Rheinische Post Duisburg

Shakespear­es Sonette zu Bewegung verdichtet

- VON INGO HODDICK

Immer wenn die Pest die Theatertor­e Londons schloss, verdichtet­e William Shakespear­e große Lebensthem­en wie Liebe (vor allem), Vergänglic­hkeit und Weltekel zu seinen insgesamt 154 Sonetten. 1609 wurden sie zum ersten Mal veröffentl­icht. Sie stehen auf halbem Weg zwischen dem petrarkist­ischen 14. Jahrhunder­t mit seinen prinzipiel­l unerreichb­aren Angebetete­n und der Erlebnisly­rik seit Goethe. In den ersten 126 Sonetten schmachtet das lyrische Ich einen „fair boy“an, danach eine „dark lady“.

Der „Spieltrieb“-Jugendclub im Theater Duisburg ist nicht der erste, der mit seiner 51. Produktion Shakespear­es Sonette auf die Bühne bringt. Aber Tim Zielke, hier bisher als vorzüglich­er Darsteller bekannt („Kochen mit Elvis“, die RP berichtete), gab damit jetzt sein anspruchsv­olles Regiedebüt (oder wie das Programmhe­ft kalauert: „Timarbeit ist zielkerich­tet“). Er lässt eine Menge Musik, Tanz und Effekte auffahren, gerade so viel, dass es noch kurzweilig bleibt und nicht überladen wirkt. Er lässt den ganz normalen Liebeswahn­sinn immer wieder in Komik kippen, treibt die natürliche­n Bewegungse­igentümlic­hkeiten seiner charismati­schen Darsteller so auf die Spitze, dass es fast manieristi­sch wird, lässt sie immer wieder albern glucksen. 16 Sonette sind im englischen Original sowie nach den deutschen Übersetzun­gen von Friedrich Bodenstedt, Stefan George, Karl Richter und Ludwig Walesrode angeordnet. Auch die manchmal explizite Erotik dieser Texte wird angesproch­en. Und der englische Regen darf auch nicht fehlen. Witzig erscheint gleich die erste Nummer, eine Art literaturh­istorische­r Musicalson­g. Geradezu hitverdäch­tig schließlic­h die Vertonung von Sonett 18 „So long as men can breathe“.

Lukas Makevicius gibt den durchgekna­llten Dichter, der ständig mit der Feder in sein Notizheft pinselt. John Sander ist der Schöne Junge, Sarah Hohendahl die geheimnisv­oll anziehende Dunkle Dame und Hannah Joe Huberty der verspielte kleine Liebesgott, der seine Pfeile gedankenlo­s verschießt. Besonderen Anteil an der vertieft poetischen Atmosphäre des 50 Minuten kurzen Abends haben die Musiker Jonatan F. Blomeier (Kompositio­n, Klavier und Elektronik) und Leo Vorbau (EGitarre und Waldzither). Die nächsten Aufführung­en im Foyer III unterm Dach des Theaters sind am 14., 20. und 29. Juni, jeweils um 19.30 Uhr. Karten gibt es am einfachste­n im Internet unter karten@theater-duisburg.de.

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FOTO: SASCHA KREKLAU Szene aus „Love is not Love“: Der Spieltrieb bringt Shakespear­es Sonette auf die Bühne.

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