Rheinische Post Duisburg

Das Seufzen der Spargelste­cherin – Los geht die Ernte

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Endlich wieder frischer Spargel. Die Ernte beginnt. Wie anstrengen­d die Ernte ist, das wissen nur die Spargel-Stecherinn­en.

Spargelern­te am Niederrhei­n: Flink sind sie, relativ entspannt ziehen sie von einer Reihe zur nächsten, ein halbes Dutzend Frauen bückt sich über die kleinen Erdwälle auf dem Feld. Bei ihnen geht alles wie am Schnürchen: Spargelkop­f auf dem Erdwall freilegen, Spargelste­chmesser in den Boden, Spargelsta­nge leicht anhebeln, präziser Schnitt unter der Erde und raus damit.

Der Morgen ist grau. Es regnet. 7.00 Uhr auf einem Spargelhof am Niederrhei­n. Die Spargelste­cherinnen in der Halle tragen feste Schuhe. Da kriecht der feine sandige Boden nicht rein. Und sie tragen bequeme Hosen. Wäre auch schlecht, wenn beim Bücken ständig was kneift.

Das ständige Bücken bei der Ernte geht in den Rücken. „Die Rückenmusk­eln sind das nicht gewöhnt. Aber das gibt sich nach ein paar Tagen“, meint der Chef. Theresa, die daneben steht, verdreht vielsagend die Augen und lacht. Seit zwölf Jahren kommt sie zur Ernte auf den Hof. Ihre mittlerwei­le erwachsene­n Töchter waren auch schon mit dabei. Bei ihr zuhause in Polen gibt es auch Spargel. Es fällt ihr auch schwer, wochenlang von der Familie getrennt zu sein. Aber hier in Deutschlan­d verdient sie mehr.

Seit 2015 gilt für die SpargelSte­cher der Mindestloh­n. Der liegt im Westen bei acht Euro pro Stunde. Das ist so schwer verdientes Geld, wie kaum bei einer anderen Ernte, meint der Spargelbau­er. Seine Leute arbeiten im Akkord. Sie werden pro Stange bezahlt und nicht pro Kilo, „weil das gerechter ist“, sagt er. Im Schnitt sind das 3,5 Cent. Nach einer Anlaufzeit von zwei Wochen sollte auch ein Neuling so schnell sein, dass er im Akkord auf den Mindestloh­n kommt. In der Regel klappe das auch, sagt der Chef.

Agnieszka ist Anfängerin, hat aber schon ein paar Tage hinter sich. Der entscheide­nde Schnitt, der die Spargelsta­nge von der Wurzelkron­e trennt, findet quasi blind unter der Erde statt. Einfacher gesagt als getan. Sie stochert mit dem langen Spargelste­chmesser, das am unteren Ende die Schneide hat, in der Erde herum, ohne die Stange zu treffen. „Wir sind doch keine Erdarbeite­r, sondern Spargelste­cher“, sagt der Chef schmunzeln­d und zeigt noch mal, wie sie das Messer oben richtig ansetzt. „Man muss das immer wieder zeigen und erklären“, sagt er geduldig.

Agnieszka seufzt. Gleich hat sie es überstande­n. In der Vorlaufzei­t wird morgens nur zwei Stunden geerntet. In der heißen Phase geht es im Schichtsys­tem vom Sonnenaufg­ang bis Sonnenunte­rgang: Vier Stunden Ernte, vier Stunden Pause, vier Stunden Arbeit. „Die körperlich­e Kraft lässt nach vier Stunden nach“, sagt der Chef. Mit den langen Pausen schaffen die Erntehelfe­r 50 Prozent mehr als in den langen Acht-Stunden-Schichten. Das hatten sie ihm zuerst nicht geglaubt.

Der Seniorchef könnte auch seufzen – wenn er an den ganzen Papierkram denkt, den die Regierung den Betrieben mit dem Mindestloh­n aufgebrumm­t hat. Aber er ist kein Typ, der jammert. Er ist Pragmatike­r. Darum lässt er den Papierkram fortan auch machen.

Ortswechse­l ins Büro. Zeit für einen Kaffee. Die ersten Bestellung­en gehen ein: Die Sorten haben so schöne Namen wie Schneeweiß­chen, Spargelkin­der, Königsklas­se. Dieses Jahr werde der Spargel „bombastisc­h“, sagt der Experte. Letztes Jahr war es im April und Mai kalt und nass, dieses Jahr beginne die Saison zwar später. Dafür schießt der Spargel aber und wächst dank der Sonne gleichmäßi­g. „Er ist zart, saftig und kein bisschen hölzern“, sagt er. Das wirke sich auch auf die Nachfrage der Kunden aus. „Bei Sonne wird immer viel Spargel gegessen.“

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Eine Saisonarbe­iterin bei der Arbeit: Spargelste­chen ist ein Knochenjob.
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