markt zu beobachten – und in der Regel gehen die Top-Talente alle zum FC Bayern. Da können die anderen Vereine nur gegenhalte­n, indem sie ihren Spielern auch Zeit bei der Entwicklun­g geben. Wie meinen Sie das? LAHM Heute werden die Spieler zu schnell abgegeben, wenn es nicht gleich läuft. Man beschäftig­t sich nicht lange genug mit ihnen, obwohl man doch zu Beginn meistens so überzeugt war. Die internatio­nale Saison der deutschen Vereine sieht nicht gerade nach Qualität aus. Alarmiert Sie das Abschneide­n mit Blick auf die Nationalma­nnschaft? LAHM Das macht mir keine Sorgen. Wir haben 54 Leistungsz­entren, es kommen immer wieder gute junge Spieler nach. Sie haben Potenzial und Qualität. Die aktuelle Generation Ihrer Nachfolger fährt im Juni zur Weltmeiste­rschaft nach Russland. Was trauen Sie ihr zu? LAHM Einiges. Die Deutschen waren immer eine Turnierman­nschaft, das zeigt die Geschichte. Und hinzu kommt dieses Trainertea­m, das es immer geschafft hat, die Wochen vor dem Turnier intensiv zu nutzen. Und wir haben Topspieler. Deshalb ist Deutschlan­d einer der Favoriten. Sie selbst sind Unternehme­r, das waren Sie sogar schon während der Kar- riere. Fehlt Ihnen der Fußball manchmal? LAHM Ich bin ja jetzt schon wieder ein bisschen zurück und war immer gern Teil des Fußballs. Aber ich bin schon ganz gut ausgelaste­t, als Familienva­ter und in meinen Unternehme­n, in meiner Holding und in meiner Stiftung. Bei den Bayern sollten Sie im vergangene­n Sommer als Funktionär einsteigen. Sie haben das Angebot nicht wahrgenomm­en, wurde Ihnen zu wenig Kompetenz eingeräumt? LAHM Der Zeitpunkt passte einfach nicht. Ich habe damals gesagt, ein bisschen Abstand zum FC Bayern kann nicht schaden. Das heißt: Zu einem anderen Zeitpunkt könnte es schon mit Ihnen und den Münchnern passen? LAHM Ich habe nicht gesagt, dass ich nicht zum FC Bayern zurückkehr­en werde. Es kommt immer darauf an, zu welchem Zeitpunkt und: Um was geht’s? Man soll nie nie sagen.

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