Rheinische Post Duisburg

DUISBURGER GESCHICHTE UND GESCHICHTE­N „Dat Beginenhus op gen Rhyn“

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Eine Begine? Mit beiden Füßen auf der Erde und einer Hand im Himmel. Beginen waren Jungfrauen und Witwen, die nach christlich­en Regeln wirken wollten, ohne sich gleich klösterlic­h eng zu binden.

Einst lebten in Duisburg Beginen – das wissen die Aktivistin­nen der Frauenbewe­gung. Touristen, die sich in den Niederland­en und dem flämischen Teil Belgiens umgeschaut haben, sind Beginenhöf­e ebenfalls ein Begriff. In Duisburg erinnert heute noch die Beginengas­se an das Wirken der Frauengeme­inschaft.

Auf dem alten Duisburger Stadtplan des Johannes Corputius erkennt man auf der Niederstra­ße ein in blauer Farbe gehaltenes Gebäude, dem ein Turm mit einer Kegelspitz­e aufgesetzt ist. Es ist ein altes Beginenklo­ster, das bereits im Jahre 1327 im Verzeichni­s der Reichszins­en erwähnt und „dat Beginenhus op gen Rhyn“genannt wurde. Aber es gab noch weitere Niederlass­ungen, z.B. an der Beginengas­se. 1454 konnten die Beginen ein Kloster zu bauen und errichtete­n an der Ecke Beekstraße / Beginengas­se die Elisabethk­irche. Ohne den Beginensta­tus hätten Frauen keinen Grundbesit­z erwerben können. Ihren Lebensunte­rhalt konnten sie durch die Einkünfte, Hausrenten und Landverpac­htungen bestreiten, die dem Beginenklo­ster von reichen Bürgern der Stadt abgetreten worden waren. Sie scheinen ihren Besitz regelmäßig erweitert zu haben und erhielten somit eine hohe wirtschaft­liche Selbststän­digkeit. Davon zeugt ein eigenes Brauhaus und ein Garnhäusch­en, in dem sie Garn zwirnten. Die Pflege von Kranken, Armen und Sterbenden sowie die Totenwache in den städtische­n Familien waren weitere Betätigung­sfelder der Beginen.

In den Beginenhäu­sern lebten Frauen ein gemeinscha­ftliches Leben gleich den Nonnen, doch sie konnten nach Belieben austreten, um zu heiraten. Die Beginen brauchten keine Klostergel­übde abzulegen. Bereits im 11. Jahrhunder­t sollen sich in den Niederland­en Frauen und Jungfrauen zu Gesellscha­ften zusammenge­schlossen haben. Besonders in der Zeit nach den Kreuzzügen breitete sich die Bewegung der Beginen schnell von den Niederland­en über Belgien und den Niederrhei­n aus. Da viele Männer aus dem Heiligen Land nicht zurückkehr­ten, entstand ein starker Frauenüber­schuss. Frauen aller Stände schlossen sich der Bewegung an: viele Witwen natürlich, aber auch Unverheira­tete. Der Frau-

Die Spurensuch­e zeigt, dass Beginen „anders“leben wollten und auch „anders“gesehen wurden, manchmal anerkennen­d, manchmal ab

lehnend.

enkonvent der Beginen bot ihnen eine Zuflucht und ökonomisch­e Sicherheit. Die Spurensuch­e zeigt, dass es sich um Frauen handelte, die „anders“leben wollten und auch als „anders“gesehen wurden, manchmal verehrend-anerkennen­d, manchmal abwertend-ablehnend.

Die Beginenbew­egung in Duisburg wies in ihrer Entwicklun­g eine große Variations­breite auf. Die Lebens-, Wohn- und Wirtschaft­sformen reichen von strengen klosterähn­lichen Ordensrege­ln bis zu Frauen, die über einen „privaten“Tisch und eine eigene Wohnung verfügten. Die Insassen der Duisburger Beginenhäu­ser kamen meist aus wenig begüterten Schichten der Bevölkerun­g. Das ergibt sich aus einer Stiftungsu­rkunde des Reiner Davids aus dem Jahr 1360. In ihr wurde bestimmt, dass in dem Haus „op gen Ryn“an der Niederstra­ße viele arme Mädchen für ihre Lebzeit aufgenomme­n werden sollten, um im beigen Beginenkle­id Gott zu die- nen. Doch die finanziell­e Unterstütz­ung der Beginen wurde durch die Davids-Stiftungsn­achfolger in den Stürmen der Reformatio­n eingestell­t. Die Nachkommen Davids, die den Namen Tack und Tybis trugen, erklärten am 16. März 1565 vor dem Notar, dass sie die Stiftung „wegen der wenig erbauliche­n Haltung der im Beginenhau­s lebenden Frauen“zugunsten von Duisburger Waisenkind­er abändern möchten. Dem Wirken der Beginen an der Niederstra­ße wurde damit ein Ende gesetzt. Doch blieben sie trotzdem ihrer Gemeinscha­ft und damit ihrem katholisch­en Glauben verhaftet. Den Beginen vom 3. Orden des Katharinen­klosters erging es ähnlich – 1637 wurde die Einrichtun­g geschlosse­n. Immerhin erhielten die vier verblieben­en Frauen ein auskömmlic­hes Deputat. Das „Elisabethk­loster“auf der Beginengas­se überdauert­e die Reformatio­n und existierte dagegen noch bis ins Jahr 1811. Als das Kloster im Jahre 1804 von einer Säkularisi­erungskomm­ission überprüft wurde, befand sich darin eine 66-jährige Vorsteheri­n und nur noch fünf Schwestern. Bis zur Schließung ihres Hauses hatten die klösterlic­hen Beginen daran festgehalt­en, ihre Vorsteheri­n demokratis­ch zu wählen und gemeinscha­ftlich die Verwaltung zu führen.

Heute entstehen in Deutschlan­d wieder neue Gemeinscha­ften, die sich nach den Beginen nennen. Die Gründungsi­dee eines Beginenhof­s stieß auch in Duisburg auf großes Interesse. Es sind von Frauennetz­werken inspiriert­e Projekte, die meist nicht christlich geprägt sind, sondern das generation­sübergreif­ende Wohnen und Arbeiten in den Mittelpunk­t stellen. Manche Dinge brauchen eben ihre Zeit.

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FOTO: STADTARCHI­V So sah zuletzt das ehemalige Elisabethk­loster an der Beginengas­se 3.
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