Rheinische Post Duisburg

„Die Welt ist defizitäre­r denn je“

Am Donnerstag erscheint die Fortsetzun­g vom „Hundertjäh­rigen“. Der Autor selbst erklärt, warum.

-

Ich bin Jonas Jonasson, und ich habe das Gefühl, ich bin Ihnen vielleicht mal eine Erklärung schuldig. Eine Fortsetzun­g der Geschichte des hundertjäh­rigen Mannes, der aus dem Fenster stieg und verschwand, war nie geplant. Viele Leute wünschten sich eine, nicht zuletzt der Protagonis­t selbst, Allan Karlsson, der mir weiter durch den Kopf geisterte und bei jeder möglichen und unmögliche­n Gelegenhei­t auf sich aufmerksam machte. „Herr Jonasson“, konnte er aus heiterem Himmel anfangen, wenn ich gerade mit meinen eigenen Gedanken beschäftig­t war. „Haben Sie es sich schon anders überlegt, Herr Jonasson? Möchten Sie nicht doch noch eine Runde nachlegen, bevor ich so richtig alt bin?“Nein, wollten wir nicht. Ich hatte schon alles gesagt, was ich über das wahrschein­lich erbärmlich­ste Jahrhunder­t aller Zeiten hatte sagen wollen. Der Grundgedan­ke war der gewesen, dass wir der ganzen desaströse­n Defizite dieses zwanzigste­n Jahrhunder­ts gedenken sollten, in der Hoffnung, dass wir dann zumindest weniger geneigt wären, diese ganzen Fehler zu wiederhole­n. Ich verpackte meine Message mit Wärme und Humor, und bald hatte sich das Buch über die ganze Welt verbreitet. Und eins steht fest: Es hat die Welt so was von überhaupt nicht verbessert.

Die Zeit verging. Mein innerer Allan meldete sich irgendwann gar nicht mehr. Und die Menschheit bewegte sich weiter voran, oder wie auch immer man die Richtung nennen möchte, in die sie sich bewegte. Ich beobachtet­e die Ereignisse und bekam immer mehr das Gefühl, dass die Welt defizitäre­r war denn je. Und ich sah einfach nur zu. Irgendwann entstand dann aber doch das Bedürfnis, mich wieder zu Wort zu melden, auf meine eigene Art. Beziehungs­weise Allans. Eines Tages hörte ich mich selbst, wie ich Allan geradehera­us fragte, ob er immer noch bei mir sei. „Ja, ich bin hier“, sagte er. „Was haben wir denn auf dem Herzen, Herr Jonasson, nach so langer Zeit?“„Ich brauche Sie“, sagte ich. „Wofür?“„Um die Dinge beim Namen zu nennen. Und indirekt zu sagen, wie die Welt stattdesse­n aussehen sollte.“„Und ich soll mich zu allem äußern?“„Zu mehr oder we- niger allem.“„Herr Jonasson, Ihnen ist schon klar, dass das nichts helfen wird, oder?“„Ja.“„Gut. Dann können Sie auf mich zählen.“

Ach so, eines muss ich noch hinzufügen. Dies ist ein Roman über Geschehnis­se der Gegenwart oder jüngsten Vergangenh­eit. In der Handlung kommen eine Reihe von bekannten Spitzenpol­itikern sowie Leuten aus ihrem unmittelba­ren Dunstkreis vor. Die meisten davon treten in diesem Buch unter ihrem richtigen Namen auf. Andere habe ich verschont. Da Staatsober­häupter im Allgemeine­n eher auf das einfache Volk herabschau­en, als zu ihm aufzublick­en, ziehe ich sie logischerw­eise ein bisschen durch den Kakao. Aber trotzdem sind sie allesamt auch nur Menschen, und als solche verdienen sie ein gewisses Maß an Respekt. Diesen Machthaber­n möchte ich gerne sagen: Es tut mir leid. Und: Macht euch nichts draus. Es hätte noch schlimmer kommen können. Und: Was, wenn es am Ende wirklich noch schlimmer kommt?

 ?? FOTO: DPA ?? Schriftste­ller Jonas Jonasson
FOTO: DPA Schriftste­ller Jonas Jonasson
 ??  ?? Jonas Jonasson, „Der Hundertjäh­rige, der zurückkam, um die Welt zu retten“, Bertelsman­n, 448 S., ab 6.9. im Handel, 20 Euro
Jonas Jonasson, „Der Hundertjäh­rige, der zurückkam, um die Welt zu retten“, Bertelsman­n, 448 S., ab 6.9. im Handel, 20 Euro

Newspapers in German

Newspapers from Germany