SPD will Lammert für Kohle-Kommission
Der CDU-Politiker soll die Konsensfindung für den Kohleausstieg moderieren. Die CDU will dem Gremium mehr Zeit geben.
DÜSSELDORF/BERLIN In der großen Koalition bahnt sich ein Streit über den Zeitplan der Kohle-Kommission an, die einen gesellschaftlichen Konsens über den Ausstieg aus der Kohleverstromung finden soll. Nach dem Willen der Union soll die Expertenkommission ihre Ergebnisse nicht wie bisher vorgesehen Ende 2018, sondern erst später im Frühjahr 2019 vorlegen. Die im Koalitionsvertrag festgelegte Frist sei zu ambitioniert und könne daher nicht eingehalten werden, hieß es in Unionskreisen. Die SPD will dagegen am bisherigen Zeitplan festhalten.
Der Wunsch nach Fristverlängerung ist auch darin begründet, dass schon die Besetzung der Kommission mehr Zeit beansprucht als erwartet. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) berät seit Wochen mit dem Koalitionspartner SPD und den Ländern über die Zusammensetzung. Bis Mitte Mai soll sie nun feststehen. Ende des Monats solle die Kommission dann ihre Arbeit aufnehmen, hieß es in Unionskreisen. „Zu viele Mitglieder darf die Kommission auch nicht haben, sonst wird eine Einigung schwierig“, sagte Altmaier. Die Rede ist von maximal 20 Mitgliedern. Zudem soll es einen weiteren Steuerungskreis geben, in dem Vertreter von acht Bundesministerien sitzen.
Aufgabe der Kommission wird sein, den Ausstieg aus der Kohleverstromung in den kommenden Jahren einvernehmlich zu regeln, damit die ambitionierten deutschen Klimaschutzziele erfüllt werden können. „Wir werden eine Kommission ,Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung´ unter Einbeziehung der unterschiedlichen Akteure aus Politik, Wirtschaft, Umweltverbänden, Gewerkschaften sowie betroffenen Ländern und Regionen einsetzen“, heißt es im Koalitionsvertrag. Das Gremium soll demnach „einen Plan zur schrittweisen Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung, einschließlich eines Abschlussdatums und der notwendigen rechtli- chen, wirtschaftlichen, sozialen und strukturpolitischen Begleitmaßnahmen“erarbeiten. Außerdem soll sich das Gremium um „die finanzielle Absicherung für den notwendigen Strukturwandel in den betroffenen Regionen und einen Fonds für Strukturwandel aus Mitteln des Bundes“kümmern.
Für den Posten eines der Vorsitzenden der Kommission hat die SPD Ex-Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) ins Gespräch gebracht. Lammert komme aus dem Ruhrgebiet, kenne die Bedürfnisse der Kohleregionen und verfüge über eine hohe Kompetenz zu moderieren, hieß es in der SPD. Als weiteren Vorsitzenden schlagen die Sozialdemokraten den früheren WirtschaftsStaatssekretär Matthias Machnig (SPD) vor. Er verfüge über viel energiepolitische Expertise, hieß es. Ob sich Altmaier auf diese Vorschläge einlässt, ist allerdings offen. Von Unionsseite wurde der frühere sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) ins Gespräch gebracht. Sachsen wäre vom Kohleausstieg be- troffen und Tillich kenne die Probleme der Region, hieß es in der Union.
Als gesetzt gelten zudem die Vorsitzenden der Gewerkschaften Verdi und IG BCE, Frank Bsirske und Michael Vassiliadis. Letzterer hatte die deutsche Energiepolitik der vergangenen Jahre maßgeblich mitgeprägt. Die IGBCE ist die führende Gewerkschaft in den Tagebauen im rheinischen Revier und in der Lausitz. Es wurde auch spekuliert, dass die Politik Vassiliadis den Vorsitz der Kom- mission antragen könnte – womöglich im Tandem mit Grünen-Politiker Jürgen Trittin, der bereits erfolgreich die Kommission zum Atomausstieg geleitet hat. Das hat aus Sicht der Gewerkschaft den Nachteil, dass Vassiliadis dann Moderator wäre und nicht mehr knallharter Interessenvertreter sein könnte.
Scharfe Kritik an der Kohlepolitik der Koalition übte Grünen-Chefin Annalena Baerbock. „Die Kohlekommission muss zügig mit ihrer Arbeit beginnen. Die Klimakrise wartet nicht“, sagte sie unserer Redaktion. „Bereits im Mandat der Kommission muss festgehalten werden, dass bis 2020 mindestens sieben Gigawatt – besser zehn – abgeschaltet werden.“Die Kommission müsse zudem einen Maßnahmenkatalog erarbeiten, der die betroffenen Regionen und Beschäftigten beim Strukturwandel unterstütze. „Der dafür aufgelegte Zukunftsfonds von 1,5 Milliarden Euro muss in den Kommunen ankommen und darf nicht am Ende den Energiekonzernen in die Taschen fließen.“