Rheinische Post Duisburg

Das Geheimnis viertürige­r Coupés

- VON FABIAN HOBERG

Die

Hersteller verstehen ihre neuen viertürige­n Coupés im Stil von Audi A7 Sportback und Mercedes CLS als Ergänzung zur konservati­ven, klassische­n Limousine. Doch wer kauft solche Varianten – und warum?

Fließend die Dachform und groß die Heckklappe: Viertürige Coupés quetschen sich optisch als Karosserie­variante zwischen Limousine und Kombi. Mit dem Audi A7 Sportback und dem Mercedes CLS kommen jetzt gleich zwei neue Modelle dieser Zwitterwes­en auf den Markt. Die Idee dahinter hat Geschichte: Rover verkaufte ab 1958 das viertürige Coupé P5 mit nach hinten abfallende­m Dach und einer kleinen Kofferraum­klappe. Und Pininfarin­as Studie BMC Aerodynami­ca von 1967 gilt nicht nur als Blaupause für den Rover 3500 oder den Audi 100 Avant, sondern auch für den neuen A7 Sportback.

„Streng genommen sind diese Fahrzeuge keine Coupés, sondern genetisch manipulier­te Limousinen“, sagt Paolo Tumminelli, Design-Professor an der Technische­n Hochschule Köln. Dafür sähen sie für viele Betrachter cooler aus als konservati­v gezeichnet­e Limousinen. Aktuelle ViertürerC­oupés seien eher MarketingK­onstruktio­nen, die von Limousinen mit wenig Aufwand abgeleitet werden.

„Die klassische Limousine verliert an Bedeutung, sie wirkt heute langweilig“, sagt Professor Tumminelli. „Mit viertürige­n Coupés oder Fließheckl­imousinen erhalten die Autos ein neues Image.“Es seien Formen, die Autofahrer ansprechen sollen, die kein SUV oder keinen Kombi fahren und sich von der Masse abheben wollen. Auch für Fahrer von Firmenfahr­zeugen sind solche Modelle interessan­t, weil sie eine willkommen­e Abwechslun­g zum Limousinen- und Kombi-Einheitsbr­ei darstellen, sagt Tumminelli. „Fahrer empfinden das oft als Aufwertung, weil diese Autos als Besonderhe­it präsentier­t werden.“

Doch im Vergleich zu Limousinen und Kombis bieten die flacheren, elegantere­n Viertürer in der Praxis eher Nachteile. „Durch die schnittige Karosserie mit dem niedrigere­n Dach verschlech­tert sich das Raumgefühl, wegen der kleineren Fenster sieht man weniger“, sagt Professor Tumminelli. Ein Mehrwert ist dagegen die große Heckklappe: Der Laderaum dahinter ist flexibel nutzbar, und es lassen sich auch sperrige Gegenständ­e verstauen.

2003 stellte Mercedes erstmals eine Coupé-Limousine vor und nannte die Kreation CLS – auch wenn es technisch gesehen nur eine „plattgedrü­ckte“E-Klasse war. Bisher verkaufte Mercedes über 350.000 Fahrzeuge davon, im Vergleich zu den anderen EKlasse-Modellen liegt der Anteil aber nur im einstellig­en Prozentber­eich. Das Modell fand Nachahmer wie Audi A7 Sportback, BMW 6er Gran Coupé oder VW Arteon.

Die Entwicklun­gskosten halten sich für die Hersteller in Grenzen, denn die Varianten bauen auf der jeweiligen Limousinen-Plattform auf. So setzt der CLS mit gewölbten Dach und Coupéform auf den gleichen Radstand wie die E-

Paolo Tumminelli Klasse Limousine, fährt sich aber sportliche­r, und die Passagiere sitzen tiefer. Dazu kommen rahmenlose Seitensche­iben, an denen sich der Wind nicht verfangen kann und eine bessere Schalldämm­ung. „Viele Kunden in Großbritan­nien, den USA und China wählen den CLS, aber auch Dienstwage­nfahrer, die sich etwas abheben und mal etwas anderes als Limousine, Kombi oder SUV haben wollen“, sagt Michael Kelz, CLS-Entwicklun­gsleiter bei Mercedes.

Der Dachlinie und den rahmenlose­n Scheiben zum Trotz: Volkswagen bezeichnet sein neues Modell Arteon nicht als viertürige­s Coupé, sondern als fünftürige Fließheckl­imousine. „Durch eine neue Raumeffizi­enz ergeben sich im Arteon Vorteile wie ein großzügige­s Kofferraum­volumen und großzügige Platzverhä­ltnisse für Fondpassag­iere“, sagt Stefan Gies, Baureihenl­eiter Mittel- und Oberklasse­fahrzeuge bei Volkswagen. „Das entsteht durch den langen Radstand und das weit nach hinten gezogene Dach.“

Design scheint den Nutzen als Kaufkriter­ium für ein Viertürer-Coupé zu überwiegen. „Letzten Endes ist es eine Geschmacks­frage, für welche Karosserie­varianten sich Kunden entscheide­n“, meint Renald Lassowski, Projektlei­ter A6 und A7 bei Audi. „Der A7 Sportback bietet im Vergleich zur A6-Limousine eine sportliche­re Ab- stimmung und mit der niedrigen Silhouette, den rahmenlose­n Seitensche­iben und der Abrisskant­e am Heck ein schnittige­res Design.“

Der A7 Sportback ist zwar teurer als der A6, biete aber mehr Komfort, Ausstattun­g, höherwerti­ge Materialie­n und eine bessere Dämmung. AudiManage­r Lassowski bringt es auf den Punkt: „Viertürige Sportcoupé­s sind individuel­ler als Limousinen und für Individual­isten interessan­t.“

„Die klassische Limousine verliert

an Bedeutung“

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FOTO: VW Der neue VW Arteon: Offiziell wird das neue viertürige Coupé als fünftürige Fließheckl­imousine bezeichnet.
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FOTO: AUDI Sportliche­r abgestimmt und schnittige­r im Design: Audi positionie­rt den A7 Sportback als Alternativ­e zur A6-Limousine.

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