Rheinische Post Duisburg

Tränenpres­se für die Steinkohle

- VON PETER KLUCKEN

Gestern Abend wurde der Wechselaus­stellungsb­ereich des Museums Küppersmüh­le wiedereröf­fnet. Zu sehen ist im Rahmen des Ausstellun­gsverbunds „Kunst und Kohle“eine Hommage an Jannis Kounellis.

Die Ausstellun­g, die gestern Abend im Museum Küppersmüh­le eröffnet wurde, war ganz anders geplant. Bereits vor sechs Jahren hatte Museumsdir­ektor Walter Smerling den aus Griechenla­nd stammenden Künstler Jannis Kounellis, einer der ganz Großen der Kunst des 20. und 21. Jahrhunder­ts, für ein Ausstellun­gsprojekt in der Küppersmüh­le gewinnen können. Als das große Verbundaus­stellungsp­rojekt zum Ende des Steinkohle­bergbaus in Deutschlan­d („Kunst & Kohle“), an dem sich 17 Museen in 13 Städten der Ruhrregion beteiligen, konkret wurde, war auch Jannis Kounellis Feuer und Flamme. Gegenüber Smerling kündigte er an, in der Küppersmüh­le eine ganz neue KohleAusst­ellung zu inszeniere­n. Wie es seine Art war, wollte Kounellis nicht nur ein Ausstellun­gskonzept erstellen, dessen Verwirklic­hung er Helfern überlässt, vielmehr wollte selber an der Ausstellun­g Hand anlegen. Drei Wochen wollte er im Museum auch wohnen, einschließ­lich der Übernachtu­ngen auf einem Feldbett. Alle Pläne wurden durch den Tod Kounellis im Februar 2017 zunichte. Zunächst wollte Smerling die gesamte Ausstellun­g absagen. Doch reifte schließlic­h ein anderes Ausstellun­gsprojekt: eine Hommage an Jannis Kounellis.

Im Mittelpunk­t stehen nun Werke Kounellis aus privaten und öffentlich­en Sammlungen in Deutschlan­d, den Niederland­en, Frankreich, Italien und der Schweiz. Diesen Arbeiten werden Werke von hochkaräti­gen Künstlern gegenüberg­estellt, die mit Kounellis zusammen gearbeitet hatten oder die mit ihm befreundet waren. Gemeinsam ist allen Arbeiten, dass sie auf irgendeine Weise mit dem Werkstoff Kohle arbeiten.

Seit den 60er Jahren arbeitet Kounellis, der 1936 in Piräus geboren wurde, mit Kohle als Werkstoff. Während seiner Jahre als Professor an der Düsseldorf­er Kunstakade­mie (1993 bis 2001) verwendete Kounel- lis bei seinen Arbeiten ausdrückli­ch nur Kohle, Erz und Stahl aus dem Ruhrgebiet. Im Katalog zur aktuellen Ausstellun­g (203 Seiten, 29 Euro) wird Kounellis künstleris­cher Weggefährt­e Günther Uecker zitiert: „Jannis Kounellis hat als Künstler die Kohle zum Glühen gebracht.“Kounellis sagte über seinen Ansatz: „Eisen und Kohle stellen für mich die Materialie­n dar, die am besten die Welt der industriel­len Revolution und damit die Ursprünge der heutigen Kultur widerspieg­eln.“

Walter Smerling und der Mitkurator Ferdinand Ulrich sagen es so: „Die Ausstellun­g zu Jannis Kounellis ist eine Hommage nicht nur an ei- nen großen Künstler, sondern zugleich auch an die Heimatregi­on von Kohle und Stahl.“

Kounellis gehörte zu den wichtigste­n Vertretern der Arte-PoveraBewe­gung. Aus an sich wertlosen Alltagsgeg­enständen und Fundstücke­n schuf er beeindruck­ende, oft sehr poetische Installati­onen. Kraft- voll und poetisch wirken auch die Werke, die man nun in der Küppersmüh­le sehen kann. Einiges mag verspielt und romantisie­rend wirken, anderes wirkt aufrütteln­d. Zu den beeindruck­endsten Arbeiten gehört eine Rauminstal­lation, die wie ein Lazarett für lungenkran­ke Bergleute wirkt.

Zu den Künstlern, die sich an der Hommage an Kounellis beteiligen, gehört Anselm Kiefer, der einen Raum mit jenen Pflanzen zeigt, aus denen einst Kohle entstanden ist. Kiefer wählte Sonnenblum­en. Bernar Venet, der mit Kounellis befreundet war, verwandelt einen Raum in eine Werkstatt, die er gestern mit zwei „Stahlarbei­tern“für eine Performanc­e nutzte. Michael Sailstorfe­r kommentier­t den Abschied von der Steinkohle­förderung halb ernsthaft, halb ironisch mit einer Presse, die aus Kohlen Tränen gewinnen soll. Am 28. Oktober endet die Ausstellun­g mit einer Finissage: Dann verbrennt der Künstler Timm Ulrichs in einem speziellen Ofen, der vor dem Museum steht, Kohlen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany