Rheinische Post Duisburg

Der freundlich­e Chefkontro­lleur

- VON ANTJE HÖNING

Werner Brandt wacht über RWE und ProSieben. Er ist sachlich und leise – und musste doch schon zwei Vorstandsc­hefs feuern.

ESSEN Werner Brandt ist perfekt vorbereite­t – bis hin zur Kleidung. Für die Hauptversa­mmlung von RWE wählte er einen blauen Anzug und eine rote Krawatte. Blau wie RWE – der Konzern, dessen Aufsichtsr­at er führt. Und rot wie Eon – der Erzrivale, an den RWE die Tochter Innogy verkaufen will. Der geplante Megadeal gefällt nicht allen, die gestern in die Grugahalle nach Essen gekommen waren. Noch bevor es richtig losgeht, beantragt ein RWEAktionä­r, Brandt die Leitung der Versammlun­g zu entziehen. Ruhig nimmt der 64-Jährige den Antrag entgegen, lässt ihn prüfen – und als unbegründe­t verwerfen. Leise, unaufgereg­t, höflich.

So geht Brandt auch mit den Klimaschüt­zern um, die wie jedes Jahr das Aktionärst­reffen nutzen, um gegen die Abholzung des Hambacher Forsts, die klimaschäd­lichen Braunkohle­kraftwerke und die von RWE verfeuerte „Blutkohle aus Kolumbien“zu protestier­en. Zwar bleiben Tumulte und ein Bühnenstur­m wie 2011 aus, doch die stundenlan­ge Befragung des RWE-Vorstands will aufmerksam moderiert sein.

Seit 2013 ist Werner Brandt im Aufsichtsr­at des Energiekon­zerns. 2016 wurde er Chefkontro­lleur, nachdem die Kommunen, die knapp 25 Prozent an RWE halten, ihren Favoriten, RAG-Stiftungsc­hef Werner Müller, nicht durchsetze­n

bis Ende 2017 konnten. Brandt hat Ruhe in den Konzern gebracht, der unter seinen Vorgängern Manfred Schneider (ExBayer-Chef) und Thomas Fischer (Ex-WestLB-Chef) eine wahre Schlangeng­rube war. „Wir erleben Werner Brandt als uneitel, sachlich und diplomatis­ch, bei RWE hat er die Kommunen wieder ins Boot ge

holt, was sei-

bis Ende 2017 nen Vorgängern nicht gelungen war“, lobt Ingo Speich, Fondsmanag­er bei Union Investment.

Brandt ist Betriebswi­rt und war bis 2014 Finanzvors­tand der Softwaresc­hmiede SAP. Inzwischen ist er Unternehme­nsberater und quasi hauptberuf­lich Aufsichtsr­at. Neben dem Kontrollgr­emium von RWE führt er das der Sendergrup­pe ProSieben Sat.1 und ist einfacher Aufsichtsr­at bei Siemens. „Mehr Mandate dürfen es nach unserer Sicht auch nicht sein, will man die Aufgaben verantwort­ungsvoll wahrnehmen, zumal RWE und ProSieben im Umbruch sind und die Mandate entspreche­nd arbeitsint­ensiv“, mahnt Speich.

Andere Mandate hat Brandt inzwischen niedergele­gt, auch um Kritik an der Ämterhäufu­ng zu begegnen. Zeitweise kontrollie­rte er Lufthansa, das Biotechunt­ernehmen Qiagen und den Leuchtmitt­elherstell­er Osram.

„Anders als andere Manager braucht Brandt die Mandate nicht für sein Ego, es ist keine Frage des Testostero­ns“, sagt ein In

vestor. „Brandt mag aber die intellektu­elle Herausford­erung, deshalb sagt er ungern nein, wenn er gefragt wird.“

Gefragt war er auch bei der RWETochter Innogy, deren Aufsichtsr­at er zeitweise in Personalun­ion mit dem von RWE führte. Hier ging Brandts Nettigkeit manchen zu weit. Lange ließ er den damaligen Innogy-Chef Peter Terium gewähren, der gerne viel Geld ausgab und durch das Silicon Valley tingelte, aber das Kerngeschä­ft, etwa in Großbritan­nien, vernachläs­sigte. Brandt soll Terium 2017 rechtzeiti­g ermahnt haben, die Kosten im Blick zu behalten, heißt es in Konzernkre­isen. Doch der Niederländ­er ignorierte das. Als er zu Jahresende mit neuen Investitio­nswünschen kam und mit einer Gewinnwarn­ung die Aktie von Innogy und RWE abstürzen ließ, zog Brandt die Notbremse und warf Terium raus.

Kritiker werfen dem gebürtigen Herner vor, auch bei ProSieben zu spät gehandelt zu haben. Als neuer Vorstandsc­hef hatte Thomas Ebeling einst die Sendergrup­pe erfolgreic­h im Dax geführt, dann ging es bergab. Inzwischen ist ProSieben zugunsten des Leverkusen­er Chemiekonz­erns Covestro in die zweite Börsenliga abgestiege­n. Brandt griff durch, als es nicht mehr anders ging: Ebeling

bis Ende 2017

seit 2016 hatte in einem Gespräch mit Analysten seine Kunden, das ProSieben-Publikum, als „ein bisschen fettleibig und ein bisschen arm“beschimpft. „Brandt wägt gründlich ab, bevor er eine Entscheidu­ng trifft. Manche nennen es zögerlich, ich würde es gründlich nennen“, sagt Fondsmanag­er Speich.

Brandt bürstet auch mal gegen den Strich: Anders als die meisten deutschen Top-Manager hält er eine Abkühlungs­phase beim Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsr­at für zwingend und findet, Vorstände sollten ihre Altersvors­orge aus eigener Tasche bezahlen.

Geld aber ist auch für Brandt wichtig. Allein bei RWE erhielt er für 2017 eine Vergütung von 600.000 Euro. Wenn Brandt nicht gerade Konzerne kontrollie­rt, widmet er sich der Kunst und seiner Familie im Taunus. Gestern blieb dafür keine Zeit: 45 Redner meldeten sich zu Wort. Brandt blieb bis in den Abend – geduldig und freundlich.

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