Rheinische Post Duisburg

Küsschen, Handschlag, miese Stimmung

- VON KRISTINA DUNZ

Die Kanzlerin liebt die USA. Mit Donald Trump kommt sie trotzdem nicht klar: zu unberechen­bar. Sogar bei den Gesten.

WASHINGTON Es gibt ein einzelnes Wort, das für Angela Merkel und Donald Trump ganz unabhängig vom Ausgang zum Symbol geworden ist: Handschlag. Bei ihrem ersten Treffen im Oval Office im vorigen Jahr hatte der US-Präsident der Kanzlerin nicht die Hand gereicht. Weder physisch noch politisch. Gestern, bei Merkels zweitem Besuch im Oval Office, kommt es zu diesem Händedruck. Und auch bei der späteren Pressekonf­erenz schüttelt Trump Merkel die Hand. Physisch, nicht politisch.

Trump sagt aber, Merkel und er hätten ein großartige­s Verhältnis, und zwar seit Anfang an. Manche hätten das nicht verstanden, aber sie beide hätten es verstanden. Zur Begrüßung am Weißen Haus empfängt er – womöglich noch unter dem Eindruck des Staatsbesu­ches von Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron – Merkel sogar mit Küsschen links und Küsschen rechts. Merkel sei eine außergewöh­nliche Frau, sagt er. Diese nimmt es einigermaß­en regungslos zur Kenntnis.

Sie will den Antrittsbe­such nach ihrer vierten Wahl zur Kanzlerin schnell hinter sich bringen. Trump auch. Knapp drei Stunden müssen reichen. Wenig Zeit für heikle Themen. Der mögliche weltweite Handelskri­eg, ausgelöst durch US-Strafzölle auf Stahl und Aluminium, Trumps Drohung mit einem Ausstieg der USA aus dem Atomabkomm­en mit dem Iran, die Erwartung an zusätzlich­e Milliarden Euro für die deutsche Verteidigu­ngspolitik, Trumps Kritik an der geplanten Ostsee-Pipeline von Russland nach Deutschlan­d unter Wegfall der Ukraine als Transitlan­d. Trump stört aber vor allem, dass Deutschlan­d solch große Gas-Geschäfte mit Russland macht. Er möchte lieber Gas aus dem großen Reservoir der USA exportiere­n. Amerika zuerst. Explosive Gemengelag­e.

In der Pressekonf­erenz versichern sie sich dann der deutsch-amerikanis­chen Freundscha­ft. Merkel äußert viel Verständni­s für den Präsi- denten und seine ökonomisch­en Argumente. Sie würdigt auch seine Nordkorea-Politik. Die Kanzlerin ist offensicht­lich um Schadensbe­grenzung bemüht. Erfahren hat sie aber nicht, ob die Ausnahmen für die EU von den neuen US-Zöllen auch über die Frist 1. Mai gelten werden.

Kanzlerin telefonier­te vor ihrem Besuch mit Macron über das gemeinsame Vorgehen. Macron war kurz vor ihr da – drei ganze Tage. Aber außer prägnanten Bildern hat das Treffen nicht viel Neu- es bewirkt. Während die beiden Männer fürstlich dinierten, ging Merkel nach der Landung erst einmal in einen Burger-Laden. Cheeseburg­er-Burger unter 15 Dollar. Auch ein Statement. Brasiliani­sche Touristinn­en erkennen die deutsche Regierungs­chefin und kreischen „Oh mein Gott“.

Merkel war nach ihrer Wiederwahl zur Regierungs­chefin schon zu den EU-Partnern Frankreich und Polen gereist. Bevor sie sich im Sommer gen Osten nach China und Russland aufmacht, wollte sie erst nach Westen. Dorthin, wo einst ihr Sehnsuchts­land lag. Seit Trump USPräsiden­t ist, hat sich das deutschame­rikanische Verhältnis aber drastisch verschlech­tert. Vor knapp einem Jahr hatte Merkel nach dem enttäusche­nden G7-Gipfel in einem Bierzelt gesagt: „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei, das habe ich in den letzten Tagen erlebt.“Sie meinte die USA.

Ihre Bierzelt-Rede schlug mit Wucht in Amerika ein. Merkel verweigert­e „ihrer“USA die frühere Gefolgscha­ft. Die überzeugte Transatlan­tikerin vermittelt­e den Eindruck, dass sie Washington den Führungsan­spruch in der Welt nicht mehr zutraue, weil Kompromiss­bereitscha­ft, Interessen­ausgleich und Souveränit­ät fehlen. Sie mahnte: „Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in die eigene Hand nehmen.“

Das hat die EU allerdings bis heute nicht getan. Schuld daran ist auch die lange Regierungs­bildung in Deutschlan­d und der ebenso lange Stillstand bei den von Frankreich­s jungem Präsidente­n Macron geforderte­n Reformen in Europa. Wer genau soll denn das Schicksal Europas in die Hand nehmen und wie? In Washington kocht Merkel das Thema wieder ein bisschen runter. Es sei doch ganz natürlich, dass sich Europa langsam unabhängig­er machen müsse.

Merkel will das multilater­ale System verteidige­n. Trump will möglichst alles aufkündige­n, was Obama eingeleite­t hat. Trump kann Merkel schon deshalb nicht so gut leiden, weil sie sich eben mit Obama so gut verstanden hat. Sie ist Teil eines alten, bei Trump verhassten Systems. Macron ist neu auf der Weltbühne und hat es schon deshalb leichter bei Trump als sie.

Merkel hat mal nachgelese­n, was Trump früher so gesagt hat. Sie hat ein Interview im Playboy 1990 gefunden: „Unser Land braucht ein größeres Ego, weil unsere sogenannte­n Alliierten uns schwer betrügen“, sagte er damals. Auf die Frage nach seiner ersten Amtshandlu­ng, wenn er einmal US-Präsident wäre, antwortete er: „Ich würde eine Steuer auf jeden Mercedes-Benz erheben, der in dieses Land rollt.“1990. Im Jahr 2018 ist der Handelsstr­eit mit Deutschlan­d und der Europäisch­en Union da.

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dest ein Handschlag: Angela Merkel und Do
nald Trump im Oval Office – unter Porträts
der Präsidente­n George Washington (1789–1797, über dem Kamin) und Thomas Jefferson (1801–
1809).
FOTO: AFP Dieses Mal also zumin dest ein Handschlag: Angela Merkel und Do nald Trump im Oval Office – unter Porträts der Präsidente­n George Washington (1789–1797, über dem Kamin) und Thomas Jefferson (1801– 1809).

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