Motivierte Migranten als Mitschüler
Im ersten Jahrgang der Bäcker-Azubis am Berufskolleg Dinslaken sind mehr als die Hälfte der Schüler Flüchtlinge – und begeistern mit ihrer Lerneinstellung.
DINSLAKEN Als Lehrer Manfred Wystup vom Berufskolleg Dinslaken einen ersten Blick auf die Namensliste seiner neuen Bäcker-Azubis warf, war er zunächst etwas skeptisch. „Ich habe gesehen, dass neun der 17 Schüler Flüchtlinge sind und habe damit gerechnet, dass das schwierig werden könnte“, sagt er. Mittlerweile freut er sich darauf, in der Klasse unterrichten zu dürfen. „Es macht mir richtig Spaß, weil die Auszubildenden so motiviert sind“, sagt er. In der Klasse der Bäckerei-Auszubildenden im ersten Lehrjahr sitzen neben acht deutschen Schülern auch Menschen aus Syrien, Pakistan, Irak, Guinea, Bangladesch und Afghanistan.
Das sorgt am Anfang natürlich erstmal für Sprachprobleme. „Bei Klassenarbeiten bekam ich von ei- nigen nur leere Blätter zurück, weil sie die Aufgaben nicht richtig verstanden hatten“, sagt Manfred Wystup. „Aber inzwischen hat sich das alles deutlich verbessert und mittlerweile schreiben einige der Flüchtlinge bessere Arbeiten, als die deutschen Auszubildenden“, sagt der Lehrer.
Dass es mit der Sprache mittlerweile so gut funktioniert, ist sicher auch auf die spezielle Förderung durch die Schule zurückzuführen. „Sie bekommen zwei Stunden pro Woche extra Förderunterricht in Deutsch hier an der Schule“, sagt Manfred Wystup. „Außerdem gibt es die Möglichkeit, ausbildungsbegleitende Hilfen in Anspruch zu nehmen, wenn es an einer gewissen Stelle hapert, wie bei den Deutschkenntnissen“, sagt der Klassenlehrer der Bäckerei-Azubis. Dass die meisten der Flüchtlinge nun sehr gut Deutsch können und auch bei den praktischen Inhalten der Ausbildung an der Schule sehr gut abschneiden, findet der Lehrer erstaunlich. „Sie sind wirklich unheimlich motiviert“, sagt er.
Für viele der Migranten ist die Ausbildung eine Chance. Nicht nur darauf, erstmal in Deutschland zu bleiben und vielleicht auch dauerhaft hier eine Zukunft aufzubauen. „Auch wenn sie wieder in ihre Heimatländer zurückkehren sollten, ist eine abgeschlossene Ausbildung in Deutschland viel wert“, sagt Florian Eckert, der stellvertretende Schulleiter des Berufskollegs.
Dabei machen sich die Flüchtlinge nicht nur in der Schule ganz gut, sondern auch in den Betrieben. „Wir haben derzeit zwei Auszubildende aus Bangladesch bei uns und die sind sehr motiviert dabei“, sagt Klaus Becker, Geschäftsführer der Dinslakener Traditionsbäckerei Schollin. „Sie haben einfach Lust zu Arbeiten, sind motiviert und damit auch leicht zu integrieren“, sagt er. Denn einfache Aufgaben könnten die Migranten auch nach kurzer Anleitung erstmal ohne große Deutschkenntnisse erledigen. „Wenn jemand Lust hat, zu arbeiten, dann sieht man das“, sagt Becker. Ahamad Jahangir ist einer von zwei Auszubildenden aus Bangladesch, die gerade bei Schollin ihre Lehre absolvieren. „Ich habe auch schon früher als Bäcker gearbeitet, allerdings ohne Ausbildung“, sagt der 31-Jährige. Er machte bei Schollin zuerst ein Praktikum und wurde dann als Lehrling angenommen. Dabei war er direkt vom Warenangebot der Bäckerei fasziniert. „Ich habe noch nie zuvor so viele unterschiedliche Brotsorten gesehen wie hier“, sagt er. Auch für ihn war die Sprache am Anfang das große Problem. „Ich habe erst nicht verstanden, was man von mir möchte. Aber das hat sich schnell gebessert“, sagt Jahangir. Er würde gerne auch nach der Ausbildung weiter in der Dinslakener Bäckerei arbeiten. „Ich habe da schon viele gute Freunde gefunden und die Arbeit im Team macht mir Spaß“, sagt der 31-jährige Auszubildende aus Bangladesch. „Das sind genau die Fachkräfte, die uns fehlen“, sagt Johannes Gerhards, Obermeister der Bäckerinnung Niederrhein. „Es wäre natürlich sehr schade, wenn die hier ausgebildeten Flüchtlinge wieder zurück in ihre Heimat müssten“, sagt er. „Auch wenn es für ihre jeweiligen Heimatländer vielleicht ganz gut wäre.“Für die Klasse am Berufskolleg und ihre Unternehmen sind die Auszubildenden aus dem Ausland auf jeden Fall ein Gewinn.
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