Die Meisterin der Töne
Klassische Handwerkskunst vermischt sich bei Klavierbauern mit filigraner akustischer Kopfarbeit. Ein Besuch in der Werkstatt von Friederike Huft.
Was dem Laien wie Talent, Begabung oder spezielle Fähigkeit vorkommt, ist manchmal simples Training. So ist auch das korrekte Stimmen eines Konzertflügels kein Hexenwerk, sondern eben ein Handwerk. Und zwar in diesem Falle eines, das mit dem Ohr ausgeübt wird und nur zum Teil mit der Hand. „Man kann die richtigen Töne heraushören. Es ist anstrengend und man muss sich über einen relativ langen Zeitraum sehr konzentrieren, aber es ist erlernbar“, erzählt Friederike Huft. Sie ist ausgebildete Klavier- und Cembalobauerin und es gehört zu ihrem Tagwerk, die Tasteninstrumente regelmäßig zu überholen und zu stimmen. Jeder Ton hat seine eigene Frequenz. „Ich muss mich darauf konzentrieren, dass die drei Saiten, die zu einem Ton gehören, genau gleich klingen und außerdem müssen die verschiedenen Töne noch zueinander gestimmt werden.“, erzählt sie. Das Stimmen ist anstrengend. „Ich schaffe nicht mehr als ein oder zwei Klaviere am Tag, danach brauche ich eine Pause.“Natürlich nicht nur geistig, denn das Spannen oder Lockern der Saiten mittels des Stimmhammers ist körperlich ebenfalls anspruchsvoll. Die Stimmwirbel sollten sehr fest im Holz sitzen, damit die Saiten sich nicht zurückdrehen. Diese Wirbel müssen mit minimalen, äußerst präzisen Bewegungen genau justiert werden. Ruhe und Geduld sowie die Freunde an langwieriger Filigranarbeit sind dementsprechend auch die Charaktereigenschaften, über die ein Klavierbauer am ehesten verfügen sollte.
In Friederike Hufts Atelier an der Krautstraße in Neudorf wartet gerade das Spielwerk eines SteinwayFlügels auf eine Generalüberholung. „So etwas dauert. Jeder einzelne Hammer muss überprüft werden.“Die Hammerköpfe bestehen aus einem Holzkern mit einer darauf gepressten Wollfilztafel. Sie schlagen die Saite dann von unten an. Beim Flügel wohlgemerkt. Beim Klavier schlagen sie von vorn. Die gesamte Mechanik beider Bauarten ist komplex und hochsensibel. „Der Feind aller Klaviere ist eine schwankende Luftfeuchtigkeit“, so Huft. Ein besonderes Problem sind heutzutage Fußbodenheizungen. Sie sorgen dafür, dass die Luft im Winter sehr trocken ist. Das kann bei einem Klavier dazu führen, dass der Resonanzboden reißt. „Gerade in der langen Frostphase im Frühjahr letzten Jahres sind viele Klaviere kaputt gegangen, weil die Luft zu lange zu trocken war“, erzählt sie. Dann wird eine Reparatur nicht unmöglich, aber teuer. Deshalb empfiehlt sie jedem, der ein wertvolles Stück zu Hause stehen hat, sich eine Klimaanlage speziell für Klaviere anzuschaffen. Dieses System wird direkt in das Instrument eingebaut und sorgt für ausreichend Feuchtigkeit und guten Klang. Für manchen Musikliebhaber eine lohnende Investition, denn so ein Steinway-Flügel kann preislich im oberen fünfstelligen Bereich liegen.
Klaviere sind nach wie vor dekorative Einrichtungsgegenstände. Aber sie sind auch pflegeintensiv. „Etwa einmal im Jahr sollte ein Hausinstrument gestimmt werden, sonst hat der Spieler keine rechte Freude an dem Gerät“, erklärt die Fachfrau. Manchmal ist es auch nötig, sämtliche Tasten einzeln herauszunehmen und vorsichtig von Schmutzresten zu befreien. Generell hat sich beim klassischen Klavierbau über die Jahrhunderte hinweg wenig neue Technik durchgesetzt. Vieles ist immer noch reine Handarbeit. „Natürlich kommen heute auch Maschinen zum Einsatz. Vor allem Computerprogramme haben Einzug gehalten. Zum Beispiel bei der Berechnung der Saiten“, so Huft. Es gibt wohl heute kaum ein Handwerk mehr, das sich die digitalen Errungenschaften nicht zunutze macht.
Zur theoretischen Ausbildung in der Berufsschule gehören unter anderem Akustik, Stilkunde, viel Mathematik, aber auch technisches Zeichnen. „Manchmal muss ich eine Skizze anfertigen, um mir zu überlegen, wie ich etwas reparieren möchte und dafür muss ich zeichnen können“, erklärt Friederike Huft, die nebenbei noch Künstlerin ist und mit Zeichnen daher eher weniger Probleme hat. Nach dem Abitur wollte sie eigentlich Restauratorin werden, aber da hätte sie viel zu lange auf einen Ausbildungsplatz warten müssen. Durch einen Zufall hat sie von dem Beruf des Klavierbauers erfahren und sich dann für die Tasteninstrumente entschie- den. „Perfekt Klavier zu spielen, ist keine Berufsvoraussetzung, aber ohne eine Affinität zur Musik klappt es natürlich auch nicht“, erklärt Friederike Huft.
Zum Schluss hat sie noch einen Tipp für alle Eltern von Klavierschülern: „Es gibt auch für mechanische Klaviere eine sogenannte SilentEinrichtung, mit der man den akustischen Teil ausschalten und stattdessen auf eine elektronische Klangerzeugung umschalten kann.“Damit kann man auch problemlos über Kopfhörer spielen. So hat sich dann am Ende also doch ein wenig moderne Technik ins traditionelle Handwerk geschlichen.