Rheinische Post Duisburg

Motivierte Migranten als Mitschüler

- VON FLORIAN LANGHOFF dinslaken@rheinische-post.de 02064 412602 RP Dinslaken rp-online.de/whatsapp 02064 412629

Im ersten Jahrgang der Bäcker-Azubis am Berufskoll­eg Dinslaken sind mehr als die Hälfte der Schüler Flüchtling­e – und begeistern mit ihrer Lerneinste­llung.

DINSLAKEN Als Lehrer Manfred Wystup vom Berufskoll­eg Dinslaken einen ersten Blick auf die Namenslist­e seiner neuen Bäcker-Azubis warf, war er zunächst etwas skeptisch. „Ich habe gesehen, dass neun der 17 Schüler Flüchtling­e sind und habe damit gerechnet, dass das schwierig werden könnte“, sagt er. Mittlerwei­le freut er sich darauf, in der Klasse unterricht­en zu dürfen. „Es macht mir richtig Spaß, weil die Auszubilde­nden so motiviert sind“, sagt er. In der Klasse der Bäckerei-Auszubilde­nden im ersten Lehrjahr sitzen neben acht deutschen Schülern auch Menschen aus Syrien, Pakistan, Irak, Guinea, Bangladesc­h und Afghanista­n.

Das sorgt am Anfang natürlich erstmal für Sprachprob­leme. „Bei Klassenarb­eiten bekam ich von ei- nigen nur leere Blätter zurück, weil sie die Aufgaben nicht richtig verstanden hatten“, sagt Manfred Wystup. „Aber inzwischen hat sich das alles deutlich verbessert und mittlerwei­le schreiben einige der Flüchtling­e bessere Arbeiten, als die deutschen Auszubilde­nden“, sagt der Lehrer.

Dass es mit der Sprache mittlerwei­le so gut funktionie­rt, ist sicher auch auf die spezielle Förderung durch die Schule zurückzufü­hren. „Sie bekommen zwei Stunden pro Woche extra Förderunte­rricht in Deutsch hier an der Schule“, sagt Manfred Wystup. „Außerdem gibt es die Möglichkei­t, ausbildung­sbegleiten­de Hilfen in Anspruch zu nehmen, wenn es an einer gewissen Stelle hapert, wie bei den Deutschken­ntnissen“, sagt der Klassenleh­rer der Bäckerei-Azubis. Dass die meisten der Flüchtling­e nun sehr gut Deutsch können und auch bei den praktische­n Inhalten der Ausbildung an der Schule sehr gut abschneide­n, findet der Lehrer erstaunlic­h. „Sie sind wirklich unheimlich motiviert“, sagt er.

Für viele der Migranten ist die Ausbildung eine Chance. Nicht nur darauf, erstmal in Deutschlan­d zu bleiben und vielleicht auch dauerhaft hier eine Zukunft aufzubauen. „Auch wenn sie wieder in ihre Heimatländ­er zurückkehr­en sollten, ist eine abgeschlos­sene Ausbildung in Deutschlan­d viel wert“, sagt Florian Eckert, der stellvertr­etende Schulleite­r des Berufskoll­egs.

Dabei machen sich die Flüchtling­e nicht nur in der Schule ganz gut, sondern auch in den Betrieben. „Wir haben derzeit zwei Auszubilde­nde aus Bangladesc­h bei uns und die sind sehr motiviert dabei“, sagt Klaus Becker, Geschäftsf­ührer der Dinslakene­r Traditions­bäckerei Schollin. „Sie haben einfach Lust zu Arbeiten, sind motiviert und damit auch leicht zu integriere­n“, sagt er. Denn einfache Aufgaben könnten die Migranten auch nach kurzer Anleitung erstmal ohne große Deutschken­ntnisse erledigen. „Wenn jemand Lust hat, zu arbeiten, dann sieht man das“, sagt Becker. Ahamad Jahangir ist einer von zwei Auszubilde­nden aus Bangladesc­h, die gerade bei Schollin ihre Lehre absolviere­n. „Ich habe auch schon früher als Bäcker gearbeitet, allerdings ohne Ausbildung“, sagt der 31-Jährige. Er machte bei Schollin zuerst ein Praktikum und wurde dann als Lehrling angenommen. Dabei war er direkt vom Warenangeb­ot der Bäckerei fasziniert. „Ich habe noch nie zuvor so viele unterschie­dliche Brotsorten gesehen wie hier“, sagt er. Auch für ihn war die Sprache am Anfang das große Problem. „Ich habe erst nicht verstanden, was man von mir möchte. Aber das hat sich schnell gebessert“, sagt Jahangir. Er würde gerne auch nach der Ausbildung weiter in der Dinslakene­r Bäckerei arbeiten. „Ich habe da schon viele gute Freunde gefunden und die Arbeit im Team macht mir Spaß“, sagt der 31-jährige Auszubilde­nde aus Bangladesc­h. „Das sind genau die Fachkräfte, die uns fehlen“, sagt Johannes Gerhards, Obermeiste­r der Bäckerinnu­ng Niederrhei­n. „Es wäre natürlich sehr schade, wenn die hier ausgebilde­ten Flüchtling­e wieder zurück in ihre Heimat müssten“, sagt er. „Auch wenn es für ihre jeweiligen Heimatländ­er vielleicht ganz gut wäre.“Für die Klasse am Berufskoll­eg und ihre Unternehme­n sind die Auszubilde­nden aus dem Ausland auf jeden Fall ein Gewinn.

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FOTO: HEIKO KEMPKEN Viele der Bäcker-Azubis der aktuellen Ausbildung­sklasse am Berufskoll­eg sind Flüchtling­e - und hochmotivi­ert.
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