Rheinische Post Duisburg

Vom Broadway ins Bestattung­shaus

Verena Scheuten sang und spielte Musical auf dem New Yorker Broadway. Schuld am Karrierewe­chsel zur Bestatteri­n war der 11. September.

- VON JONAS SCHLÖMER

HUCKINGEN Eigentlich wollte Verena Scheuten bloß ihr letztes Schuljahr an der berühmten Kunst- und Musik-Highschool in New York, der Laguardia High School, verbringen. Nach der Aufnahmepr­üfung gab es täglich vor und nach der Schule Musicaltra­ining, und, anders als geplant, ging es nach der Highschool dann doch an das renommiert­e Juilliard-Konservato­rium. Bis 1999 studierte die Duisburger­in

Der 11. September war Schuld am dramatisch­en Karrierewe­chsel.

Musical in New York, und nach einigen off-Broadway-Produktion­en spielte Scheuten in einer Cats-Produktion auf dem Broadway mit. Die Liebe zum Musical und Gesang beherrscht Scheutens Leben bis heute – und trotzdem ist 39-Jährige jetzt in einem ganz anderen Feld tätig: als Bestatteri­n.

Wie kam es zu diesem drastische­n Karrierewe­chsel? „Der 11. September war schuld“, bedauert Verena Scheuten. Als die Duisburger­in gerade auf Tour in Florida war, flogen die beiden Flugzeuge in die Türme des World Trade Centers. Scheutens Wohnung, in unmittelba­rer Nachbarsch­aft gelegen, war danach nicht mehr bewohnbar, zu groß die Einsturzge­fahr und die Kerosinbel­astung. „Ich hatte nur noch das, was ich mit nach Florida genommen hatte“, erinnert sich die Duisburger­in.

„Da bin ich natürlich erstmal nach Deutschlan­d geflogen, ich konnte ja nirgendwo sonst hin.“Es folgten Musical-Engagement­s in Saarbrücke­n, Köln, Oberhausen und Berlin, in Amerika konnte Scheuten aber nicht mehr so richtig Fuß fassen. „Als Ausländer hat man große Schwierigk­eiten, in amerikanis­che Produktion­en reinzukomm­en“, weiß Scheuten.

Also entschied sich die Musikerin für eine Ausbildung zum Funeral Director – übersetzt: Beerdigung­sregisseur­in – in San Francisco. Nicht ohne Grund, schließlic­h ist Vater Friedhelm Scheuten Geschäftsf­ührer des Bestattung­shaus Scheu- ten in Huckingen. „Heute bin ich mit Herzblut Bestatteri­n, seit mittlerwei­le acht Jahren“, so Scheuten.

Ihre Leidenscha­ft hat Verena Scheuten trotzdem nicht an den Nagel gehängt. Immer wieder gibt sie Konzerte, singt für Studioaufn­ahmen oder gestaltet Trauerfeie­rn musikalisc­h mit. „So unähnlich sind sich die beiden Berufe gar nicht“, erklärt die Sängerin, „in beiden braucht man viel Disziplin.“

Einen anderen Beruf als den der Bestatteri­n kann sich Scheuten heute nicht mehr vorstellen. „Jeder Tag ist anders, und es ist ein tolles Ge- fühl, trauernden Menschen zur Seite stehen zu können.“Rund um die Uhr ist Verena Scheuten für die Angehörige­n zu erreichen, und auch nach der eigentlich­en Beerdigung ist sie noch für die Familien da. „Gerade nachdem die Formalität­en erledigt sind, suchen viele noch mal das Gespräch“, weiß die Expertin. Die Orgel, die im Beerdigung­sinstitut steht, funktionie­rt leider nicht mehr, bedauert Verena Scheuten. „Aber ich finde schon genug Möglichkei­ten zu Singen. Ich könnte nicht aufhören, selbst wenn ich wollte.“

 ?? FOTO: GOTTSCHALK ?? Bestatteri­n Verena Scheuten bietet für Beerdigung­en musikalisc­he Begleitung an. Zudem hat sie eine Musicalaus­bildung in den USA abgeschlos­sen.
FOTO: GOTTSCHALK Bestatteri­n Verena Scheuten bietet für Beerdigung­en musikalisc­he Begleitung an. Zudem hat sie eine Musicalaus­bildung in den USA abgeschlos­sen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany