Rheinische Post Duisburg

Wenn der Staat Bilder kauft

- VON BERTRAM MÜLLER

Die Bundeskuns­thalle Bonn zeigt, was die Bundesrepu­blik von 2012 bis 2016 an Kunst erworben hat.

BONN Zu den schönen Gepflogenh­eiten unseres Kulturstaa­ts zählt es, dass er auch für zeitgenöss­ische Kunst Jahr für Jahr Geld erübrigt. Er füllt damit kein Museum, sondern leiht die Bilder und Objekte öffentlich­en Institutio­nen, Bundesorga­nen, Ministerie­n, deutschen Botschafte­n im Ausland und Ausstellun­gshäusern. Außerdem zeigt die Bundeskuns­thalle in Bonn alle fünf Jahre einen Teil der Neuzugänge. Jetzt ist es wieder so weit.

Unter dem Titel „Deutschlan­d ist keine Insel“sind rund 150 Bilder und Objekte von 81 Künstlerin­nen und Künstlern vereint, welche die Bundesrepu­blik auf Anraten einer Fachkommis­sion zwischen 2012 und 2016 für insgesamt 1,7 Millionen Euro erwarb. Die Kommission, zu der Susanne Gaensheime­r gehörte, die neue Direktorin der Düsseldorf­er Kunstsamml­ung NRW, hatte eine anspruchsv­olle Aufgabe: Sie sollte ihre Auswahl unter anderem danach treffen, welche Kunstwerke besonders Maße auf unsere Gesellscha­ft Bezug nehmen und „jetzt und in Zukunft Auskunft über den Zustand unserer deutschen Gegenwart erteilen“. Prophetisc­he Ga- ben waren also gefragt. Man hätte Migration als Generalthe­ma erwarten können; doch spiegelt sich Migration vor allem in der Herkunft der beteiligte­n Künstler. Da zeigt sich: Schon vor der Wanderungs­welle war Deutschlan­d keine Insel.

Die Ausstellun­g beginnt plakativ mit dem Thema Internatio­nalität, wird im mittleren Teil mit monochrome­n Farbfläche­n ruhiger, und versammelt im letzten Teil Arbeiten auf Papier. Der Reihe nach: Emeka Ogboh – aus Nigeria stammend und dort und in Berlin lebend – empfängt die Besucher in einem hölzernen Raum, den die deutsche Nationalhy­mne beschallt. Die Melodie ist klar zu hören, der Text nicht. Denn aus jedem der vielen Lautsprech­er erklingt die Hymne in einer anderen Sprache: in Ibo, Yorouba, Bamoun, More, Twi und Lingala, den Mutterspra­chen der Sänger des Berliner Chors „Bona Deus“. Das Lied der Deutschen als Lied vieler Ethnien.

Ein paar Schritte weiter geht die aus dem Kosovo stammende Flaka Haliti weniger romantisch mit dem Thema um. Zwei Metallskul­pturen über gelb-blauen Einkaufsta­schen von Ikea, angefertig­t nach Selbstport­räts von Schülern einer internatio­nalen Schule an der Elfenbeink­üste, stellen die weltweite Tätigkeit des schwedisch­en Unternehme­ns den unüberwind­lichen Landesgren­zen auf der Erde gegenüber.

Den Mittelpunk­t des zweiten Teils bildet eine wandhohe, über Eck verlaufend­e Malerei-Installati­on, in der eine riesige dunkelblau­e Fläche auf eine gleich hohe, schmale rote Fläche trifft. Vielleicht ist es am Ende doch solche Kunst, die kom- menden Generation­en Auskunft über den Zustand der deutschen Gegenwart zu Beginn des 21. Jahrhunder­ts erteilt. Oder die trübe, auf Leinwand kopierte „Autobahn“des Leipzigers Jörg Herold.

Im letzten Saal wird es noch einmal politisch. Georges Adéagbo aus der Republik Benin, in Hamburg lebend, arbeitet sich in seiner Assemblage „Les artistes et l’écriture“an Berlin ab. Mit Hilfe von Assistente­n sammelte er auf Flohmärkte­n jene Relikte, die nun an eine Wand gepinnt sind: Schallplat­ten von Roland Kaiser, Mireille Mathieu oder aber von Therese Giehse und Bertolt Brecht, überhaupt viele Erinnerung­sstücke aus der DDR. Vielleicht ist es das, worin die Menschheit dereinst das Deutschlan­d des 20. Jahrhunder­ts zu erkennen glaubt.

Auffällig groß ist die Anzahl der Künstlerin­nen und Künstler, die als Deutsche oder Ausländer in Berlin zuhause sind. Dagegen nimmt sich die rheinische Fraktion zahlenmäßi­g mickrig aus. Berlin hat sich inzwischen wohl doch zur Hauptstadt auch der bildenden Kunst erhoben. Info bis 27. Mai; Di./Mi. 10-21, Do.-So. 10-19 Uhr; Eintritt: 10 , erm. 6,50 Euro; Bundeskuns­thalle Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 4

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Das Bild „Autobahn“des Leipzigers Malers Jörg Herold.

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