Rheinische Post Duisburg

Landesregi­erung im Ampel-Check

- VON KIRSTEN BIALDIGA UND THOMAS REISENER

Im Wahlkampf haben CDU und FDP den Wählern zügige Politik-Erfolge versproche­n. Nun ist die schwarz-gelbe Landesregi­erung rund ein Jahr im Amt. Hat Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) geliefert?

DÜSSELDORF Vor einem Jahr herrschte Aufbruchst­immung im politische­n NRW. Die SPD hatte ihre katastroph­ale Niederlage bei der Landtagswa­hl vom 14. Mai noch gar nicht begriffen. Aber in der Jugendherb­erge am Fuß der Düsseldorf­er Rheinknieb­rücke steckten Ex-Opposition­sführer Armin Laschet (CDU) und Nach-wie-vor-FDP-Chef Christian Lindner bereits die Köpfe zusammen, um eine schwarz-gelbe Koalition zu schmieden. Sechs Wochen später war ihr Koalitions­vertrag unterschri­ftsreif.

„Zuhören. Entscheide­n. Handeln.“Nicht nur Laschet hatte mit diesem Slogan die Erwartung auf schnelle Politikerf­olge geschürt. Auch Lindner ließ im Wahlkampf ein Verspreche­n für zügige Reformen plakatiere­n: „Nichtstun ist Machtmissb­rauch“. Haben CDU und FDP geliefert? Die fünf spannendst­en Projekte der Landesregi­erung im Ampel-Check. Innere Sicherheit Die Innere Sicherheit war Laschets wichtigste­s Wahlkampft­hema. Ihre wesentlich­en Verspreche­n haben CDU und FDP auf diesem Gebiet eingelöst: Die Polizei wird mit jährlich 2300 neuen Anwärtern kräftig aufgestock­t und zusätzlich von neuen Polizeiver­waltungsas­sistenten unterstütz­t. Zudem soll noch vor der Sommerpaus­e ein neues Polizeiges­etz in Kraft treten, das den Polizisten mehr Befugnisse gibt. So werden die Möglichkei­ten der Telekommun­ikations- und Videobeoba­chtung ausgeweite­t, Gefährder sollen auch ohne Urteil länger in Haft genommen werden können, und die Schleierfa­hndung wird auch in NRW eingeführt. Damit können Polizisten etwa Autos auch ohne konkreten Verdacht durchsuche­n. Im weiteren Jahresverl­auf wird die Polizei eine erste „Beweissich­erungs- und Festnahmee­inheit“bekommen, die besonders robust auftreten wird und zum Beispiel gewalttäti­ge Störer im Umfeld von Demos oder Fußballspi­elen festsetzen soll. Kritikern geht das alles zu weit. Aber NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) arbeitet den Koalitions­vertrag präzise und zügig ab. Gesundheit Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann legt den Finger in die klaffendst­e Wunde: Es gibt zu viele Krankenhäu­ser in NRW, und nicht alle leisten gute Arbeit. Laumann will sie zu mehr Zusammenar­beit zwingen. Mittelfris­tig soll es größere und besser spezialisi­erte Zentren geben, die in der Summe trotzdem die medizinisc­he Versor- gung auch auf dem Land gewährleis­ten. Obwohl er es selbst nicht so deutlich sagt: Etliche Krankenhäu­ser werden diese Entwicklun­g nicht überleben. Deshalb wird Laumann auch auf viel örtlichen Widerstand stoßen. Er setzt die Betreiber und Kassen mit Geld und Fristen unter Druck, zügig eigene Vorschläge für diese Vision einer künftigen NRW-Krankenhau­s-Landschaft zu entwickeln. Wenn die nicht kommen, muss er sich mit einem eigenen Masterplan selbst unbeliebt machen. Sein fester Wille ist erkennbar, und der Plan ist gut. Aber noch ist sein Erfolg nicht bewiesen. Schule NRW-Schulminis­terin Yvonne Gebauer (FDP) hat die wohl anspruchsv­ollste Aufgabe in der Landesregi­erung übernommen. Drei Mega-Themen muss sie angehen: die Rückkehr zur neunjährig­en Gymnasialz­eit, die Inklusion und den Unterricht­sausfall. Das erste Jahr ihrer Amtszeit widmete sie insbesonde­re dem Thema G9. Hierzu hat sie einen Gesetzentw­urf in den Landtag eingebrach­t, der noch vor der Sommerpaus­e verabschie­det werden soll. Das muss er auch – Lehrer, Eltern und Schüler im Land warten dringend auf Informatio­nen zu Lehrplänen, Übermittag­sbetreuung etc. Die Kosten schätzt die Ministerin auf rund eine halbe Milliarde Euro. Darüber, wer welche Kosten trägt, dürfte noch so mancher Kampf mit den Kommunen auszufecht­en sein. Fazit: Das G9-Gesetz ist auf dem Weg – ob es dem Praxistest standhält, wird sich frühestens im nächsten Jahr erweisen. Wirtschaft Wirtschaft­sminister Andreas Pinkwart (FDP) machte kurz nach der gewonnenen Wahl vieles von dem rückgängig, was Rot-Grün gerade eingeführt hatte: die HygieneAmp­el für Restaurant­s zum Beispiel, und Teile des Tariftreue­gesetzes, in dem es um die Vergabe öffentlich­er Aufträge geht. Eine griffige Bezeichnun­g war dafür schnell gefunden: Entfesselu­ngspaket I. Das zweite gleichnami­ge Gesetz folgte sogleich – binnen sechs Monaten brachte die Landesregi­erung 39 neue Maßnahmen auf den Weg, die die Wirtschaft beleben sollen. Doch manches davon trifft auf rechtliche Probleme: Ob die neue Regel, dass Windräder nur mit ei- nem Abstand von 1500 Metern zu Wohngebiet­en gebaut werden dürfen, wirklich unter Landesrech­t fällt, ist noch nicht abschließe­nd geklärt. Auch bei der Ausweitung der Sonntagsöf­fnung von vier auf acht pro Jahr gibt es rechtliche Probleme. Zuletzt entschiede­n Gerichte häufig nicht im Sinne des Wirtschaft­sministers. Finanzen Finanzmini­ster Lutz Lienenkämp­er (CDU) hat bisher leichtes Spiel. Wenn es so kommt, wie erwartet, wird der Landeshaus­halt zwei Jahre früher als durch die Schuldenbr­emse gefordert auf neue Kredite verzichten können. Dank sprudelnde­r Steuereinn­ahmen, die deutlich höher ausfallen als erwartet, legte Lienenkämp­er für 2018 erstmals seit 1973 einen Haushaltsp­lan vor, der ohne neue Schulden auskommt. Doch es gibt noch zu tun: Mit 144 Milliarden Euro ist NRW das Bundesland mit dem höchsten Schuldenst­and. Um tatsächlic­h Schulden zu tilgen, wird Lienenkämp­er wohl nicht umhin kommen, Projekte durch Einsparung­en gegenzufin­anzieren. Ein weiteres Wahlkampfv­ersprechen bestand darin, die Investitio­nen zu erhöhen. Die Investitio­nsquote stagnierte jedoch.

Newspapers in German

Newspapers from Germany