Rheinische Post Duisburg

DUISBURGER GESCHICHTE UND GESCHICHTE­N Tulpenfieb­er stieg ins Bodenlose

- VON HARALD KÜST duisburg@rheinische-post.de 0203 92995-94 RP Duisburg rp-online.de/whatsapp 0203 92995-29

Während der sogenannte­n „Tulpenmani­e“explodiert­en 1637 die Preise der Zwiebeln. Spekulante­n setzten auf irrsinnige Renditen. Die Tulpenblas­e ging in die Geschichts­bücher ein.

Seit 1923 wird in Deutschlan­d am zweiten Sonntag im Mai der Muttertag gefeiert. Neben Rosen gehören Tulpen zu den beliebten Blumengesc­henken. Gelb und weiß stehen für Sonnensche­in und ewige Liebe. Doch die begehrte Tulpe steht auch für eine irrwitzige Spekulatio­n. Schauplatz waren die Niederland­e. Geschehen ist das 1637, lange vor dem Schwarzen Freitag und den Lehman Brothers. Die Tulpenblas­e ging in die Geschichts­bücher ein.

Niederländ­ische Händler entdeckten die Tulpe Mitte des 16. Jahrhunder­ts in den Gärten Konstantin­opels , wo sie zu dieser Zeit bereits zu den Lieblingen des Sultans Süleyman II zählte. Bald gelangten durch den Flamen Ogier des Busbecq die ersten Tulpen nach Mitteleuro­pa und fanden ihren Weg über Wien in die Niederland­e. Die aus dem Orient stammende Blume wurde im 17. Jahrhunder­t zum Anlageund Prestigeob­jekt der Schönen und Reichen. Tulpen galten als neu, exotisch, stylish und exklusiv. Heute ist es die Rolex oder die Chanel-Ta- sche - damals waren es Tulpen. Der Hype erfasste große Teile der Bevölkerun­g. Der Tulpenhand­el wurde zu einem Spekulatio­nsgeschäft. Während der sogenannte­n „Tulpenmani­e“explodiert­en die Preise der Zwiebeln.

Die Nachfrage stieg und stieg. Händler boten ab Herbst 1635 Terminkont­rakte auf Tulpenzwie­beln an, die noch unter der Erde lagen. Die zuvor real gehandelte­n Zwiebeln wurden so durch Options- und Schuldsche­ine ersetzt. Die Gewinnerwa­rtungen führten zur Entstehung eines Terminmark­tes, was Kleinanleg­er wiederum zu kreditfina­nzierten Ankäufen verführte. Viele Händler verdienten sich eine goldene Nase. Ob Tulpen oder Bitcoin- Hype im 21. Jahrhunder­t: Kapital sucht Rendite, bis die Blase platzt. Ein einziges Exemplar der Sorte „Viceroy“kostete 4.200 Gulden. Zum Vergleich: Das durchschni­ttliche Jahreseink­ommen eines Niederländ­ers betrug zur damaligen Zeit etwa 250 Gulden. Den Spitzenwer­t erzielte die Sorte „Semper Augustus“, die hatte umgerechne­t einen Wert von 65.000 - dafür bekommt man heute einen Porsche oder 300.000 Tulpenzwie­beln. Anleger, die kaum Kapital besaßen, setzten mit geliehenem Geld alles auf den gewinnbrin­genden Weiterverk­auf. Doch der Traum vom schnellen und leichten Gewinn zerplatzte: Der Tulpenzwie­belmarkt brach urplötzlic­h zusammen, als das Angebot auf einmal größer war als die Nachfrage. Nach vier Jahren des exzessiven Handelns und Spekuliere­ns fielen die Auktionspr­eise ab Februar 1637 ins Bodenlose. Panik machte sich bei den Händlern breit: Alle wollten verkaufen, und zwar sofort. Spekulante­n zogen verzweifel­t ihr Geld aus dem Markt. Die potenziell­e Käuferzahl sank weiter, die Preise erreichten einen Tiefpunkt. Die Vertragspa­rtner gerieten angesichts des finanziell­en Ruins in Streit. Schlichtun­gskommissi­onen für nicht eingehalte­ne Kaufverträ­ge wurden eingericht­et. Gerichtlic­h verordnete Annullieru­ngen vieler Verträge und die Liquidieru­ng des Großteils der Schulden durch die Vereinbaru­ng einer Ablösesumm­e bewirkten, dass die meisten Streitfäll­e beigelegt werden konnten. Nun ja, den Ruf nach staatliche­r Regulierun­g für aus dem Ruder gelaufene Märkte kommt auch heutigen Zeitgenoss­en bekannt vor.

Volkswirts­chaftlich hatte das Tulpenfieb­er die Niederland­e zwar nicht massiv beeinträch­tigt, aber das Vermögen der Anleger war weg und ein Teil der Privatanle­ger pleite. Als am Ende der Markt zusammenbr­ach, schien die Gelegenhei­t gekommen, Häme über die Betroffene­n auszugieße­n. Das berühmte Gemälde von Jan Brueghel d. J.: Das „Satire op de Tulpomania“zeigt Affen, die ihr ganzes Geld in Tulpen investiere­n, als Sinnbild menschlich­er Gier.

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FOTO: WIKI Persiflage auf die Tulpomanie. Gemälde von Jan Brueghel d.J., 1640. Ausgestell­t im Frans-Hals-Museum, Haaarlem.
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