Die „verrückte“Barockoper
Das jüngste, achte Kammerkonzert in der Philharmonie Mercatorhalle gestalteten Julia Sophie Wagner (Sopran), David Jerusalem (Bass), Stefan Wilkening (Rezitation) und ein Barockensemble der Duisburger Philharmoniker.
Die Parodie war damals überfällig. 1728 brachten John Gay (Text) und Johann Christoph Pepusch (Musik) „The Beggar’s Opera“(„Die Bettleroper“) auf die Londoner Bühne: Hier gibt es nicht die hehren antiken Helden der italienischen Oper, denn das Stück spielt im kriminellen Milieu der Gegenwart und stellt damit die gängigen Moralvorstellungen auf den Kopf. (Bekannt ist es vor allem als genau 200 Jahre spätere Vorlage für „Die Dreigroschen- oper“von Bertolt Brecht und Kurt Weill.) Pepusch komponierte nur die charmante Ouvertüre ganz neu, für die kurzen Musiknummern verwendete er Volksmelodien aus Irland, Schottland und Frankreich sowie Elemente aus Opern von Georg Friedrich Händel und Henry Purcell. In der ersten Hälfte des Kammerkonzerts erklangen daraus 24 zum Teil instrumentale, vor allem aber vokale Nummern. Nach der Pause gab es dann zwei Duette und vier Arien aus Werken, gegen die sich die Kritik der „Beggar’s Opera“richtete oder welche diese fortsetzten, neben Händel und Purcell waren die Komponisten Giovanni Bat- tista Pergolesi, Antonio Vivaldi und Händels Londoner Gegenspieler Giovanni Battista Bononcini. Als instrumentale Einleitung zur zweiten Hälfte dienten die ersten beiden Sätze aus Händels Concerto grosso F-Dur op. 6 Nr. 9. Der kluge dramaturgische Plan wurde beglaubigt durch das stilsichere, schlackenlose und einfallsreiche Spiel eines Barockensembles der Duisburger Philharmoniker, ergänzt um einige Spezialisten wie Olga Watts (Cembalo) und Sören Leupold (Laute). Das war oft berückend, etwa bei den Solopassagen des Konzertmeisters To- nio Schibel und des Soloflötisten Stephan Dreizehnter, aber auch mal lustig, etwa als der Lautenist den Sänger mit dem langen Hals seiner Theorbe „erschoss“. Julia Sophie Wagner (Sopran) und David Jerusalem (Bass) hatten sichtlich Spaß an diesem Abend - wobei die Dame zu- nächst weniger textverständlich wirkte als der Herr, aber spätestens in der großartigen Arie der Berenice „Scoglio d’immota fronte“aus Händels Oper „Scipione“zu großer Form auflief. Übrigens trugen die beiden bei der „Bettleroper“passenderweise noch keine Konzertkleidung, die Sopranistin hatte auf dem schwarzen T-Shirt sogar einen großen, golden glitzernden Totenkopf. Als Moderator und Rezitator sorgte Stefan Wilkening zwischendurch für passende literarische Vertiefung. Er hatte oft die Lacher auf seiner Seite, vor allem als er den ironisch frauenfeindlichen PepuschSong „Man may escape from rope and gun“mit „Doch lass ein Weib an dich heran“aus „My Fair Lady“von Alan Jay Lerner noch auf die Spitze trieb.
Da waren auch nach deutlich mehr als zwei Stunden noch Zugaben willkommen. Es wurden je ein witziger Text von Kurt Tucholsky und Kurt Schwitters sowie das Walzer-Duett „Lippen schweigen“aus der Operette „Die lustige Witwe“von Franz Lehár.
Im nächsten, neunten und somit für die laufende Saison 2017/18 bereits letzten Kammerkonzert am 17. Juni, um 19 Uhr, spielen Carolin Widmann (Violine), das AurynQuartett und Alexander Lonquich (Klavier) Werke von Ludwig van Beethoven, Wolfgang Amadeus Mozart und Ernest Chausson. Karten dafür gibt es am einfachsten im Internet unter karten@theater-duisburg.de.
Auch nach deutlich mehr als zwei Stunden waren noch
Zugaben willkommen.