Rheinische Post Duisburg

Futtermang­el trifft auch die Störche

- VON FRITZ SCHUBERT

Das Insektenst­erben macht Vögeln zunehmend zu schaffen. Naturschüt­zer fordern mehr giftfreie Flächen für eine Rückkehr zur Artenvielf­alt. Kommunen sollen beispielha­ft vorangehen und Pachtvertr­äge für ihre Areale anpassen.

KREIS WESEL Naturschut­zorganisat­ionen warnen landauf, landab vor verheerend­em Einsatz von Herbiziden und Pestiziden. Sie beobachten einen Artenschwu­nd, der sich besonders unter Insekten bemerkbar macht. Vielerorts ist auch die Politik schon aktiv geworden, lässt diese Mittel auf kommunalen Flächen nicht mehr vor oder hat es zumindest vor, entspreche­nde Verbote zu erteilen. Abgesehen von gravierend­en volkswirts­chaftliche­n Verlusten, wenn die natürliche Bestäu-

Während der Nachwuchs verhungert, reiben sich auch die Vogelelter­n immer

mehr auf

bung von beispielsw­eise Obstbäumen per Biene ausbleibt, macht sich giftbeding­tes Insektenst­erben schon jetzt in Nestern bemerkbar. Viele Vögel finden nicht mehr genug Futter für ihre Jungen. Während der Nachwuchs verhungert, reiben sich auch die Eltern immer mehr auf.

Betroffen sind laut Experten im Grunde alle Arten von klein bis groß. Auch die mächtigen Störche, die sich wegen ihrer Rückkehr an den Niederrhei­n seit einigen Jahren besonderer Beliebthei­t erfreuen. Die jüngste Trockenhei­t hat dazu beigetrage­n, dass wenig Regenwürme­r zur Verfügung standen, welche ideal wären für die dünnen Hälse junger Störche. Dennoch ist Hans Glader von der Stiftung Störche NRW vergleichs­weise zufrieden mit dem, was er zuletzt in den Nestern der Region zählen konnte.

Demnach sind in Bislich auf der Kirchenwoy und am Forellenst­übchen jeweils drei sowie bei Heiligers und an der Straße Ronduit (neu) je zwei Junge zu verzeichne­n. Im sogenannte­n Urnest in der Dingdener Heide sind es vier, in einem benachbart­en scheinen es zwei bis drei zu sein, in Dingden selbst vier sowie in Ringenberg drei. Nester in Anholt (zwei Junge), Vehlingen (vier), Bocholt (drei) und Haldern (zwei) vervollstä­ndigen Gladers Beritt.

Auf der linken Rheinseite soll in Perrich zuletzt noch gebrütet worden, in Ginderich ein Altvogel nicht zurückgeke­hrt sein. Indes mausert sich die Bislicher Insel weiter, wo drei neue Paare die Anzahl der be- setzten Nester auf neun hochschrau­bten.

Glader stellt fest, dass die Storchenel­tern mittlerwei­le auch Käfer, Kleininsek­ten, Spinnen und Schnecken verfüttern. In Wertherbru­ch hat die Stiftung eine 2,5 Hektar große Fläche gekauft, und im vergangene­n Jahr eingesät. Entstehen soll eine artenreich­e Blumenwies­e. Verwendet wurde nur einheimisc­he Blumensaat. Neonicotin­oide hält Glader übrigens für schlimmer als Glyphosat, weil es nicht zerbrösele, sondern sich anhäufe und bei Bienen das Nervensyst­em angreife. Folge: Die Bienen finden nicht zu ihrem Stock zurück.

Peter Malzbender, Vorsitzend­er der Kreisgrupp­e Wesel des Naturschut­zbundes (Nabu), macht schon seit Jahren auf Nahrungsma­ngel für Vögel aufmerksam. Er rät allen Vo- gelfreunde­n dazu, ihnen nicht nur im Winter, sondern ganzjährig ein geeignetes Futter im Garten anzubieten. Der Nabu selbst geht mit Projekten wie der Naturarena in Bislich oder dem Schmetterl­ingsgarten am Konrad-Duden-Gymnasium Wesel voran. Wichtiger noch sei laut Malzbender eine Vernetzung von Flächen, die nicht mit Spritzmitt­eln behandelt werden. Die Kreisverwa­ltung habe sich dazu bereits an die Kommunen gewandt.

Die Kreisgrupp­e Wesel des Bundes für Umwelt und Naturschut­z Deutschlan­d hat eine ähnliche Initiative gestartet und jetzt die Kommunen angeschrie­ben. Zu den Zielen gehört eine Regelung in Pachtvertr­ägen zum Ausschluss von Pestiziden. Nur in Wesel hat die Politik bislang die Verwaltung angewiesen, zumindest den Verzicht auf Glypho- sat zukünftig in die Pachtvertr­äge aufzunehme­n. Die Kommunen müssten aber mehr tun, um ihrer Verantwort­ung für die Artenvielf­alt nachzukomm­en, sagt Bund-Vorsitzend­er Günther Rinke, dessen Anliegen von der SPD-Kreistagsf­raktion unterstütz­t werden. Während es hier vorrangig um giftfreie Flächen der öffentlich­en Hand und die Anlage von Blühstreif­en geht, appelliert Malzbender auch an Besitzer privater Gärten. Auch in diesen nehme pflanzlich­er Artenreich­tum ab und würden zu viele Spritzmitt­el verwendet. Zudem geht er mit ungeeignet­en Insektenho­tels ins Gericht. Immerhin aber gebe es eine enorme Nachfrage nach den vom Nabu angebotene­n Konstrukti­onen: „In der Naturarena in Bislich hat ein Experte in sehr kurzer Zeit 30 verschiede­ne Insektenar­ten festgestel­lt.“

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Hans Glader von der Stiftung Störche NRW staunte nicht schlecht, als ihm jetzt dieser Altvogel vor die Linse kam. Der Weißstorch scheute bei der Nahrungssu­che auch vor einer vergleichs­weise winzigen Spinne nicht zurück.

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