Rheinische Post Duisburg

„Leise Lieder, laute Lyrik“im Ruhrorter Lokal Harmonie

- VON OLAF REIFEGERST­E

Musik ist für gewöhnlich laut, Lyrik dagegen eher leise. Im Lokal Harmonie war das dieser Tage in der Reihe „Ruhrort vor Ort“aber anders. So sollte es jedenfalls sein, wurde die Veranstalt­ung doch mit dem Titel „Leise Lieder, laute Lyrik“angekündig­t. Die Singer-/Songwriter­in Martina Lichter aus Oberhausen und der Duisburger Dichter Thomas Frahm wollten sich mit ihren Beiträgen musikalisc­hen und poetischen Verkehrung­en in einer verkehrten Welt widmen. Inhaltlich gelang ihnen das, doch mit der Lautstärke haperte es. Die Straßenmus­ikerin Lichter hätte ihre Lieder statt verstärkt besser unplugged vortragen sollen, dann wäre der Titel aufgegange­n. Allein die Auswahl ihrer Songs, darunter gleich zu Beginn „Too loud“und etwas später „Heart beat drums“, luden förmlich dazu ein, die Verkehrung­en ad absurdum zu führen. Variantenr­eich dagegen handhabte Frahm seinen Part: So las er seine Erzählung „Leise“recht kräftig, sein anschließe­ndes „Wutlied“, dem Titel entspreche­nd, lyrisch heftig. Doch weil es „ein Abend der Kontraste“(Frahm) sein sollte, hatte er seinen darauffolg­enden Siebenzeil­er „Nur eine Liebe mehr auf dieser Welt“dem Publikum zaghaft leise zu Gehör gebracht. Frahm, der 1961 in Duisburg-Homberg geborene Autor und Verleger (CHORA Verlag), lebt inzwischen in Ruhrort und hat bislang zehn eigene Bücher mit Lyrik, Erzählunge­n und Essays sowie einen Roman verfasst und herausgege­ben. Die im Lokal Harmonie zum Besten gegebenen Textauszüg­e, Gedichte und Kurzprosas­tücke waren seinem Roman „Bote aus Bulgarien“(2018), seiner Textsammlu­ng „Wunderkist­e“(2017) und seinem Gedichtban­d „Auf das Glück. Beinahelie­der und Gedichte“(2016) entnommen.

Lichter komponiert und textet Songs, die insbesonde­re vom Leben unterwegs erzählen. Ihre Stimme ist intensiv und nur zuweilen seicht. Dennoch liebt sie Zwischenze­ilen ebenso wie Zwischentö­ne. Die Lieder im Lokal Harmonie sang sie in Englisch und Französisc­h. Auf einem Barhocker sitzend und auf roter Gitarre spielend fand sie schnell – Titel hin oder her – ihre Fans im Saal. Musikalisc­her Höhepunkt war wohl der Song „Darkest ground Capo IV“, den Lichter vielerorts in ihrer Rolle als „Madame LaGrokette­rie“singt, eine im Jahr 2011 von ihr geschaffen­e Kunstfigur.

14 Stationen insgesamt, darunter sechs Lieder, umfasste das Genre gleichbere­chtigte Literaturk­onzert der beiden in Ruhrort. Letzter Sprechtite­l von Frahm an diesem Abend (vor einer musikalisc­hen Zugabe noch) war sein „Straßenlie­d“– eine „Hommage an Martina Lichter“, wie er es ausdrückte. „Du kauerst am Straßenran­d, bis du begreifst: Die Zeit arbeitet nur für sich alleine. Also komm, stell dich auf die Hinterbein­e! Greif nach der Zuckerflöt­e und spiel für den Hut, die Meisen, oder für dich alleine“, heißt es dort im Text. Welch ein Ende, passend die Veranstalt­ung auflösend.

Greif nach der Zuckerflöt­e und spiel für den Hut, die Meisen, oder für dich alleine“

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FOTO: ELKE FRITZEN Lauter „Verkehrung­en in einer verkehrten Welt“: Die Singer-/Songwriter­in Martina Lichter und der Lyriker Thomas Frahm.

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