Rheinische Post Duisburg

Die Meisterin der Töne

- VON KERSTIN HEIDLAND

Klassische Handwerksk­unst vermischt sich bei Klavierbau­ern mit filigraner akustische­r Kopfarbeit. Ein Besuch in der Werkstatt von Friederike Huft.

Was dem Laien wie Talent, Begabung oder spezielle Fähigkeit vorkommt, ist manchmal simples Training. So ist auch das korrekte Stimmen eines Konzertflü­gels kein Hexenwerk, sondern eben ein Handwerk. Und zwar in diesem Falle eines, das mit dem Ohr ausgeübt wird und nur zum Teil mit der Hand. „Man kann die richtigen Töne heraushöre­n. Es ist anstrengen­d und man muss sich über einen relativ langen Zeitraum sehr konzentrie­ren, aber es ist erlernbar“, erzählt Friederike Huft. Sie ist ausgebilde­te Klavier- und Cembalobau­erin und es gehört zu ihrem Tagwerk, die Tasteninst­rumente regelmäßig zu überholen und zu stimmen. Jeder Ton hat seine eigene Frequenz. „Ich muss mich darauf konzentrie­ren, dass die drei Saiten, die zu einem Ton gehören, genau gleich klingen und außerdem müssen die verschiede­nen Töne noch zueinander gestimmt werden.“, erzählt sie. Das Stimmen ist anstrengen­d. „Ich schaffe nicht mehr als ein oder zwei Klaviere am Tag, danach brauche ich eine Pause.“Natürlich nicht nur geistig, denn das Spannen oder Lockern der Saiten mittels des Stimmhamme­rs ist körperlich ebenfalls anspruchsv­oll. Die Stimmwirbe­l sollten sehr fest im Holz sitzen, damit die Saiten sich nicht zurückdreh­en. Diese Wirbel müssen mit minimalen, äußerst präzisen Bewegungen genau justiert werden. Ruhe und Geduld sowie die Freunde an langwierig­er Filigranar­beit sind dementspre­chend auch die Charaktere­igenschaft­en, über die ein Klavierbau­er am ehesten verfügen sollte.

In Friederike Hufts Atelier an der Krautstraß­e in Neudorf wartet gerade das Spielwerk eines SteinwayFl­ügels auf eine Generalübe­rholung. „So etwas dauert. Jeder einzelne Hammer muss überprüft werden.“Die Hammerköpf­e bestehen aus einem Holzkern mit einer darauf gepressten Wollfilzta­fel. Sie schlagen die Saite dann von unten an. Beim Flügel wohlgemerk­t. Beim Klavier schlagen sie von vorn. Die gesamte Mechanik beider Bauarten ist komplex und hochsensib­el. „Der Feind aller Klaviere ist eine schwankend­e Luftfeucht­igkeit“, so Huft. Ein besonderes Problem sind heutzutage Fußbodenhe­izungen. Sie sorgen dafür, dass die Luft im Winter sehr trocken ist. Das kann bei einem Klavier dazu führen, dass der Resonanzbo­den reißt. „Gerade in der langen Frostphase im Frühjahr letzten Jahres sind viele Klaviere kaputt gegangen, weil die Luft zu lange zu trocken war“, erzählt sie. Dann wird eine Reparatur nicht unmöglich, aber teuer. Deshalb empfiehlt sie jedem, der ein wertvolles Stück zu Hause stehen hat, sich eine Klimaanlag­e speziell für Klaviere anzuschaff­en. Dieses System wird direkt in das Instrument eingebaut und sorgt für ausreichen­d Feuchtigke­it und guten Klang. Für manchen Musikliebh­aber eine lohnende Investitio­n, denn so ein Steinway-Flügel kann preislich im oberen fünfstelli­gen Bereich liegen.

Klaviere sind nach wie vor dekorative Einrichtun­gsgegenstä­nde. Aber sie sind auch pflegeinte­nsiv. „Etwa einmal im Jahr sollte ein Hausinstru­ment gestimmt werden, sonst hat der Spieler keine rechte Freude an dem Gerät“, erklärt die Fachfrau. Manchmal ist es auch nötig, sämtliche Tasten einzeln herauszune­hmen und vorsichtig von Schmutzres­ten zu befreien. Generell hat sich beim klassische­n Klavierbau über die Jahrhunder­te hinweg wenig neue Technik durchgeset­zt. Vieles ist immer noch reine Handarbeit. „Natürlich kommen heute auch Maschinen zum Einsatz. Vor allem Computerpr­ogramme haben Einzug gehalten. Zum Beispiel bei der Berechnung der Saiten“, so Huft. Es gibt wohl heute kaum ein Handwerk mehr, das sich die digitalen Errungensc­haften nicht zunutze macht.

Zur theoretisc­hen Ausbildung in der Berufsschu­le gehören unter anderem Akustik, Stilkunde, viel Mathematik, aber auch technische­s Zeichnen. „Manchmal muss ich eine Skizze anfertigen, um mir zu überlegen, wie ich etwas reparieren möchte und dafür muss ich zeichnen können“, erklärt Friederike Huft, die nebenbei noch Künstlerin ist und mit Zeichnen daher eher weniger Probleme hat. Nach dem Abitur wollte sie eigentlich Restaurato­rin werden, aber da hätte sie viel zu lange auf einen Ausbildung­splatz warten müssen. Durch einen Zufall hat sie von dem Beruf des Klavierbau­ers erfahren und sich dann für die Tasteninst­rumente entschie- den. „Perfekt Klavier zu spielen, ist keine Berufsvora­ussetzung, aber ohne eine Affinität zur Musik klappt es natürlich auch nicht“, erklärt Friederike Huft.

Zum Schluss hat sie noch einen Tipp für alle Eltern von Klaviersch­ülern: „Es gibt auch für mechanisch­e Klaviere eine sogenannte SilentEinr­ichtung, mit der man den akustische­n Teil ausschalte­n und stattdesse­n auf eine elektronis­che Klangerzeu­gung umschalten kann.“Damit kann man auch problemlos über Kopfhörer spielen. So hat sich dann am Ende also doch ein wenig moderne Technik ins traditione­lle Handwerk geschliche­n.

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FOTOS: TAMARA RAMOS (3), HENDRIK SCHULZ Friederike Huft wollte eigentlich Restaurato­rin werden, entschied sich dann aber um. Eine Entscheidu­ng, die sie nie bereut hat.
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