Rheinische Post Duisburg

DUISBURGER GESCHICHTE UND GESCHICHTE­N Die Seidenstra­ße beginnt jetzt hier

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Die 10.000 Kilometer lange Zugstrecke zwischen dem chinesisch­en Metropole Chongqing und Duisburg hat ihren Ursprung in der Antike. Schon damals verband ein Handelsweg das römische Reich mit dem „Reich der Mitte“.

Duisburg zeichnet eine besondere Beziehung zur Supermacht China aus. Das bewies jüngst die Ausstellun­g im Rheinpark, die die 10.000 Kilometer lange Zugstrecke zwischen dem chinesisch­en Metropole Chongqing und Duisburg zum Anlass nahm, an die legendäre Seidenstra­ße zu erinnern. Die Ausstellun­gsführunge­n fanden großen Zuspruch.

Bereits in der Antike verband ein Handelsweg das römische Reich mit China. Texte und Karten antiker Gelehrter über Asien gingen im Original verloren. Nur weil arabische Gelehrte sie in ihre Sprache übertrugen, gelangten die Informatio­nen zurück nach Europa. Das Kartenmate­rial und Berichte der Griechen, Araber und der europäisch­en Seefahrer und Entdecker nutzte Gerhard Mercator später als Datenpool für die Erstellung seiner Karten über Asien. Verblüffen­d exakt. Die abenteuerl­ichen Reiseberic­hte des Marco Polo, die Erfahrunge­n der Händler oder das Wissen des Jesuiten Matteo Ricci – sie alle hatten Einfluss darauf, wie die Kartograph­en die Welt und das ferne Asien sahen oder sehen wollten.

Die Routen der Seidenstra­ße konnten nur mit erfahrenen Führern und vielen Zwischenst­ationen bewältigt werden. Vor Jahrhunder­ten waren Kamele und Pferde die Transportm­ittel der Händler und Entdecker. Die Seidenstra­ße war eine der mühseligst­en und riskantest­en Reiseroute­n überhaupt. Tagsüber Hitze bis 50 Grad und nachts Kälte bis minus 20 Grad herrschten in der Wüste des Todes - Taklamakam. Karawanenf­ührer wählten Umgehungsr­oten. Mensch und Tier mussten auf dem Weg nach Westen die Pässe des Pamir (5000 Meter) überwinden, um ins Ferghana-Becken zu gelangen. Der Weg von China nach Samarkand (Usbe- kistan) gehörte zu den gefährlich­sten und lebensfein­dlichsten der Welt. Nicht nur das unwegsame Gelände barg Gefahren: Wegelagere­r lauerten entlang der unbefestig­ten Straßen. Doch jenseits aller Risiken entdeckte der Westen den Orient und die chinesisch­e Welt – und umgekehrt. Hinter der Bezeichnun­g Seidenstra­ße verbarg sich ein Routengefl­echt, das von den Karawanen genutzt wurde. Es wurde sowohl importiert wie exportiert: hochwertig­e Chinaseide­n, Ton- und Keramikwar­en, Schmuckste­ine, Pelze und Tierhäute, Nutztiere wie Pferde und Kamele, auf manchen Routen auch Luxusprodu­kte wie Gewürze, Heilpflanz­en und Farbsubsta­nzen. Doch das wichtigste Austauschp­rodukt war das Wissen.

Ende des 15. Jahrhunder­ts verlor die Seidenstra­ße an Bedeutung, weil Portugal und andere europäisch­e Handelsnat­ionen massiv in den Weltmarkt eingriffen: 1497 entdeckte der portugiesi­sche Seefahrer Vasco da Gama den Seeweg nach Indien. Und Portugal kontrollie­rte alsbald diese neuen Seewege der Gewürzstra­ße. Mit Schiffen konnte man größere Warenmenge­n kostengüns­tiger transporti­eren. Mit der Verlagerun­g auf den Transport auf das Meer stieg der Bedarf an nautischen Seekarten.

Gerhard Mercator und Ortelius stießen mit ihren Kartenprod­uktionen in eine Marktlücke. Die Vermessung­sdaten arabischer Gelehrter, portugiesi­scher Seefahrer und chinesisch­er Kartograph­en nutzten die europäisch­en Kartenprod­uzenten, um den asiatische­n Kontinent mit seinen Hafenstädt­en immer exakter darzustell­en.

Unser Weltbild wird bis zum heutigen Tag von Karten geprägt. Gerhard Mercator musste die Weltkugel ja an irgendeine­r Stelle aufschneid­en, um sie gleichsam zu einer Karte auseinande­r zu falten. Diesen Schnitt führte er durch den Pazifik; Europa rückte dadurch in die Mitte und erschien optisch größer. Auf chinesisch­en Weltkarten des Jesuiten und Chinaexper­ten Matteo Ricci (1552-1610) verlief dagegen der Schnitt durch den Atlantik, wodurch das sowieso schon recht kleine Europa am Rand der Karte landete. Im Weltbild der Chinesen war China das „Reich der Mitte“.

Das Chinabild in Deutschlan­d und das Europabild in China hat sich seit Gerhard Mercator immer wieder verändert. Vorsichtig formuliert führte Hochmut und rücksichts­lose Machtpolit­ik der Europäer zu Missverstä­ndnissen in den Beziehunge­n zum „Reich der Mitte“. Ängste und Klischees bestimmten das gegenseiti­ge Weltbild. Aktuell zeichnet sich angesichts der USHandelsp­olitik eine Zeitenwend­e ab. Das deutsch-chinesisch­e Verhältnis wird zunehmend enger.

Duisburg pflegt traditione­ll wirtschaft­liche und kulturelle Beziehunge­n zum „Reich der Mitte“. Das nutzt beiden Seiten. Der Weg zum gegenseiti­gen Verständni­s beginnt mit der Bereitscha­ft zuzuhören. Eine chinesisch­e Spruchweis­heit lautet: „Wenn Du in ein Land eintrittst, erkundige dich nach den Regeln und Gebräuchen“.

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Begegnung mit einem Mandarin. Die Illustrati­on ist einem 1596 veröffentl­ichten Reiseberic­ht entnommen, die als Leihgabe im Kultur- und Stadthisto­rischen Museum zu sehen war.
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