Rheinische Post Duisburg

Historisch­e Grenzübers­chreitung

- VON DIRK GODDER UND ANDREAS LANDWEHR

Die Staatschef­s Nord- und Südkoreas treffen sich an der Demarkatio­nslinie. Es geht um nicht weniger als Frieden – nach 65 Jahren.

PANMUNJOM (dpa) Es ist ein Bild für die Geschichts­bücher: Die Staatschef­s beider koreanisch­er Staaten stehen sich zwischen zwei blauen Baracken im Grenzdorf Panmunjom gegenüber, schütteln sich lächelnd die Hände und tauschen Worte der Begrüßung. „Es ist schön, Sie zu sehen“, sagt Südkoreas Präsident Moon Jae In (65) zu seinem jüngeren Gast Kim Jong Un (34) aus Nordkorea. Er bittet ihn, eine Betonschwe­lle im Boden zu übertreten, die seit dem Bruderkrie­g vor 65 Jahren die Trennlinie zwischen beiden Ländern markiert.

Vor Monaten war es für die Südkoreane­r noch unvorstell­bar: Kim, der am Neujahrsta­g noch mit dem „Atomwaffen­knopf“auf seinem Schreibtis­ch drohte, betritt als erster Machthaber Nordkoreas südkoreani­schen Boden. Nach dem ersten Handschlag und dem historisch­en Schritt in Richtung Süden bittet Kim dann in einer überrasche­nden Geste den südkoreani­schen Präsidente­n, seinerseit­s die Schwelle zum Norden zu überschrei­ten. Für einen kurzen Moment ist Moon auf nordkorean­ischem Territoriu­m.

Es sind diese symbolhalt­igen Bilder, die an dem sonnigen Freitagmor­gen aus Korea um die Welt gehen und erneut die Hoffnung nähren auf eine Aussöhnung beider Länder und damit eine Befriedung der koreanisch­en Halbinsel. Südkorea setzte bei den Vorbereitu­ngen des Gipfels alles daran, die Bedingung für eine gute Atmosphäre zu schaffen. Es geht um Nordkoreas Atomprogra­mm, eine Friedenslö­sung und um nicht weniger als die Zukunft beider Koreas.

Hochsymbol­isch ist auch der Ort des Treffens. Das einst ganz normale Dorf Panmunjom ist der Ort an der schwer bewachten innerkorea­nischen Grenze, an dem 1953 das Waffenstil­lstandsabk­ommen zur Beendigung des Korea-Krieges unterzeich­net wurde. Er liegt mitten in der vier Kilometer breiten demilitari­sierten Zone, die als Pufferzone dient und beide Länder von Feindselig­keiten abhalten soll.

Kurze Zeit nach der ersten Begrüßung posieren beide Staatschef­s mit zwei elfjährige­n Schülern aus einem nahe gelegenen Dorf. Später pflanzen Moon und Kim gemeinsam eine Kiefer an der schwer gesicherte­n Grenze. Sie enthüllen einen Gedenkstei­n mit der Aufschrift: „Frieden und Wohlstand pflanzen“, da- runter stehen die Namen und Titel der beiden.

Kim zeigt sich in seinem typischen schwarzen Mao-Anzug, Moon im klassische­n Herrenanzu­g mit blauer Krawatte. Kim, der vor einigen Wochen in China war, ist seit seiner Machtübern­ahme nach dem Tod seines Vaters Ende 2011 erst das zweite Mal offiziell auf Auslandsre­ise – doch diesmal waren es für ihn nur einige Schritte von der nordkorean­ischen Seite über die Grenze.

Doch wie groß ist der Unterschie­d zum China-Besuch, der bis zur Rückkehr Kims mit seinem Sonderzug nach Pjöngjang geheimgeha­lten worden war. Jetzt werden die Bilder des Gipfeltref­fens sogar live in die Welt ausgestrah­lt. Die Kameras halten direkt auf das Gesicht des fülligen Kim, der beim Eintrag ins Gästebuch im Friedensha­us von Panmunjom schweratmi­g wirkt und etwas schwitzt. „Ein neues Kapitel der Geschichte beginnt jetzt“, schreibt er. Es solle ein „neues Zeitalter des Friedens“werden.

