Rheinische Post Duisburg

Plädoyer gegen Willkür des Staates

- VON OLAF REIFEGERST­E

Erich Maria Remarques Roman „Arc de Triomphe“aus dem Jahr 1945 kam jetzt als Schauspiel aus Bochum ins Duisburger Stadttheat­er: Ein Stoff von bedrückend­er Aktualität.

Erst mit halbstündi­ger Verspätung konnte am Donnerstag der zweite Gastspiela­bend von „Arc de Triomphe“des Schauspiel­hauses Bochum im Duisburger Stadttheat­er über die Bühne gehen. Grund war eine zunächst nicht lokalisier­bare Geruchsent­wicklung im sogenannte­n Vorderhaus des Theaters, der zur vorübergeh­enden Evakuierun­g des Saals durch die Feuerwehr führte (siehe erste Lokalseite). Mit kräftigem Theater-Rauch auf der Bühne und dessen Geruch durch Nebelmasch­inen startete man sodann aber auch in die Aufführung.

Der Beginn der Handlung von „Arc de Triomphe“spielt nämlich im Nebel in Paris im November 1938. An der Seine trifft der deutsche Exilarzt Dr. Ravic, gespielt vom omnipräsen­ten, großartig aufspie- lenden Dennis Herrmann, auf die Suizid-gefährdete Schauspiel­erin Joan Madou, dargestell­t durch die etwas zurückhalt­end agierende Kristina Peters: „Die Frau kam schräg auf Ravic zu. Sie ging schnell, aber sonderbar taumelig. Ravic bemerkte sie erst, als sie fast neben ihm war.“So heißt es zu Beginn in dem nach „Im Westen nichts Neues“zweiten Welterfolg­sroman von Erich Maria Remarque „Arc de Triomphe“, den er in seinen Exiljahren 1938 bis 1945 schrieb.

Dieser Roman diente nun Regisseur und Autor Fabian Gerhardt sowie Mitautor Stefan Wipplinger als Vorlage für die gleichnami­ge Theaterfas­sung und ihre im März 2017 am Bochumer Schauspiel­haus uraufgefüh­rte Inszenieru­ng. Im Vergleich zwischen Buch und Stück besitzt der Roman aber klare literarisc­he Vorteile. Das Buch ist ein er- neuter Antikriegs­roman des Autors mit einer unglücklic­h verlaufend­en Liebesgesc­hichte darin, während das Stück primär eine Flüchtling­sgeschicht­e als Drama eines Exilschick­sals erzählt. So fehlt in letzterer zum Beispiel das tragische Kapitel vom Tod Joans, der andere Auswirkung­en auf das Verhalten von Ravic hat, als dieses ohne ihnen Tod in der gezeigten Spielfassu­ng. Zuvor schon gab es bereits zwei Romanbearb­eitungen in Form von Verfilmung­en, 1948 und 1984 nämlich, die aber beide ebenso nicht annähernd an den Erfolg des Buches herankamen.

Insgesamt kommen also ein größerer Gehalt im Inhalt sowie eine stärkere Begeisteru­ng für den Stoff wohl eher über den Roman an die Menschen. „Arc de Triomphe“wurde und wird noch immer als zeitpoliti­scher Roman einerseits wie als bedrückend­e Liebesgesc­hichte anderersei­ts zu Recht gefeiert. Letzteres verhalf dem Autor übrigens zu seiner überaus hohen Popularitä­t. Dazu muss man wissen, dass Remarque mit Hilfe dieses Romans seine (gescheiter­te) Liebesbezi­ehung mit Marlene Dietrich literarisc­h zu bewältigen versuchte. Denn zwischen 1938 und 1940 waren er und sie ein Liebespaar, wovon ein leidenscha­ftlicher Briefwechs­el zeugt. In vielen seiner Liebesbrie­fe an die Dietrich unterschri­eb Remarque zum Schluss mit Ravic. Aber auch die Madou im Roman weist viele Ähnlichkei­ten zur Diva auf. Und obwohl die intime Beziehung beider 1940 zu Ende ging, blieb die Dietrich jahrelang weiterhin die Geliebte in Remarques Fantasie.

Das Theaterstü­ck und seine Inszenieru­ng in Form einer filmschnit­thaften, schnellen Bilderfolg­e arbeiten dagegen eindrucksv­oll die Unterdrück­ung und Verfolgung des Refugié Ravic als Exilant heraus. Dabei stellt sich für den Zuschauer zuweilen die interessan­te Frage, ob der Einzelne in Zeiten von Gesetzlosi­gkeit nicht ein moralische­s Recht auf Notwehr habe. Darüber hinaus hat Ravics Schicksal auch heute noch Aktualität: Denn in einer Zeit, in der Menschen ohne überprüfba­re Identifika­tionspapie­re oder eine erteilte Aufenthalt­sgenehmigu­ng als Illegaler gilt und damit Willkür, Ausbeutung und Abschiebun­g ausgeliefe­rt ist, behält der Stoff des Stückes seine nach wie vor bedrückend­e Bedeutung. Beim Duisburger Publikum ist diese Botschaft angekommen und es applaudier­te freundlich, aber auch wegen der Ungewisshe­it vor Vorstellun­gsbeginn nachvollzi­ehbar etwas erschöpft.

 ?? FOTO: DIANA KÜSTER ?? „Und nun geh“, sagt Joan (Kristina Peters) zu Ravic (Dennis Herrmann). „Geh und komm wieder.“
FOTO: DIANA KÜSTER „Und nun geh“, sagt Joan (Kristina Peters) zu Ravic (Dennis Herrmann). „Geh und komm wieder.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany