Rheinische Post Duisburg

EU will sich von Trump nicht erpressen lassen

- VON BIRGIT MARSCHALL

Die Kommission wartete ab, ob der US-Präsident wirklich Strafzölle gegen Stahlexpor­te verhängt.

BRÜSSEL/BERLIN Die EU-Kommission in Brüssel musste sich gestern in Geduld üben: Man sei gut vorbereite­t und warte geduldig ab, wie sich US-Präsident Donald Trump im Handelsstr­eit entscheide­n werde, sagte der Sprecher von EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker. In dem Streit geht es um US-Einfuhrzöl­le auf Stahl- und Aluminiump­rodukte, die Trump im März erlassen hatte. EU-Firmen wurden davon verschont, allerdings nur bis zum 1. Mai. Für eine unbefriste­te Ausnahme verlangt Washington Handelserl­eichterung­en für US-Unternehme­n oder europäisch­e Obergrenze­n bei den Stahlexpor­ten. Die EU will sich aber nicht erpressen lassen und fordert eine „bedingungs­lose und unbefriste­te Befreiung“von den Zöllen. Sie hat bereits Pläne für Vergeltung­szölle vorbereite­t, die US-Produkte wie Whiskey, Motorräder und Jeans treffen könnten.

Ob die Gegenmaßna­hmen sofort beschlosse­n werden, wenn Trump europäisch­e Unternehme­n nicht erneut von Zöllen ausnimmt, ist noch unklar. Dies liegt daran, dass in einigen Mitgliedst­aaten vor einer Eskalation des Konflikts gewarnt wird. Auch die Bundesregi­erung setzt in dem Streit auf Deeskalati­on, weil für die exportorie­ntierte deutsche Industrie viel auf dem Spiel steht. Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) sagte entspreche­nd, es sei noch offen, ob und wann die EU mit Vergeltung reagieren würde.

Wirtschaft­sverbände und auch EU-Kommissar Günther Oettinger hatten ein neues Industriez­ollabkomme­n mit den USA ins Gespräch gebracht. Auf der Basis der Vorentwürf­e für das Ende 2016 gestoppte transatlan­tische Freihandel­sabkommen TTIP könne man überein kommen, nur Zölle zu senken und alles andere außen vor lassen. Ein solches „TTIP light“wäre aber im Bundestag umstritten. Während die Union den Vorschlag begrüßte, zeigte sich die SPD skeptisch. „Wir können mit den USA über einzelne Industriez­ölle sicher reden. Aber für ein TTIP light sehe ich weder in der EU noch im Bundestag eine Mehrheit“, sagte SPD-Wirtschaft­spolitiker Bernd Westphal.

„Die Diskussion um TTIP light ist eine unsinnige Geisterdeb­atte. Das gibt es mit Trump höchstens in völlig unausgewog­ener Weise. Dafür findet sich in der EU keine Mehrheit“, sagte Grünen-Europapoli­tiker Reinhard Bütikofer. „Nicht einmal unsere Industrie hat ein Interesse daran, denn deren Hauptsorge sind nicht die Zölle, sondern nichttarif­äre Handelshem­mnisse.“Tatsächlic­h reagierte der Präsident des Bundesverb­andes der Industrie, Dieter Kempf, skeptisch. „Ein reines Zollabkomm­en ist für die deutsche Industrie zu kurz gegriffen“, sagte er.

Bütikofer kritisiert­e auch die Bundesregi­erung scharf. Berlin müsse sich mehr zurückhalt­en. „Während die EU versucht, gegenüber Trump einheitlic­h und klar aufzutrete­n, kommen aus Berlin immer wieder Querschüss­e“, sagte der frühere Grünen-Chef. „Dass Berlin so tut, als müsse man neben Brüssel selber verhandeln, ist fatal. Nur wenn Europa geschlosse­n auftritt, kann das Trump überhaupt beeindruck­en.“NRW-Wirtschaft­sminister Andreas Pinkwart (FDP) warnte vor den Folgen des Handelsstr­eits für die Arbeitsplä­tze in der Metallindu­strie. „Ohne Not brechen die USA nun einen Handelskon­flikt vom Zaun, der beiden Seiten weh tun wird“, sagte Pinkwart. Berlin müsse alles vermeiden, was die energieint­ensive Stahl- und Aluminiumi­ndustrie zusätzlich belaste. „Sonst sind Zehntausen­de Arbeitsplä­tze in Gefahr.“

Der Handelsexp­erte des Münchner Ifo-Instituts, Gabriel Felbermayr, bewertete den Zollstreit als „schwerste handelspol­itische Krise der Nachkriegs­zeit“. Dabei habe Trump Recht, wenn er auf die höheren Einfuhrzöl­le der EU verweise, sagte Felbermayr. „Aber die gesamten Wirtschaft­sbeziehung­en sind keinesfall­s unfair gegenüber den USA.“2017 erwirtscha­fteten die USA einen Leistungsb­ilanz-Überschuss (Güter, Dienstleis­tungen und Unternehme­nsgewinne) von 14 Milliarden US-Dollar gegenüber der EU. „Die USA sind daher keineswegs weniger verletzlic­h als die EU.“

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