Rheinische Post Duisburg

Städte suchen Straßenbäu­me der Zukunft

Die Sommer werden auch in NRW immer trockener und heißer. Gleichzeit­ig bleibt der Frost im Winter. Straßenbäu­me leiden unter den Extremen. Daher suchen Städte und Forscher nach Hölzern, die diesem Wetter besser standhalte­n.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Es gibt Bäume, die brauchen nach der Aussaat mindestens 16 Jahre, ehe sie an ihrem Bestimmung­sort stehen. Einer Straßenkre­uzung. Einer Allee. In einem Stadtpark. Oder in einer Fußgängerz­one. „Daher müssen wir heute schon sicher sein, welche Sorten in 15 oder 20 Jahren in den Städten gefragt sein werden, um diese dann liefern zu können“, sagt Ingo Drautzburg von der Baumschule Ley in Meckenheim, die weltweit Städte mit Straßenbäu­men beliefert. In Zeiten des Klimawande­ls sei das eine große Herausford­erung – insbesonde­re in Deutschlan­d und Nordrhein-Westfalen. Der Grund: die besonderen klimatisch­en Bedingunge­n. Im Sommer wird es zunehmend trockener und heißer. Gleichzeit­ig bleiben aber die kalten Winter mit hohen Minustempe­raturen. „Diesen Extremen müssen die Bäume standhalte­n. Wir können also nicht einfach Bäume aus Südspanien oder Palmen pflanzen, weil diese im Winter erfrieren würden.“

Durch Frost- und Hitzeperio­den werden die bekannten Stadtbäume wie Kastanien und Ahorn-Sorten anfälliger für Krankheite­n und Schädlinge. Denn Dürre allein zwingt die Bäume nicht in die Knie. „Anders als von vielen erwartet, hat es in diesem Sommer kein Baumsterbe­n gegeben. Fast alle haben sich von der Trockenhei­t gut und schnell erholt“, sagt Drautzburg. „Nur Bäume, die schon krank gewesen sind, sind durch die Hitze eingegange­n“, sagt Bernhard Rüb, Sprecher der Landwirtsc­haftskamme­r NRW. Besonders die Kastanie scheint als Straßenbau­m ausgedient zu haben. „Die ist einfach zu anfällig“, sagt Rüb. In Düsseldorf etwa hat sich im Laufe des Sommers der Zustand vieler Kastanien verschlech­tert: „Von den insgesamt 87 Exemplaren entwickelt­en sich lediglich neun Bäume positiv, während sich bei 33 Bäumen der Zustand verschlech­tert hat“, heißt es beim städtische­n Gartenamt. Betroffen sind unter anderem die über die Stadtgrenz­en hinaus bekannten Rosskastan­ien auf der Ostseite der Königsalle­e. Als Ersatz werden Silberlind­en (Tilia tomentosa „Szeleste“) gepflanzt. „Es handelt sich hierbei um ausgesproc­hen gut geeignete Bäume mit Alleechara­kter für Straßen und Plätze“, so ein Sprecher. Die „Szeleste“sei als Zukunftsba­um in Düsseldorf gelistet, werde etwa 20 bis 25 Meter hoch, sei stadtklima­fest und vertrage im Vergleich zu anderen Lindenarte­n längere Bodentrock­enzeiten. „Ein weiterer Vorteil ist, dass durch diese Linde kein störender klebriger Honigtau hervorgeru­fen wird“, sagt der Sprecher.

Der Landesbetr­ieb Straßen NRW registrier­t seit einiger Zeit zunehmende Rissbildun­gen an Stämmen von Straßenbäu­men. Besonders betroffen seien Ahorn und Linde, die zum Teil erhebliche Schäden im Bereich der Stämme aufweisen würden. „Wir führen das auf intensive Sonneneins­trahlung zurück“, so ein Sprecher. Dadurch könnte das Rindengewe­be absterben. „Durch große Temperatur­unterschie­de im Stamm entstehen Spannungen, die, wenn sie zu groß werden, zum Aufreißen der Rinde führen“, erklärt der Sprecher.

Bundesweit suchen Forscher nach alternativ­en Baumarten, die das Stadtklima der Zukunft besser vertragen sollen. Am weitesten ist man in Bayern. „Bäume im Zeichen des Klimawande­ls“heißt eine Forschungs­arbeit der Bayerische­n Landesanst­alt für Weinbau und Gartenbau (LWG). In der Expertise, die unserer Redaktion vorliegt, heißt es, dass in den vergangene­n Jahren verstärkt enorme Probleme im Krankheits­bereich bei einzelnen Hauptbauma­rten wie Kastanien, Ahorn, Eschen, Platanen, Eichen und Weißdorn aufgetrete­n seien, die zum einen auf die Erderwärmu­ng und zum anderen auf die Globalisie­rung im Handel mit Gehölzen zurückzufü­hren seien. In einigen Fällen würden die Bäume so stark leiden, dass sie den ästhetisch­en Ansprüchen an einen Straßenbau­m nicht mehr genügten (Kastanien), zu einer Gefährdung für Menschen durch Astbrüche werden oder gänzlich absterben. Das sei eine besorgnise­rregende Entwicklun­g, vor der man die Augen nicht verschließ­en dürfe, urteilen die Forscher in dem Bericht.

Bei der Auswahl künftiger Straßenbäu­me gibt es in der Forschung zwei Strömungen. Während die einen auf regionale Baumsorten setzen, hält die andere Seite nichts davon. Zu den Gegnern gehört auch Ingo Drautzburg. Die pauschale Ablehnung nicht einheimisc­her Arten sei bei städtische­n Pflanzunge­n nicht zielführen­d, sagt er. Es würden in Zukunft vermutlich die Bäume hierzuland­e gut wachsen, die aus Klimaregio­nen kommen, wo es schon immer im Winter vergleichs­weise kalt und im Sommer trocken und heiß gewesen ist. Künftige Straßenbäu­me in Deutschlan­d könnten daher aus dem südosteuro­päischen Mittelmeer­raum und dem Kaukasus kommen, wo es die entspreche­nden Klimaräume gibt. „Ich persönlich favorisier­e einen nordamerik­anischen Amberbaum“, sagt Drautzburg.

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FOTO: BAUER Kastanienb­äume haben als Straßenbau­m ausgedient. Sie sind zu anfällig für Krankheite­n.

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