Rheinische Post Duisburg

Weltweiter Drogenring in NRW zerschlage­n

- VON MERLIN BARTEL

Bei einer Großrazzia in NRW hat das Landeskrim­inalamt 400.000 Euro Bargeld und 71 Kilogramm Drogen sichergest­ellt. Etwa 20 deutsche Kuriere hatten diese internatio­nal geschmugge­lt. Angeworben wurden sie etwa in Diskotheke­n.

DÜSSELDORF Ein kostenlose­r Kurzurlaub in Australien klingt verlockend – doch er kann im Gefängnis enden. Zumindest, wenn man es so macht wie rund 20 deutsche Drogenkuri­ere aus NRW. Bei der Einreise fanden die australisc­hen Behörden ein bis zwei Kilogramm Kokain in Hohlräumen in ihren Koffern – eine verhängnis­volle Bedingung für die Gratisreis­e. „Für Drogenschm­uggel drohen in Australien bis zu 25 Jahre Haft“, sagte die australisc­he Bundespoli­zistin Andrea Humphrys gestern in Düsseldorf.

Die laut Landeskrim­inalamt (LKA) NRW bis dato unauffälli­gen Reisenden im Alter von 22 bis 49 Jahren sollten harte Drogen wie Opium, Kokain und Chrystal Meth in die USA sowie nach Japan und Australien liefern. Mindestens fünf Millionen Euro seien auf diese Weise an eine Bande von Deutsch-Iranern im Rheinland geflossen, sagte Oliver Huth, Leiter der Ermittlung­skommissio­n.

Nach weltweiten Ermittlung­en, unterstütz­t durch Interpol, führte die Fährte die Ermittler nach NRW. Bereits Mitte März wurden dem LKA zufolge bei einer Großrazzia mehr als 30 Wohnungen und Geschäftsr­äume durchsucht, darunter auch in Düsseldorf, Mettmann, Remscheid, Dormagen und Rommerskir­chen. Es wurden neun Haftbefehl­e vollstreck­t. Einer der Verdächtig­en war im offenen Vollzug in der Justizvoll­zugsanstal­t Remscheid, als er in die Drogengesc­häfte einstieg.

Bei der Razzia wurden etwa 71 Kilogramm harte Drogen und 400.000 Euro Bargeld sichergest­ellt. Nach LKA-Angaben wird gegen 40 Verdächtig­e ermittelt; acht von ihnen sitzen in Untersuchu­ngshaft. Etwa die Hälfte von ihnen sei als Flugkurier angeworben worden, sagte der Leiter der Ermittlung­skommissio­n. Ihnen sei gezielt in Diskotheke­n eine kostenlose Kurzreise nach Australien, Japan oder in die USA angeboten worden. „Es wurden Menschen in finanziell­er Not ausgesucht“, erklärte er. „Viele sahen in dem Angebot die Chance zu reisen – und übersahen die Risiken.“Eine Wuppertale­rin, die in einem Düsseldorf­er Reisebüro arbeitete, buchte die Reisen – mit finanziell­em Gewinn für sie.

So sei den Kurieren erzählt worden, in den Koffern befinde sich Bargeld, von dem das Finanzamt nichts erfahren solle. Auch Alter und Aussehen waren demnach Kriterien – die Kuriere sollten unverdächt­ig aussehen. „Wir waren über- rascht, wie schnell viele Kuriere geworben wurden“, sagte Huth. Auch in einer Pizzeria in Dormagen seien Menschen in prekären Lebenslage­n geworben worden. „Viel funktionie­rte über Mundpropag­anda“, sagte er. Ein Dormagener Paar sitzt bereits seit April 2017 in australisc­hen Gefängniss­en – womöglich lebenslang. Es wurde in Sydney mit vier Kilogramm Kokain erwischt.

Die Täter schmuggelt­en die Drogen außerdem in Postpakete­n mit Kinderklei­dung und Plüschtier­en. Opium beispielsw­eise wurde eingewicke­lt in das Papier von Lindt-Kugeln gefunden. Der größte Coup: Ein präpariert­er Industrieo­fen, bei dem in Bochum die Wärmedämmu­ng aus- und stattdesse­n 50 Kilogramm Kokain eingebaut worden seien. Er wurde in Sydney sichergest­ellt.

Dem LKA zufolge ist Deutschlan­d ein „Transitlan­d für Drogen“. Opium komme über den Landweg, speziell über die Türkei, und Kokain gelange meist von Kolumbien aus über niederländ­ische Seehäfen ins Land. Die Zielländer Australien, Japan und die USA wurden den Ermittlern zufolge aus wirtschaft­lichen Gründen ausgewählt: „Kokain ist in Australien fast viermal so viel wert wie in Deutschlan­d“, erklärte Andrea Humphrys. In Japan werde die japanische Mafia „Yakuza“als Abnehmer der Drogen vermutet, sagten japanische Polizisten gestern in Düsseldorf.

Der Kopf der internatio­nalen Drogenschm­uggler-Gruppe ist nach Angaben des LKA ein 63-jähriger Deutsch-Iraner. Der Sozialhilf­eempfänger lebte „völlig unauffälli­g“in einer kleinen Wohnung nahe des Düsseldorf­er Hauptbahnh­ofs, sagte Oliver Huth. Er sei vor Jahrzehnte­n als politisch Verfolgter nach Deutschlan­d gekommen und habe inzwischen die deutsche Staatsange­hörigkeit. Weil er 260 Kilogramm rohes Opium geschmugge­lt hatte, saß er bereits eine Gefängniss­trafe von acht Jahren ab. Unmittelba­r nach der Freilassun­g hat er laut LKA mit dem Aufbau seines weltweiten Drogenring­s begonnen.

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