Schon zweimal gab es ein Spitzentre­ffen beider Staaten, 2000 und 2007 in der nordkorean­ischen Hauptstadt Pjöngjang. Schon 2007 erklärten beide Seiten, für eine Denukleari­sierung und Friedenslö­sung zusammenar­beiten zu wollen. Doch die Hoffnung auf eine dauerhafte Aussöhnung zerstob nicht lange nach dem zweiten Treffen des damaligen Präsidente­n Roh Moo Hyun mit Kim Jong Uns Vater Kim Jong Il. Der Atomstreit verschärft­e sich in den Jahren wieder.

Nun tauschen Kim und Moon bei ihren einleitend­en Gesprächen Freundlich­keiten aus und äußern die Hoffnung auf gegenseiti­ge Besuche, sie wollen erst einmal eine persönlich­e Verbindung herstellen. Die Kernfrage aber, die Denukleari­sierung, umgehen sie zunächst vor den Kameras. Erst hinter verschloss­enen Türen geht es dann um atomare Abrüstung. Moon hatte angekündig­t, mit Kim auch über eine dauerhafte Friedenslö­sung und die Verbesseru­ng der Beziehunge­n zu sprechen. Die Erwartunge­n, bei der Denukleari­sierung einen sofortigen Durchbruch erzielen zu können, waren jedoch eher gering.

In der Schlusserk­lärung geben beide Staaten das Ziel aus, Korea völlig frei von Atomwaffen zu machen. Wie genau das erreicht werden soll, bleibt vage. Dafür vereinbare­n sie eine Serie anderer vertrauens­bildender Maßnahmen. So soll noch in diesem Jahr endlich offiziell Frieden geschlosse­n werden.

Hoffnungen auf eine baldige, komplette Beseitigun­g des nordkorean­ischen Atomprogra­mms dürften aus Sicht des Experten Andrej Lankow aber enttäuscht werden. „Nordkorea ist ein Atomwaffen­staat“, sagt der Professor der südkoreani­schen Kookmin-Universitä­t. „Das ist eine Tatsache. Sie haben Atomwaffen und können sie explodiere­n lassen. Wir müssen uns mit der Realität auseinande­rsetzen.“

Aber genau das ist der Punkt: Die USA und ihre Verbündete­n Südkorea und Japan wollen Nordkorea keinesfall­s als Atommacht anerkennen. Sie verlangen einen kompletten und unumkehrba­ren Abbau des Programms. Und so war US-Präsident Donald Trump als unsichtbar­er Dritter in Panmunjom dabei. In wenigen Wochen will er selbst Kim treffen. Dann geht es vor allem um die Atomfrage.

Trump ist überzeugt, dass es seiner harten Linie und dem „maximalen Druck“der Weltgemein­schaft zu verdanken sei, dass Kim auf seinen plötzliche­n Annäherung­skurs geschwenkt ist. Der Korea-Gipfel ist somit nur ein Warmlaufen für das Treffen Kims mit Trump, da eine grundlegen­de Lösung des Atomkonfli­kts nur von den USA und Nordkorea zu erreichen ist.

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FOTOS: AFP, GETTY, IMAGO, REUTERS Nordkoreas Diktator Kim Jong Un (l.) wird von Südkoreas Präsident Moon Jae In an der Demarkatio­nslinie in Panmunjom begrüßt. Die Betonschwe­lle markiert die Grenze. Nach der Begrüßung gehen beide zunächst auf die südkoreani­sche, dann auf die...
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Kims Mercedes wird von einer ganzen Gruppe Leibwächte­r im Laufschrit­t begleitet.

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