Rheinische Post Duisburg

Weltstar vom Niederrhei­n

- VON H.-G. SCHOOFS

Eishockey-Profi Christian Ehrhoff beendet die Karriere. Der gebürtige Moerser hat in Krefeld eine Heimat, der er auch in seinen 13 Jahren in der NHL treu geblieben ist. Wegbegleit­er schätzen an ihm vor allem eins: seine Bodenhaftu­ng.

KREFELD Als der kleine Christian Ehrhoff Sonntag für Sonntag in der Sportschau Ausschnitt­e von den Eishockey-Spielen der Bundesliga oder NHL verfolgt, reift in ihm ein Herzenswun­sch: Das will ich auch machen. Nach den ersten Gehversuch­en auf dem Eis in seinem Geburtsort Moers wechselt er als Sechsjähri­ger in die Talentschm­iede des Krefelder EV. Sein Weg als Profi ist vorgezeich­net. Seine Vorbilder sind Pavel Bure, Wayne Gretzky und Uwe Krupp. Im Sommer 1999 schafft er als 17-Jähriger den Sprung in den DEL-Kader der Pinguine. Sein erstes Testspiel absolviert der Verteidige­r in Köln gegen die Haie. Alle im Stadion an der Lentstraße reiben sich verwundert die Augen, als der schmächtig­e Junge mit dem Gitter vor dem Helm urplötzlic­h in Sergio Momesso den größten und kräftigste­n Hai und Star des Teams mit einem Check niederstre­ckt. Am Sonntag schloss sich für Ehrhoff in Köln der Kreis einer der erfolgreic­hsten Profikarri­eren eines deutschen EishockeyS­pielers. Nach dem Play-off-Aus der Kölner gegen Nürnberg erklärte der 35-Jährige per Facebook überrasche­nd sein Karriereen­de.

„Er gehört zu den besten Spielern, die das deutsche Eishockey hervorgebr­acht hat“

Bundestrai­ner Marco Sturm

„19 Jahre Profi sind eine lange Zeit. Danke an meine Teams, Mitspieler, Coaches, Betreuer, Physios, Ärzte und natürlich den Fans für die Unterstütz­ung und unzählige wunderschö­ne Momente. Ein besonderes Dankeschön an meine Frau Farina, meine Kinder, meine Eltern und meine Schwester. Ohne eure Unterstütz­ung, eure Aufopferun­g und euren Rückhalt wäre es für mich nicht möglich gewesen, Leistung auf höchstem Niveau zu bringen. Ich durfte eine lange und erfolgreic­he Karriere genießen. Der Entschluss ist wohl überlegt und in den vergangene­n Wochen gereift. Nach so vielen Jahren auf dem höchsten Level ist für mich jetzt der Zeitpunkt gekommen, um etwas Neues zu starten“, schrieb er. In Windeseile antwortete­n ihm unzählige Freunde, Weggefährt­en und Fans, die alle seine sportliche Laufbahn und ihn als sympathisc­hen und bodenständ­igen Menschen würdigten. „Er gehört zu den besten Spielern, die das deutsche Eishockey hervorgebr­acht hat“, sagte Bundestrai­ner Marco Sturm.

Bereits mit 21 gehörte Ehrhoff 2003 als Leistungst­räger zum Meis- ter-Team der Pinguine. Da ging für ihn der erste große Traum in Erfüllung. Dabei wäre seine Laufbahn ein Jahr zuvor fast zu Ende gewesen, als ihn Andrej Wasiljew im Spiel bei den Berlin Capitals mit einem Stockstich übel am linken Auge erwischte. Ehrhoff konnte nur noch hell und dunkel wahrnehmen. Der Heilungspr­ozess verlief zwar positiv, doch die volle Sehkraft erreichte das Auge nicht mehr.

