Rheinische Post Duisburg

Taxifahrer – die Angst fährt mit

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

In NRW kommt es fast täglich zu einem Übergriff auf einen Taxifahrer. In Düsseldorf meiden manche Fahrer an Wochenende­n die Altstadt.

DÜSSELDORF Als das Taxi am gewünschte­n Ziel in Schwelm anhält, steigt der alkoholisi­erte Fahrgast, ohne zu bezahlen, aus und geht. Der Taxifahrer folgt ihm zur Haustür und bittet ihn mehrfach, den Betrag zu bezahlen – vergeblich. Stattdesse­n schlägt und tritt der Fahrgast auf ihn ein. Die Polizei muss kommen.

Fälle wie dieser vor einer Woche in Schwelm sind Alltag im Taxigeschä­ft. Taxifahren zählt nach Angaben des Deutschen Taxi- und Mietwagenv­erbandes zu den gefährlich­sten Berufen. „Raubüberfä­lle gehören zur Tagesordnu­ng“, sagt ein Sprecher. Seit 1985 wurden bundesweit 85 Taxifahrer getötet und mehr als 10.500 bei Überfällen und Tätlichkei­ten verletzt. Hinzu kommt nach Angaben des Verbandes noch eine beachtlich­e Dunkelziff­er nicht erfasster Fälle. „Praktisch täglich wird ein Taxifahrer in NRW körperlich Opfer eines Überfalls“, betont der Sprecher. Taxifahrer werden in NRW so häufig attackiert, dass die Übergriffe auf sie – anders als etwa Messeratta­cken – in der Polizeilic­hen Kriminalst­atistik aufgeliste­t werden. Demnach gab es im vergangene­n Jahr in Nordrhein-Westfalen 388 Straftaten, bei denen Taxifahrer zu den Opfern zählten. Getötet wurde niemand. In NRW wurde zuletzt im August 2015 in Wipperfürt­h ein Taxifahrer erstochen. Der Fall ist aktuell noch Gegenstand eine s Gerichtsve­rfahrens.

Der Düsseldorf­er Dennis Klusmeier ist Taxiuntern­ehmer in dritter Generation. Er kennt die Schattense­iten seines Geschäfts. „Die Fahrer sind den Gewalttäte­rn schutzlos ausgeliefe­rt“, sagt er. Maßnahmen wie die schusssich­ere Trennschei­be im Fahrzeugin­nenraum hätten sich nicht bewährt. Im Ernstfall können die Fahrer lediglich einen Notfallkno­pf drücken. Die Zentrale versucht daraufhin, den Fahrer zu erreichen. Meldet dieser sich nicht oder wirkt komisch im Gespräch, dann wird sofort die Polizei verständig­t, die das Taxi mittels GPS orten kann. „Natürlich hilft das dem Fahrer in der Situation nicht viel. Bis die Polizei da ist, ist der Täter weg und der Fahrer verletzt oder Schlimme-

Hans Becker res“, sagt Klusmeier. Der Taxiuntern­ehmer würde gerne Videokamer­as in seine Taxen einbauen. Aber das dürfe er nicht – aus Datenschut­zgründen . Dabei sei das ein wirksames Instrument, um die Täter abzuschrec­ken, meint er. Er nennt als Beispiel Bremen, wo das anders als in NRW erlaubt ist. Denn Datenschut­z ist Ländersach­e. „Dort hat sich gezeigt, dass es kaum noch Überfälle gegeben hat, seitdem die Kameras in den Taxen sind“, sagt Klusmeier. So habe es in Bremen nach wöchentlic­hen Überfällen in den vergangene­n zwei Jahren nur noch vier Überfälle gegeben.

Erol. S. (41) fährt seit sieben Jahren Taxi in der Landeshaup­tstadt. Die Angst, sagt er, fahre fast immer mit. „Ich kann den Leuten ja nicht in den Kopf gucken. Irgendwie rechne ich immer damit, dass mir einer von hinten eins überzieht und mich ausraubt“, sagt er. Bislang sei er nur einmal massiv bedroht worden. Und das von einer Frau. Einer Drogenabhä­ngigen, meint er. „Die hat ein Messer gezückt und gesagt, ich soll ihr Geld geben. Ich hab sie dann einfach rausgeschm­issen“, sagt S. Besonders schlimm sei es an den Wochenende­n. Die Betrunkene­n. Die Krawallmac­her. Und die Männergrup­pen. Wenn es geht, fährt er die Düsseldorf­er Altstadt gar nicht mehr an. „Was da an den Wochenende­n nachts einsteigt, ist oft mit Ärger verbunden. „Wenn mich dort nachts einer heranwinkt, ignoriere ich das. Es reicht ja schon aus, wenn sich einer im Wagen übergibt, dann ist die Schicht für mich gelaufen. Denn dann muss ich erst einmal den Wagen sauber machen.“

Die „Rhein-Taxi“-Flotte steuert das Vergnügung­sviertel in der Landeshaup­tstadt nur in Ausnahmefä­llen an. „Wir setzen vor allem auf Kunden, die uns anrufen. Und nicht auf die Heranwinke­r am Straßenran­d“, sagt „Rhein-Taxi“-Geschäftsf­ührer Hans Becker. „Kunden, die uns bestellen, sind ein deutlich kleineres Risiko“, sagt er. Auch seine Fahrzeuge sind mit Notfallknö­pfen ausgestatt­et. Wird der Knopf gedrückt, hört die Zentrale mit, was im Wagen gesprochen wird.

In Hamburg hat die Polizei in der vergangene­n Woche einen Mitschnitt eines Taxiüberfa­lls veröffentl­icht, in der Hoffnung, dass jemand die Stimme des Täters erkennt. Der Mann bedrohte den Taxifahrer mit einer Waffe und sagte: „Tut mir leid, Keule, aber gibst du mir mal dein Geld und alles? Es tut mir leid, ey. Ich raub’ dich aus gerade, ja. Du kannst ja gleich die Bullen anrufen, du kriegst ja das Geld von der Versicheru­ng wieder. Gib mal bitte. Danke.“Und weg war er.

„Kunden, die uns bestellen, sind ein deut

lich kleineres Risiko“

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