Digitalisierung stresst Familien
Einer Studie zufolge klagen Eltern in NRW, die Smartphone & Co. oft nutzen, häufiger über Zeitnot als andere.
DÜSSELDORF Die zunehmende Nutzung digitaler Geräte hat Familien in NRW bisher keine Zeitersparnis gebracht. „Familien leiden unter Zeitnot, unabhängig davon, wie stark digitale Angebote genutzt werden“, heißt es in einer jüngst erschienen Studie der Forschungsinstitute Emnid TNS Deutschland und Prognos mit dem Titel „Familie im Digitalzeitalter“. Einzige Ausnahme seien Eltern, die von zu Hause arbeiten können und damit den Arbeitsweg sparten, oder jene, die ihre Behördengänge digital erledigten.
Die Studie ist eine der wenigen, die sich bisher umfassend mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf Familien auseinandersetzt – und nicht in erster Linie auf Wirtschaft und Arbeitsleben. Das Ergebnis ist von einiger Bedeutung: Zeitmangel ist korrespondierenden wissenschaftlichen Analysen zufolge für viele Familien ein gravierenderes Problem und gibt mehr Anlass zur Unzufriedenheit als eine unzureichende finanzielle Ausstattung, Engpässe bei der Kinderbetreuung oder die eigene Wohnsituation.
Wie aus der Emnid-Prognos-Studie weiter hervorgeht, mangelt es zwei von drei Elternteilen vor allem an Zeit zum Entspannen und an Gelegenheiten, Hobbys nachgehen zu können. Dabei beklagten Eltern mit großer digitaler Nähe sogar häufiger als der Durchschnitt, dass ihnen dafür zu wenig Zeit bleibe. Jeweils 43 Prozent der Eltern gaben aber auch an, dass sie zu wenig Zeit für ihren Partner und ihre Kinder hätten. Die Durchschnittsfamilie verfügt über zwei bis drei Smartphones.
Einen Schlüssel zur Lösung des Problems sehen die Forscher in einer Ausweitung der Heimarbeit. So werde von den Befragten, und zwar von jedem fünften, vor allem der Arbeitsweg als unnötiger Zeitaufwand empfunden. Fast jeder Dritte in NRW habe bereits heute die Möglichkeit, den Arbeitsort bei Bedarf flexibel zu wählen. Dies geschehe aber nur punktuell. Ein weiteres Drittel meint, dass die eigene Tätigkeit das Arbeiten von zu Hause erlauben würde, und erhofft sich davon eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dies treffe vor allem auf Eltern mit höherem Bildungsstand zu. Soziale Unterschie- de ergeben sich der Studie zufolge auch im Hinblick auf die Nutzung des Internets. Die geringste digitale Nähe hätten Familien mit niedrigem Einkommen, gepaart mit höherem Alter der Eltern und einfachem Bildungsniveau. Generell ablehnend stehen dem Internet demnach rund zwölf Prozent gegenüber. Dabei spielen allerdings auch Sicherheitsbedenken eine Rolle. Die entscheidende Altersgrenze für ein ei- genes Smartphone liegt zurzeit bei zehn Jahren. Unterschiede gibt es zudem beim Zugang zu schnellem Internet. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) kündigte gegenüber der Funke-Mediengruppe an, zum Kampf gegen Funklöcher zu einem Gipfeltreffen mit den Mobilfunkanbietern einzuladen.
Als wichtigstes Kommunikationsmittel in Familien nach dem persönlichen Gespräch hat der Chatdienst Whatsapp das Telefongespräch abgelöst. Nur 14 Prozent nutzen diesen nicht. „Innerhalb weniger Jahre hat ein neuer medialer Kanal die Kommunikationsstrukturen der Familien komplett verändert“, schreiben die Forscher.
Christina Kampmann, in der SPD-Fraktion für Digitales zuständig, fordert die Landesregierung auf, aus der Studie Konsequenzen zu ziehen: „Medienkompetenz muss in Kitas und Schulen stärker verankert werden, um soziale Unterschiede auszugleichen.“Zudem müssten Arbeitgeber mobiles Arbeiten häufiger ermöglichen – bei entsprechenden arbeitsrechtlichen Regelungen.“