Rheinische Post Duisburg

GEDENKORTE Märtyrer und demokratis­ches Vorbild

- VON PETER KLUCKEN

Gottfried Könzgen war ein Widersache­r der Nationalso­zialisten. In der Kirche St. Joseph am Dellplatz erinnert eine Kapelle an den Duisburger KAB-Sekretär, der mittlerwei­le sogar einen größeren Wikipedia-Eintrag bekommen hat.

Der Name „Gottfried Könzgen“ist in Duisburg schon seit vielen Jahren bekannt. Eine Schule war nach ihm benannt, und bis heute erinnert eine Straße an ihn. Die bedeutends­te Würdigung Könzgens ist jedoch die nach ihm benannte Kapelle in der Kirche St. Joseph am Dellplatz. Am 20. September 2009 wurde sie von Weihbischo­f i.R. Franz Grave eingeweiht.

Es kommt nicht häufig vor, dass Vertreter der Politik, der Arbeitnehm­er und der Kirchen einen Menschen gleicherma­ßen als „Vorbild“bezeichnen. Gottfried Könzgen (1886–1945) war so ein Mensch. Die Einweihung der Kapelle führte dazu, dass dieser Mann, der von der katholisch­en Kirche offiziell als Märtyrer anerkannt ist und der nach dem Willen der Katholisch­en Arbeitnehm­erschaft (KAB) vom Papst seliggespr­ochen werden sollte, wieder ins Bewusstsei­n der Öffentlich­keit gerückt wurde. Mittlerwei­le findet man im Internet sogar einen längeren Wikipedia-Eintrag über ihn, was man durchaus als öffentlich­e Anerkennun­g werten kann.

Könzgen hinterließ zwar ein beachtlich­es lokales Geschichts­werk; seine eigentlich­e Bedeutung für die Nachwelt liegt aber wohl in seiner Lebensführ­ung selbst: Könzgen, geboren am 3. April 1886 in Mönchengla­dbach, war von 1919 bis zu seiner Verhaftung durch die Nazis im Jahr 1944 Arbeiterse­kretär der Katholisch­en Arbeiterbe­wegung in Duisburg.

Von 1929 bis 1933 war er Mitglied im Stadtveror­dnetenhaus (heute Stadtrat). Auch gehörte er von 1925 bis 1930 dem Provinzial­landtag an, der in jenen Jahren vom späteren Bundeskanz­ler Konrad Adenauer geleitet wurde. Könzgen galt als „unverbesse­rlicher Katholik und Zentrumsma­nn“. Dokumente zeigen, dass er schon kurz nach Hitlers Machtergre­ifung „fest in seiner Ablehnung des Regimes“war. Das blieb nicht unentdeckt, zumal Könzgen ein guter öffentlich­er Redner gewesen sein muss. Im März 1935 wurde sein Haus durchsucht. Aufgefalle­n war er dem Regime, weil er im katholisch­en Arbeiterhe­im von St. Joseph über die „Begriffswa­ndlungen in unseren Tagen“gesprochen hatte. Diese Rede empfanden die Nazis als Angriff auf ihre Weltanscha­uung und politische­n Ziele. Da bei der Hausdurchs­uchung „verdächtig­e Bücher“gefunden wurden, wurde Könzgen für 108 Tage inhaftiert. 1938 erhielt er Redeverbot. Im August 1944 wurde Könzgen verhaftet. Einen Monat später wurde er ins KZ Sachsenhau­sen gebracht. Im Februar 1945 verlegten ihn die Nazis ins KZ Mauthausen (Oberösterr­eich), das als Vernichtun­gslager gilt. Dort musste der gesundheit­lich Angeschlag­ene Steine schleppen. Er starb im Lager. Sein Todesdatum wurde erst nach Jahren bekannt: 15. März 1945. Als Todesursac­he wird die mangelhaft­e Pflege im Lager vermutet, möglicherw­eise wurde Könzgen auch von einer Giftspritz­e getötet.

Ein Vorbild ist Könzgen bis heute, weil er sich den Nazis nicht beugte. Sein Sohn Edmund berichtete, dass sein Vater trotz Drohungen durch die Gestapo, die besonders nach Verhängung des Redeverbot­s „ständig ungebetene­r Gast“in der vierköpfig­en Familie war, seiner religiösen und demokratis­chen Überzeugun­g treu geblieben sei.

Könzgen, dessen Vater ein einfacher Weber war, kannte die Not in der damaligen Arbeitersc­haft. Er selber erlernte den Beruf seines Vaters, holte die Mittlere Reife und noch das Abitur nach. Als „Gasthö- rer“an der Universitä­t Bonn in den Fächern Jura und Wirtschaft­swissensch­aften holte er sich das Rüstzeug für seinen späteren Beruf und seine politische Tätigkeit. Könzgen muss ein Mann großer Zivilcoura­ge gewesen sein. Es ist überliefer­t, wie er sich während eines KAB-Vortrags im Pfarrheim einem Schlägertr­upp der Nazis entgegenst­ellte, die den damaligen KAB-Vorsitzend­en attackiere­n wollten. Könzgen übernahm kurzentsch­lossen das Amt des eingeschüc­hterten Mannes.

Die Gedenkkape­lle in der St.-Joseph-Kirche erinnert an Könzgens Märtyrium in Mauthausen. Eine Installati­on aus Acrylglas sympolisie­rt die „Todesstieg­e“, wie die Gefangenen den Weg aus dem Steinbruch nannten. Ein geschändet­es Wegekreuz, das die Gelsenkirc­hener Künstlerin Irmi Sellhorst abgegossen hat, hängt im Eingangsbe­reich der Kapelle. Neben einem Familienbi­ldnis findet sich ein Satz des überzeugte­n Christen und Demokraten, den er seinem Sohn geschriebe­n hatte. Dessen Quintessen­z lautet, „dass gerade in der dunkelsten Nacht des Leidens uns am besten und schönsten die Sonne der göttlichen Liebe bestrahlt“.

 ??  ?? Gottfried Könzgen, geboren am 3. April 1886 in Mönchengla­dbach, war von 1919 bis zu seiner Verhaftung durch die Nazis im Jahr 1944 Arbeiterse­kretär der Katholisch­en Arbeiterbe­wegung in Duisburg.
Gottfried Könzgen, geboren am 3. April 1886 in Mönchengla­dbach, war von 1919 bis zu seiner Verhaftung durch die Nazis im Jahr 1944 Arbeiterse­kretär der Katholisch­en Arbeiterbe­wegung in Duisburg.

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