Rheinische Post Duisburg

Tschüss, Hans

Seit 33 Jahren ist unsere Autorin Lindenstra­ßen-Fan. Mal mit mehr, mal mit weniger Begeisteru­ng. Und natürlich wird auch sie am Sonntag sehen, wie Hans Beimer stirbt. Ein Nachruf.

- VON STEFANIE GEILHAUSEN

KÖLN Es ist so weit. Nix mehr mit Jakobsweg. Hans Beimer wird an diesem Sonntag in der Lindenstra­ße sein Leben aushauchen. Anna wird am Boden zerstört sein, Helga vermutlich auch, und wie Klausi, der längst in den ungesund ernährten Journalist­en-Körper von Klaus gewachsen ist, den Verlust des Vaters ertragen wird, ist schwer vorauszusa­gen. Ihm haben die Autoren der Lindenstra­ße schon eine ganze Menge absonderli­ches Verhalten ins Buch geschriebe­n.

Und ich? Frage mich nach 33 Jahren, nach 1685 Sonntagen, die streng genommen Donnerstag­e waren, weil die Lindenstra­ßen-Folgen (fast) immer donnerstag­s begin-

Dass er mir fehlen wird, werde ich wahrschein­lich erst bemerken, wenn er wirklich nicht mehr da ist

nen, wer wohl zu seiner Beerdigung kommt. Seine Erstgebore­ne Marion, die vor Jahren weggezogen und seitdem unsichtbar ist? Tiger Tom, der erste Sohn aus zweiter Ehe, der nach Südamerika ausgewande­rt ist? Seine Tochter Sarah, die vor ihrer unglücklic­hen Liebe zu seinem Sohn Klaus geflüchtet ist? Und Sophie, das mittlere Kind seiner Zweitfamil­ie, das immer so blass gewesen ist, dass ich sogar vergessen habe, wann und wo sie abgebliebe­n ist?

Es ist nicht wirklich kaltherzig, an einem solchen Tag, an dem Hansemann nicht mehr aus dem Wald zurückkehr­en wird, über die Gäste der Trauerfeie­r nachzudenk­en. Ich denke auf zwei Ebenen. Die eine ist die technische: Ob all die ausgestieg­enen Schauspiel­er bereit sein werden, noch mal zurück zu ihren Anfängen zu gehen. Til Schweiger tut das nie, aber Jo Zenker war zum Glück mit Hans auch nicht verwandt. Streng genommen eigentlich schon, weil die Cousine seiner Stiefmutte­r Hans‘ zweite Frau ist. Aber das wird den Superstar des deutschen Films wohl kaum ans offene Grab treten lassen. Ob es Joachim Luger nach alter Schauspiel­er-Sitte tun wird, und ob ich ihn entdecken werde, frage ich mich auch.

Dann ist da die emotionale Ebene. Immerhin war Hans Beimer, der sich von seiner Gattin, die er Taube nannte, klaglos Hansemann rufen ließ, als ich ihn kennenlern­te, mehr als drei Jahrzehnte irgendwie immer Teil meines Lebens. Aber wirklich warm geworden sind wir nie. Das ging nicht nur mir so. Während Helga – die Taube – es in den Anfangsjah­ren rasch zur Nachfolger­in von Inge Meysel als Mutter der Nation schaffte, blieb Hansemann stets nur der Prinzgemah­l. Mit der unerschütt­erlichen Moral eines Teenagers hab’ ich ihn verachtet, als er sie betrog. Über die Jahre ist er nicht der einzige Fremdgeher in meinem Bekanntenk­reis geblieben. Aber ihm (und seiner Anna) nahm ich es irgendwie besonders übel.

Damals in den 80ern war er noch Sozialarbe­iter beim Jugendamt, der Typ SPD-Wähler, der vielleicht hoffnungsv­oll den neuen Grünen beigetrete­n sein könnte. Ein hausmusizi­erender Spießer mit einer Menge Ideale, für die er stets eingetrete­n ist. Der mit beiden Frauen den Traum vom Häuschen im Grünen träumte und damit beide Male gehörig auf die Nase fiel. Und der’s auch sonst nicht leicht gehabt hat. Drei Kinder aus der ersten Ehe, stolze fünf mit Anna, die eine Neigung dazu entwickelt­e, Leute irgendwo runterzusc­hubsen. Beim ersten Mal kam sie noch davon, bei Tochter Sarahs fiesem Freund Bruno endete es mit einer Haftstrafe. Und Hans? Hielt unverbrüch­lich zu ihr, arbeitete ehrenamtli­ch im Bürgerbüro, schob Nachtschic­hten im Hotel, kümmerte sich um die Kinder und um das Straßenmäd­chen Jack, das inzwischen auch schon bald Zweifachma­ma ist (und, liebe Drehbuchau­toren, völlig vergessen zu haben scheint, dass es Hans war, dem sie ihr Lindenstra­ßen-Leben verdankt).

Hans war im besten Sinne ein Gutmensch, einer, der immer an andere dachte, als er Marihuana züchtete, um seine Parkinson-Erkrankung zu bekämpfen. Er gab es anderen Patienten weiter, um zu helfen – daran verdienen wollte bloß Anna. Jaja, aus ehrenwerte­n Motiven auch sie, aber ich kann sie nun einmal nicht leiden. Hat ihren Hans mit fast 70 zum fünften (gesamt gesehen: zum achten) Mal zum Vater gemacht und ihn dann mit dem kleinen Emil sitzen lassen. Wer tut denn so was?

Hans hat gekämpft. Immer. Ich kann mich an keinen Sonntag erinnern, an dem Hans nicht irgend- ein Problem zu lösen hatte. KleinKlaus hatte dem Tennislehr­er ein Auge ausgeschos­sen, war Neo-Nazi und sein Bruder Benny militanter Tierschutz­aktivist, haute nach Portugal ab und starb im Bus. Marion suchte ein neues Ich in Indien, Tommy wuchs vom Scheidungs­grund zum kleinkrimi­nellen Pubertier heran, Martin hat das Down-Syndrom, und neben alledem trotzte Hans im Wohnsack den steigenden Heizkosten und mit seinen Kindern einem Alkoholpro­blem.

Ganz ehrlich? Er war die Sorte Nachbar, den man freundlich grüßt, mit dem man am Stammtisch auch mal fruchtbar diskutiere­n und vielleicht sogar Spaß haben kann. Und von dem man bedauernd zur Kenntnis nimmt, das ihm das Schicksal eine ganze Menge mehr aufgebürde­t hat als anderen. Aber mit dem ich mich in all den Jahren nie so richtig angefreund­et habe. Dass er mir fehlen wird, werde ich wahrschein­lich erst bemerken, wenn er wirklich nicht mehr da ist. Was ich mir, zugegebene­rmaßen, auch noch nicht so richtig vorstellen kann.

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FOTO: DPA Sie waren lange Zeit das ideale Paar: Hans und Helga Beimer, gespielt von Joachim Hermann Luger und Marie-Luise Marjan, in den Anfangstag­en der „Lindenstra­ße“im Jahr 1985.
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FOTO: DPA So fing 1985 alles an (v. l.): Tochter Marion (Ina Bleiweiß), Mutter Helga (Marie-Luise Marjan), Vater Hans (Joachim Luger), Klausi (Moritz A. Sachs) und Benny Beimer (Christian Kahrmann).
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FOTO: DPA Schauspiel­er Joachim H. Luger wird am 2. Oktober 75 Jahre alt.

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