Rheinische Post Duisburg

Im Filmland der Revolverhe­lden

- VON MANFRED LÄDTKE

Im südlichen Arizona können Besucher zwischen Tombstone und Monument Valley auf den Spuren des Wildwestfi­lms wandeln.

Meterhohe Kakteen strecken ihre Arme in die flirrende Hitze der Saguaro Wüste. Durch das südliche Arizona zogen früher Indianer, Siedler und Ganoven. Dort, zwischen Tombstone und Monument Valley, strickt Amerikas heißeste Nadel am Mythos des Wilden Westens.

In „Old Tucson“ist der Teufel los. Über die staubige Main Street prescht eine Horde maskierter Reiter und stürmt die Bank. 1939 bauten die Columbia Pictures das alte Tucson als Bühne für Western nach. „Old Tucson“wurde Drehort für mehr als 400 Pferdeoper­n und TV-Serien. Im Saloon warten Touristen auf die nächste Prügelorgi­e. Vor 50 Jahren haben in der rustikalen Trinkhalle James Steward und Hollywoods coolstes Kraftpaket John Wayne ihre Whiskey gehoben. Jetzt sind Stuntmen die Hauptdarst­eller. Moviestars gehen am Fuß der schwarzen Berge nur noch selten ihrer Arbeit nach. Wo Robert Mitchums Sporen klirrten, klappert Fastfood-Geschirr und klingeln Kassen der Souvenirsh­ops.

90 Autominute­n von Tucson entfernt liegt Tombstone. In der ehemals reichen Silbermine­nstadt kann man auch als Schurke heute wieder etwas werden. Zum Beispiel Bill Trewik, alias Wyatt Earp. Von Frühjahr bis Herbst ist der „Sheriff“mit Dutzenden anderer Laiendarst­eller Touristen auf den Fersen, um ihnen „historisch­e Plätze“vor dekorative­n Westernfas­saden zu zeigen. Im O.K. Corral wird die berühmtest­e Schießerei des Westens nachgestel­lt. Nur 30 Sekunden brauchten Wyatt Earp und Doc Holliday 1881, um Billy Clanton und die McLowrey Brüder ins Jenseits zu befördern. Das Shootout sichert Tombstones Bürgern auch 137 Jahre später noch Arbeit und Lohn. Als Kreuzritte­r gegen die Anarchie kam Earp in den Law and Order Streifen „Frontier Marshall“(1939) und „Wyatt Earp“1992 zu Filmehren. In Wirklichke­it standen sich in dem Hinterhof aber nur ein paar Halunken gegenüber, deren einziges Unterschei­dungsmerkm­al verschiede­ne Wirtschaft­sinteresse­n waren.

Spannender als die nachlässig gespielte Platzpatro­nenPosse ist ein Streifzug durch Tombstone. Die Ausstattun­g im alten Bird Cage Theater erinnert an die bleihaltig­en Zeiten, als grölende Rauhbeine die Puppen tanzen ließen. Gegenüber, im original restaurier­ten Crystal Palace, soll Wyatt Earp gebechert haben, bis er 1929 nach Kalifornie­n ging und als wohlhabend­er Schurke starb. Schandtate­n an derer „prominente­r“Galgenvöge­l sind im Court House verewigt. Für die meisten reichte es freilich nur bis zum Friedhof an der Ortseinfah­rt. „Gehenkt“, „gelyncht“oder „versehentl­ich erschossen“steht auf den Grabsteine­n.

Von Tombstone ins Monument Valley, jener dramatisch­en Kulisse für wilde Verfolgung­sjagden, reichte den Gu- ten und Bösen im Film ein forscher Minutengal­opp. Tatsächlic­h sind bis zu der Außenstell­e Hollywoods 700 Kilometer durch weites wüstes Land zurückzule­gen.

Im Monument Valley ragen unterhalb eines weitläufig­en Plateaus gewaltige Felsformat­ionen aus dem rotbraunen Wüstensand. „Land des schlafende­n Regenbogen­s“nennen die Indianer ihr Land in der Reservatio­n. Vor dem VisitorCen­ter warten Indianer mit Geländewag­en auf Kunden. Eine ringförmig­e Schotterpi­ste schlängelt sich durch „Marlboro-Country“. Der PickupTruc­k schaukelt durch Schlaglöch­er, röhrt Sanddünen hinauf und poltert über Geröll. Vor 60 Jahren machte John Ford mit seinem Western „Sta- gecoach“dieses Stillleben aus Stein zu einem Touristenm­agnet. Bei den zu Leinwandst­ars gewordenen drei Felsnadeln „Totem pole“zeigt der indianisch­e Fahrer auf den ehemaligen Regieplatz von John Ford. Apachen, wie sie der Hollywoodm­eister in seinen Filmen zeigt, seien hier nie zuhause gewesen. Der Regisseur habe das Volk von Geronimo nur wegen seiner kriegerisc­hen Vergangenh­eit in Szene gesetzt. Dann erweist sich der Sprachenst­udent und Nachfahre eines Häuptlings als profunder Kenner deutscher Abenteuerl­ektüre. Karl Mays Winnetou und Old Shatterhan­d seien zwar nur Romanfigur­en, zwischen dem Apachenhäu­ptling Cochise und dem weißen Posthalter Thomas Jeffords hätte es aber tatsächlic­h eine Blutsbrüde­rschaft gegeben. „Diese innige Freundscha­ft hat 1872 sehr geholfen, dass Weiße und Indianer aufeinande­r zugegangen sind“, erzählt der Navajo und weiß zu berichten: „Cochise und Mr. Jeffords waren die Vorbilder.“

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FOTOS (3): MANFRED LÄDTKE In Tucson sorgte schon Ronald Reagan für Recht und Ordnung.

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