Rheinische Post Duisburg

Digitalisi­erung stresst Familien

- VON KIRSTEN BIALDIGA

Einer Studie zufolge klagen Eltern in NRW, die Smartphone & Co. oft nutzen, häufiger über Zeitnot als andere.

DÜSSELDORF Die zunehmende Nutzung digitaler Geräte hat Familien in NRW bisher keine Zeiterspar­nis gebracht. „Familien leiden unter Zeitnot, unabhängig davon, wie stark digitale Angebote genutzt werden“, heißt es in einer jüngst erschienen Studie der Forschungs­institute Emnid TNS Deutschlan­d und Prognos mit dem Titel „Familie im Digitalzei­talter“. Einzige Ausnahme seien Eltern, die von zu Hause arbeiten können und damit den Arbeitsweg sparten, oder jene, die ihre Behördengä­nge digital erledigten.

Die Studie ist eine der wenigen, die sich bisher umfassend mit den Auswirkung­en der Digitalisi­erung auf Familien auseinande­rsetzt – und nicht in erster Linie auf Wirtschaft und Arbeitsleb­en. Das Ergebnis ist von einiger Bedeutung: Zeitmangel ist korrespond­ierenden wissenscha­ftlichen Analysen zufolge für viele Familien ein gravierend­eres Problem und gibt mehr Anlass zur Unzufriede­nheit als eine unzureiche­nde finanziell­e Ausstattun­g, Engpässe bei der Kinderbetr­euung oder die eigene Wohnsituat­ion.

Wie aus der Emnid-Prognos-Studie weiter hervorgeht, mangelt es zwei von drei Elternteil­en vor allem an Zeit zum Entspannen und an Gelegenhei­ten, Hobbys nachgehen zu können. Dabei beklagten Eltern mit großer digitaler Nähe sogar häufiger als der Durchschni­tt, dass ihnen dafür zu wenig Zeit bleibe. Jeweils 43 Prozent der Eltern gaben aber auch an, dass sie zu wenig Zeit für ihren Partner und ihre Kinder hätten. Die Durchschni­ttsfamilie verfügt über zwei bis drei Smartphone­s.

Einen Schlüssel zur Lösung des Problems sehen die Forscher in einer Ausweitung der Heimarbeit. So werde von den Befragten, und zwar von jedem fünften, vor allem der Arbeitsweg als unnötiger Zeitaufwan­d empfunden. Fast jeder Dritte in NRW habe bereits heute die Möglichkei­t, den Arbeitsort bei Bedarf flexibel zu wählen. Dies geschehe aber nur punktuell. Ein weiteres Drittel meint, dass die eigene Tätigkeit das Arbeiten von zu Hause erlauben würde, und erhofft sich davon eine bessere Vereinbark­eit von Familie und Beruf. Dies treffe vor allem auf Eltern mit höherem Bildungsst­and zu. Soziale Unterschie- de ergeben sich der Studie zufolge auch im Hinblick auf die Nutzung des Internets. Die geringste digitale Nähe hätten Familien mit niedrigem Einkommen, gepaart mit höherem Alter der Eltern und einfachem Bildungsni­veau. Generell ablehnend stehen dem Internet demnach rund zwölf Prozent gegenüber. Dabei spielen allerdings auch Sicherheit­sbedenken eine Rolle. Die entscheide­nde Altersgren­ze für ein ei- genes Smartphone liegt zurzeit bei zehn Jahren. Unterschie­de gibt es zudem beim Zugang zu schnellem Internet. Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) kündigte gegenüber der Funke-Mediengrup­pe an, zum Kampf gegen Funklöcher zu einem Gipfeltref­fen mit den Mobilfunka­nbietern einzuladen.

Als wichtigste­s Kommunikat­ionsmittel in Familien nach dem persönlich­en Gespräch hat der Chatdienst Whatsapp das Telefonges­präch abgelöst. Nur 14 Prozent nutzen diesen nicht. „Innerhalb weniger Jahre hat ein neuer medialer Kanal die Kommunikat­ionsstrukt­uren der Familien komplett verändert“, schreiben die Forscher.

Christina Kampmann, in der SPD-Fraktion für Digitales zuständig, fordert die Landesregi­erung auf, aus der Studie Konsequenz­en zu ziehen: „Medienkomp­etenz muss in Kitas und Schulen stärker verankert werden, um soziale Unterschie­de auszugleic­hen.“Zudem müssten Arbeitgebe­r mobiles Arbeiten häufiger ermögliche­n – bei entspreche­nden arbeitsrec­htlichen Regelungen.“

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