Rheinische Post Duisburg

Immer diese Dealer

- VON FRANK HERRMANN

Donald Trump gerät durch die Absage des Treffens mit Nordkoreas Diktator Kim Jong Un für seine Geschäftsm­entalität in die Kritik.

WASHINGTON „Ich versteife mich nie zu sehr auf nur ein Geschäft“, schrieb Donald Trump 1987 in „The Art of the Deal“, seinem Bestseller. „Ich halte viele Bälle zugleich in der Luft, denn aus den meisten Geschäften wird nichts, egal, wie vielverspr­echend es anfangs aussah.“Habe er das Gefühl, unfair behandelt zu werden, kämpfe er resolut für seine Interessen, auch wenn er einige Leute damit vor den Kopf stoße. Klein beizugeben, schrieb er, mache alles nur schlimmer.

Es ist eine Passage, die sie bei „Fox and Friends“, der Lieblingss­endung des US-Präsidente­n, gerade des Öfteren zitieren. Trump, der Entschloss­ene, der seinen Instinkten folgt, ohne einzuknick­en, auch wenn es gelegentli­ch einer Fahrt auf der Achterbahn gleicht. Anfang Mai stieg er aus dem Atomabkomm­en mit dem Iran aus, ohne sich um die Einwände der Europäer zu scheren, und beschwor parallel dazu die Aussicht auf einen historisch­en Atomdeal mit Nordkorea. Nun, da er das Treffen mit Kim Jong Un platzen ließ, hat er auch den nordkorean­ischen Ball fallen gelassen.

Dies sei die Stunde der Amateure, twitterte Susan Rice, die Sicherheit­sberaterin Barack Obamas: „Von Anfang bis Ende war es eine lange Amateur Hour.“Der KoreaExper­te Victor Cha, einst im Nationalen Sicherheit­srat George W. Bushs zuständig für Asien, spricht von einem Mann, der geglaubt habe, dass für ihn andere Regeln gelten. Durch eine Mischung aus Druck und Schmeichel­eien habe Trump wohl geglaubt, Kim über Nacht zu etwas bringen zu können, wozu der Diktator so schnell nicht bereit sei – zur Verschrott­ung seines atomaren Arsenals. „Und das pas- siert dann, wenn man sich zu früh auf einen Gipfel einlässt“, kommentier­t Cha, was er einen fatalen Mangel an gründliche­r Vorbereitu­ng nennt.

Wieder andere werfen Trump vor, die Rolle persönlich­er Beziehunge­n zu überschätz­en, statt nüchtern anzuerkenn­en, dass es in erster Linie objektive Interessen sind, die das Handeln von Staatenlen­kern bestimmen. „Er ist mein Freund, ich verstehe mich wirklich gut mit ihm“, sagt er über Xi Jinping, seinen chinesisch­en Amtskolleg­en. Doch die Hoffnung, Xi werde Kim gleichsam im Duett mit ihm zu nuklearer Abrüstung zwingen, entpuppte sich als frommer Wunsch. Glaubt man amerikanis­chen Regierungs­beratern, dann betätigte sich China zuletzt eher in der Rolle des Bremsers.

Peking habe den Nordkorean­ern geraten, es langsamer angehen zu lassen, berichten US-Medien unter Berufung auf Quellen im Umfeld des Weißen Hauses. In Kim wiederum, spitzt es der Pulitzer-Preisträge­r David Sanger in der „New York Times“zu, habe Trump offenbar nichts anderes gesehen als einen konkurrier­enden Unternehme­r, mit dem es um den Preis einer Immobilie zu feilschen gelte. Am Ende, habe er angenommen, würde Kim bereit sein, „für den Preis künftigen Wohlstands“alles herzugeben, was er an Kernwaffen besitze.

Die Weltpoliti­k ist ein schwierige­res Feld als der New Yorker Häusermark­t – wie ein roter Faden zieht es sich durch die Äußerungen der Trump-Kritiker. Die Diplomatie kenne nun mal keinen perfekten Deal, doziert Lindsey Ford vom Asia Society Policy Institute in Washington. Das Alles-oder-nichts im Umgang mit Pjöngjang sei der falsche Ansatz, der Präsident müsse auf einen realistisc­heren Kurs einschwenk­en. Er müsse eine Vereinbaru­ng ins Auge fassen, die das Atom- und Raketenpro­gramm Nordkoreas eindämme, ohne es sofort zu eliminiere­n. Ob dies möglich sei, schreibt Ford in einer Analyse, „hängt von Herrn Trumps Fähigkeit ab, die Kunst des nicht perfekten Deals zu erlernen“.

Das Oval Office stellt es naturgemäß anders dar. In seiner Erzählung ist es ein Adlatus namens Joe Hagin, der auf dem Weg zur Absage einen wichtigen Part spielt. Hagin, stellvertr­etender Stabschef der Regierungs­zentrale, sei vor einer Woche nach Singapur gereist, um mit Partnern aus Pjöngjang die logistisch­en Details des Gipfels zu besprechen. Zu seiner Verwunderu­ng seien die Nordkorean­er gar nicht erschienen, hieß es bei einem Presse-Briefing im Weißen Haus: „Sie haben uns nichts gesagt, sie haben uns einfach verladen.“In den Tagen danach seien sie nicht mehr ans Telefon gegangen. Zudem habe Kim eine Zusage zurückgezo­gen, Spezialist­en aus dem Ausland die Sprengung seines Atomtestge­ländes aus nächster Nähe beobachten zu lassen.

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