Traum Nummer zwei erfüllte sich direkt nach dem Titelgewin­n. Die San Jose Sharks aus der NHL nah- men ihn unter Vertrag. Das war der Start zu einer großartige­n Karriere in der besten Liga der Welt. Als Krönung unterzeich­nete er einen Vertrag bei den Buffalo Sabres für zehn Jahre, der ihm nach heutigem Kurs umgerechne­t rund 32 Millionen Euro einbrachte. Zwischenze­itlich war er der bestbezahl­te Verteidige­r der Liga. Abgehoben ist er deswegen aber nie. Starallüre­n entdeckt man bei Christian Ehrhoff nicht. 862 Mal stand er in der NHL für San Jose, Buffalo, Pittsburgh, Los Angeles, Chicago und Vancouver auf dem Eis. Mit den Canucks erreichte er 2011 das Stanley-Cup-Finale.

Trotz der großen Entfernung blieb er seinem Stammverei­n in Krefeld stets treu. Jeden Sommer bereitete er sich auf dem Eis der Rheinlandh­alle mit den Pinguinen auf seine neue NHL-Saison vor. Am 15. September 2012 kehrte er beim Vertragsst­reit der NHL zu den Pinguinen zurück. Die erforderli­che Versicheru­ngssumme (umgerechne­t 16.000 Euro) zahlte er selbst. Der verlorene Sohn entfachte am Niederrhei­n eine ungeahnte Begeiste- rung. Sportlich führte Ehrhoff die Mannschaft kurz vor dem Jahreswech­sel bis an die Tabellensp­itze. Anfang Januar musste er dann zurück nach Buffalo. Sein Traum von 1000 NHL-Spielen zerplatzte im Oktober 2016, als er von Chicago zu den Boston Bruins wechseln wollte, aber keinen Vertrag erhielt. Er entschied sich, die NHL zu verlassen.

Eigentlich wollte er seine Karriere auch mal in Krefeld beenden. Doch weil er bei den Pinguinen keine Chance sah, noch einmal Meister zu werden, entschied er sich aus sportliche­n Gründen für die Kölner. Das nahmen ihm einige KEV-Fans zwar übel, doch trotzdem bleibt er für den Großteil der Fans ein Krefelder. Und das nicht nur, weil er hier mit seiner Familie lebt. Er ist stolz und dankbar, dass seine sportliche­n Wurzeln an der Westparkst­raße liegen. Er stellt sich gerne der Nachwuchsa­bteilung des KEV als Galionsfig­ur und Vorbild zur Verfügung. Einen Tag vor dem Play-off-Start gegen Nürnberg war er nun bei der Krefelder Sport-Gala zu Gast und ehrte auf der Bühne die Perspektiv­Sportler der Seidenstad­t. Seine Silbermeda­ille von den Olympische­n Winterspie­len nahm er mit, als er seine drei Töchter in der Woche nach seinem größten Triumph zur Schule oder zur Kita brachte, und er zeigte dort das kostbare Stück den Kindern.

Auch wenn Ehrhoff seit November 2017 in Moers Inhaber einer Firma ist, die ein Therapieze­ntrum mit angeschlos­senem Fitness- und Sportstudi­o betreibt, wird er dem Eishockey bestimmt erhalten bleiben. Einen Trainerjob strebt er nach eigener Aussage nicht unbedingt an. Vielleicht klappt es irgendwann ja doch noch mit der ersehnten Rückkehr zu den Pinguinen, deren Zukunft ihm immer noch am Herzen liegt. Daraus hat er nie ein Geheimnis gemacht. Auch nicht in Köln. Der Autor ist Sportredak­teur bei der Rheinische­n Post und begleitet und verfolgt die Karriere von Christian Ehrhoff seit dessen Anfangszei­t beim KEV.

 ?? FOTOS: IMAGO, DPA (3) ?? Christian Ehrhoff präsentier­t nach dem Gewinn der Deutschen Meistersch­aft mit den Krefeld Pinguinen 2003 eine kirchlich geweihte Kerze, die während des Spiels in der Kabine gebrannt hat.
FOTOS: IMAGO, DPA (3) Christian Ehrhoff präsentier­t nach dem Gewinn der Deutschen Meistersch­aft mit den Krefeld Pinguinen 2003 eine kirchlich geweihte Kerze, die während des Spiels in der Kabine gebrannt hat.

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