Merkel bremst Seehofers Asylplan
CDU-Kanzlerin und CSU-Innenminister können sich nicht auf eine Zurückweisung von Asylbewerbern an den Grenzen einigen. Die CSU will „geltendes Recht durchsetzen“, Merkel eine europäische Lösung.
BERLIN Der für heute von Innenminister Horst Seehofer geplante zentrale Aufschlag zur neuen Flüchtlingspolitik ist vorerst gescheitert. Wegen der darin vorgesehenen Zurückweisungen an den Grenzen kam es zu einer Auseinandersetzung mit dem Kanzleramt. Ein Termin für einen neuen Anlauf steht nach Auskunft des Innenministeriums noch nicht fest. „Aus einem Masterplan wird ein Desasterplan“, twitterte SPD-Innenexperte Burkhard Lischka.
Bereits am Sonntagabend hatte Merkel in der Sendung „Anne Will“von verschiedenen Gesprächen mit Seehofer berichtet, die noch nicht zu einer Verständigung geführt hätten. „Ich möchte, dass das, was heute gilt, dass europäisches Recht Vorrang hat vor nationalem Recht, dass wir das auch in unserer weiteren Politik umsetzen“, sagte Merkel. Sie verwies ausdrücklich auf das Dublin-System, das sie reformieren wolle. Sie sehe „nur in europäischen Lösungen die wirkliche Lösung“.
Nach den Dublin-Vereinbarungen ist für das Asylverfahren primär jenes Land zuständig, in dem ein Flüchtling zuerst in der EU registriert wurde. Bis September 2015 war die Bundespolizei gesetzlich verpflichtet, jeden Ausländer „zurückzuschieben“, der bereits in einem anderen EU-Land registriert war. Diese Vorschrift wurde seinerzeit kassiert. Derzeit werden lediglich Ausländer ohne Papiere zurückgewiesen.
2015 dürfe sich nicht wiederholen, erklärte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. „Dazu gehört die Bereitschaft, an unseren Grenzen geltendes Recht durchzusetzen und Menschen zurückzuweisen, die bereits in einem anderen europäischen Land registriert und in der europäischen Fingerabdruckdatei vermerkt sind“, sagte Dobrindt. Dies müsse auch Teil eines Masterplans Migration sein.
Auch bei den Beratungen im Unionsfraktionsvorstand gab es nach Teilnehmerangaben Rückhalt für die Sicht der CSU. Merkel hatte zuvor im Vorstand der CDU eine Entsolidarisierung in Europa befürchtet, wenn sich Seehofer mit der Zurückweisung durchsetze. Auch ein Kompromiss mit dem künftigen EU-Ratsvorsitzenden und österreichischen Kanzler Sebastian Kurz sei viel schwieriger, da Österreich am stärksten betroffen wäre. Kurz spricht morgen sowohl mit Merkel als auch mit Seehofer.
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin und SPD-Vizechefin Malu Dreyer warf Seehofer Ankündigungspolitik vor. „Der Innenminister kündigt seit Amtsantritt Konzepte an. Geschehen ist bis heute nichts“, sagte Dreyer unserer Redaktion. Eine inhaltliche Auseinandersetzung könne nicht stattfinden, weil Innenminister Seehofer nicht darlege, wie er seine Ziele umsetzen wolle. „Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit der Ideen des CSU-Innenministers hat ganz offensichtlich auch CDU-Kanzlerin Merkel“, unterstrich Dreyer. Die SPD will nun ein eigenes Migrationskonzept vorlegen. „Wer konkrete Vorschläge in der Asylfrage will, kann sich auf Seehofer und die CSU nicht verlassen“, sagte SPD-Vizechef Ralf Stegner den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. CDU und CSU gäben ein desaströses Bild ab
CDU-Innenexperte Armin Schuster plädierte dafür, Merkel eine Frist einzuräumen. „Wir sollten der Bundesregierung die Chance geben, auf dem Europäischen Rat Ende Juni noch ein positives Ergebnis für eine gemeinsame europäische Asylpolitik zu erzielen, das Deutschland spürbar entlastet und den Südländern hilft“, sagte Schuster unserer Redaktion. Gelinge das nicht, müsse es auch zu Zurückweisungen an den deutschen Grenzen kommen.