Abendlob mit englischen Titeln
Die beliebte Reihe Evensong in der Christuskirche war eher spärlich besucht.
HOCHEMMERICH (sado) Vielleicht wäre es in der evangelischen Christuskirche voller geworden, wenn man das Top-WM-Spiel Spanien gegen Portugal mit Live-Musik untermalt auf einer Großleinwand gezeigt hätte. Ja, vielleicht. Wie es der Kirchenmusiker Stephan Graf von Bothmer in der Mainzer Altmünsterkirche in einem Gottesdienst vor überfüllten Kirchenbänken getan hatte, jede Szene live improvisatorisch untermalte und dabei Ronaldos Dreierpack musikalisch begleitete – und die Gläubigen am Ende den Segen des Fußballgottes erhielten. So blieb das Kirchenschiff leider ziemlich leer, nur etwa 20 Gläubige verirrten sich beim Evensong in die Christuskirche. Doch dabei ist dieser Gottesdienst nach Anglikanischem Vorbild ein von Kantor Jürgen Kuns seit drei Jahren betriebenes Schmankerl und beispiellos in der Region. Es handelt sich beim Evensong um einen Abendgottesdienst, der hauptsächlich mit englischen Titeln gesungen wird und man verzichtet auf lange Predigten, lediglich zwei Lesungen aus dem Alten und Neuen Testament werden gesprochen. Kurz und knapp lässt sich der Evensong also auf eine Halbzeit eines WM-Spiels komprimieren.
Jürgen Kuns legte an der Orgel schwungvoll los mit der Fanfare von Nicolas Jaques Lemmens, die eine eingängige, ja fast schon hymnenartige Tonfolge mit sich brachte. Lemmens war ein belgischer Organist und Komponist der Romantik, der sich mit der Wiederherstellung des Gregorianischen Chorals in seinen Werken beschäftigte und diese Elemente dort einfließen ließ, was die Gäste auch heraushören konnten.
Bestandteil eines jeden Evensongs müssen ein Magnificat und ein Nunc Dimittis sein. Beide stammten dieses Mal von dem barocken englischen Großmeister Henry Purcell. Die Kantorei Rumeln-Kaldenhausen und der Christuskirche sangen diese beiden Werke mit dem erforderlichen Impetus, schön verschlungen, wenn es kanonartig in den Stücken wurde. Begleitet wurden die etwa 25 Sänger und Sängerinnen von der Organistin Birgit Bösken, während Jürgen Kuns den Chor dirigierte.
Die Zuhörer merkten schnell, dass Henry Purcell in seinen eigentlich barocken Werken schon musikalische Elemente der Romantik vorwegnahm, so träumerisch kamen das Magnificat und Nunc Dimittis daher. „Glory to the father and to the son“sangen die Kantoreimitglieder mal schwelgerisch darin. Als ebenfalls sehr eingängig erwies sich das „Cantabile“von Nicholas Jacques Lemmens, das Jürgen Kuns wieder solo an der Orgel einspielte, bevor dann ein eher moderner Choral „Alle Dinge dieser Welt“von John Rutter spannungsgeladen von der Kantorei dargeboten wurde. Nach den Fürbitten und dem gemeinsam gesprochenen Glaubensbekenntnis sangen Chor und Gemeinde das Lied „Brunn allen Heils, dich ehren wir“. Danach gab es den Segen – nicht nur vom Fußballgott.
Der Evensong ist ein meist gesungenes Abendlob nach anglikanischem Vorbild. Das Magnificat beschäftigt sich mit dem Besuch Marias wenige Tage nach der Verkündigung der Geburt Jesu durch den Erzengel Gabriel bei ihrer Cousine Elisabeth. Das Nunc Dimittis („Herr, nun lässest du“) ist die Erkenntnis des alten Simeon, der vor seinem Tod noch einmal den Heiland sehen möchte, was dann auch laut Bibel geschieht.