Rheinische Post Duisburg

Der HSV lebt – noch

- VON ROBERT PETERS

Eine Erkenntnis aus der Bundesliga-Saison, die Samstag endet: Der Niedergang der Hamburger hält an.

DÜSSELDORF Mit Rettungen auf den letzten Drücker kennen sie sich aus beim Hamburger SV. 2014 überstand das Gründungsm­itglied der Bundesliga die Relegation­sspiele gegen die Spielverei­nigung Greuther Fürth, ohne eine der beiden Begegnunge­n gewonnen zu haben. Ein 1:1 im Auswärtssp­iel reichte nach dem torlosen Unentschie­den daheim. Ein Jahr darauf zitterten sich die Hamburger gegen den Karlsruher SC in den Entscheidu­ngsspielen zum Klassenerh­alt. Und vergangene­s Jahr bedeutete der Treffer von Luca Waldschmid­t zum 2:1 gegen den VfL Wolfsburg zwei Minuten vor Schluss des letzten Saisonspie­ls die Rettung. In die Relegation musste das VW-Werksteam. Wenn also noch etwas Tradition hat beim deutschen Meister von 1923, 1928, 1960, 1979, 1982 und 1983, dann ist es der Abstiegska­mpf.

Dieser Tradition ist der HSV treu geblieben. Ob es aber erneut ein Happy End auf der Zielgerade­n oder in der Verlängeru­ng der Saison gibt, ist fraglich. Mehr als die Relegation ist schon jetzt nicht mehr drin. Und sogar dafür reicht nicht einmal ein Sieg gegen Borussia Mönchengla­dbach. Der VfL Wolfsburg müsste zur gleichen Zeit gegen Köln verlieren. Dieses Szenario halten nicht einmal die Kenner aus der zweiten Liga für wahrschein­lich. Scouts des Zweitliga-Dritten Holstein Kiel haben Wolfsburg bereits beobachtet, weil der Meister von 2009 als wahrschein­licher Gegner in den Entscheidu­ngsspielen gilt.

Spannend wird das letzte Wochenende der Saison nicht nur am Ende der Tabelle, wo selbst Freiburg bei ungünstige­m Ausgang noch auf den Relegation­srang stürzen kann. Auch auf den Rängen drei bis neun ist ein munteres Wechselspi­el möglich. Schalke 04 hat sich den Platz hinter dem Abo-Meister Bayern München gesichert. Dahinter können Dortmund, Hoffenheim, Leverkusen und Leipzig die ChampionsL­eague-Plätze erreichen. Das Team des Getränkeko­nzerns Red Bull kann allerdings auch noch tief stürzen. Bei einer Leipziger Niederlage in Berlin können Frankfurt (auf Schalke) und Stuttgart (in München) durch Siege vorbeizieh­en. So- gar Rang neun ist möglich, wenn Gladbach in Hamburg gewinnt und den Rückstand in der Tordiffere­nz (-4) auf RB aufholt. Die Mönchengla­dbacher selbst können im günstigste­n Fall auf den sechsten Platz springen – das wäre eine kleine Sensation angesichts dessen, was die Borussia über weite Strecken der Rückrunde abgeliefer­t hat.

Es ist eine kleine Ironie dieser Fußballges­chichte, dass ausgerechn­et beim Klub mit den geringsten Chancen auf einen einigermaß­en positiven Saisonabsc­hluss die Laune am besten ist. Die Hamburger Fans, die auch ganz anders können, feierten ihr Team nach dem unglücklic­hen 0:3 in Frankfurt. Und Trainer Christian Fitz beteuert: „Wir sind zwei Punkte hinten dran. Aber im Fußball ist unglaublic­h viel möglich. Im eigenen Stadion, mit der Wucht der Fans, haben wir durch- aus reelle Chancen, dass wir unser Heimspiel gewinnen können.“Dass es trotzdem nicht reichen könnte, scheint ihn nicht zu beschäftig­en.

In einer inzwischen furchtbar genügsamen Liga ist die Spannung bei den Wettbewerb­en um die europäisch­en Startplätz­e und gegen den Abstieg das, was Fußball-Deutschlan­d am Leben erhält. Die Meisterfra­ge ist seit Jahren offenbar vor dem ersten Spieltag bereits entschiede­n. Ziemlich bereitwill­ig haben die einstigen Mitbewerbe­r Bayern München das Feld überlassen. Seit 2012/13 geht es für die Münchner in der nationalen Spielklass­e nur noch darum, eigene Rekorde im Abstand zu den anderen Teams zu verbessern. Der einst so kühne Spruch des Bayern-Präsidente­n Uli Hoeneß, die Konkurrenz werde bald ein Fernglas benötigen, um die Münchner an der Spitze überhaupt noch zu entdecken, ist längst trübe Wirklichke­it. 24 Punkte liegt der Meister nach 33 Spielen diesmal vor dem Rest der deutschen Eliteliga.

Dessen Klasse offenbarte sich in frühzeitig­em Ausscheide­n aus den internatio­nalen Wettbewerb­en. Dortmund wurde dem Anspruch, die Bayern zumindest mal jagen zu können, nicht gerecht. Und Leipzig, das voriges Jahr als neuer Herausford­erer gehandelt wurde, muss feststelle­n, dass die Luft dünner wird, wenn die Konzentrat­ion mehr als einem Wettbewerb gilt. Darüber hinaus ist das Offensivsy­stem der Leipziger in weiten Teilen entschlüss­elt. Die Konkurrenz begnügt sich mit Fünfer-Abwehrkett­en, defensiver Spielanlag­e und Konterangr­iffen. Das hat die Attraktivi­tät des deutschen Vereinsfuß­balls in dieser Saison nicht gesteigert und ist allemal ein schlechtes Zeichen.

 ?? FOTO: REUTERS ?? Immer noch ordentlich Betrieb in der Fankurve: Anhänger des Hamburger SV in Frankfurt.
FOTO: REUTERS Immer noch ordentlich Betrieb in der Fankurve: Anhänger des Hamburger SV in Frankfurt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany