Kein Kuhhandel um die Rente
Die Rente droht zu einem Thema zu werden, das die Gesellschaft spaltet.
Die politische Kultur in Deutschland zeichnete sich bislang dadurch aus, dass große Fragen der Sozialpolitik stets im Konsens gelöst wurden. Anders als etwa in Frankreich haben Arbeitgeber und Gewerkschaften gute Gesprächsdrähte und können in Krisenlagen Kompromisse finden. So kam Deutschland etwa mit dem Kurzarbeitergeld weitgehend unbeschadet durch die schwache Auftragslage infolge der globalen Finanzkrise 2008. Auch für die langfristige Planung der Rentenversicherung, die vor allem die Entwicklung der Bevölkerung berücksichtigen muss, werden traditionell überparteiliche Kommissionen gebildet, in der auch Wissenschaftler, Gewerkschaften und Arbeitgeber sitzen. Eine solche Kommission gibt es auch jetzt, und die Zukunftsplanung der Rente muss von einer breiten gesellschaftlichen Debatte begleitet werden. Doch die Alterssicherung droht zum politischen Kampfthema zu werden. Die aktuelle Rentenreform, an der man viel Kritik üben kann, findet sich plötzlich auf dem politischen Basar wieder, auf dem es auch um Arbeitslosenversicherung, Weiterbildung und anderes geht. Ein solch großer Kuhhandel ist nicht sachgerecht. Der anstehenden Rentenreform, die Beitragshöhen und Rentenniveau für mehr als 20 Jahre festlegen soll, droht nun eine Debatte, die mehr vom Heischen nach schnellen Effekten als von einer ernsthaften Debatte dominiert wird. Es wäre aber fatal, wenn nach der Flüchtlingskrise die Rente zum nächsten großen Spaltpilz in der Gesellschaft würde: Alt gegen Jung, Steuerzahler gegen Beitragszahler, Arbeitnehmer gegen Beamte. Die Rente ist immer noch das wichtigste Alterssicherungssystem und damit eine existenzielle politische Frage. Leere Versprechen und ein Wettbewerb der Forderungen zahlen am Ende nur bei den rechten und linken Populisten ein.
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