Hausmittel: Mythos oder Medizin?
Wehwehchen nicht mit Medikamenten, sondern mit der Natur zu behandeln, hat eine lange Tradition. Doch das führte dazu, dass sich auch einige hartnäckige Legenden festgesetzt haben. Welche davon entsprechen der Wahrheit?
Bei grippalem Infekt hilft Trinken Stimmt nicht.„Infektionen der Atemwege führen zur erhöhten Ausschüttung antidiuretischer Hormone, die das Wasser im Körper halten“, erklärt Michelle Guppy von der australischen University of Queensland. Der Körper unternimmt also im Falle einer Erkältung schon genug, um sich sein Wasser zu sichern, man muss nicht noch weiter Flüssigkeit in ihn hineinzwingen. Guppy und ihre Mitarbeiter fanden vielmehr Hinweise darauf, dass Vieltrinkerei zu Salzmangel führt und Schnupfen-Symptome wie Müdigkeit und Gliederschmerzen sogar verstärken kann.
Honig hilft gegen Husten
Stimmt. In einer israelischen Studie an 200 Kleinkindern linderten Eukalyptus- und Zitronenblütenhonig die Frequenz und Stärke der Hustenattacken beim Schnupfen. Hauptverantwortlich sind vermutlich die antibiotischen Inhaltsstoffe des Bienenprodukts, aber es wird auch vermutet, dass Honigzucker die fürs Husten zuständigen Areale im Gehirn besänftigt. Bei Buchweizenhonig kommen noch die entzündungshemmenden Gerbstoffe des Getreides hinzu. Er zeigte in einer amerikanischen Studie an 105 hustenden
Kindern eine bessereWirksamkeit als ein Standard-Hustensaft mit Dextromethorphan. Die Anwendung: vier
Mal täglich einen Teelöffel Buchweizenhonig einnehmen und dabei ein wenig im Mund hin und her ziehen.
Konterbier hilft gegen Kater Stimmt, auch wenn es auf Dauer ungesund ist. Hauptverantwortlich für die typischen Beschwerden des Katers – Brummschädel, Übelkeit und Benommenheit – ist weniger der Alkohol als der so genannte Fuselalkohol, der hauptsächlich aus Methanol besteht. Man findet ihn vor allem in Rotwein, Obstschnaps und Weizenbier, und der Körper braucht für ihn die gleichen Verdauungsenzyme wie für Alkohol. Der letztgenannte wird jedoch bevorzugt verarbeitet, was bedeutet:Wenn wir am Morgen nach der Party einen Wodka oder ein Pils – sie enthalten Alkohol, aber kaum Fuselalkohol – trinken, blockieren wir den Verdauungsweg für Fuselalkohol. Der federführende Katerverantwortliche wird dadurch aus dem Rennen genommen, am Ende kann es sogar sein, dass wir ihn unverdaut über den Atem ausscheiden. Bleibt festzuhalten: Das Bier oder der „Klare“am Morgen bedeutet natürlich, dass wir dem Zechgelage noch eine weitere Alkoholdröhnung hinterherschicken. Für die Leber und das Gehirn ist das ein heftiger Stress.
Inhalationen befeuchten die Nasenschleimhaut
Stimmt nicht. Ein Forscherteam um Paul Little von der University of Southampton untersuchte, was besser gegen Erkältungen hilft: Inhalieren von Salzwasserdämpfen oder aber Nasenspülungen mit Salzwasser? Das Ergebnis: Während die Spülungen geringfügig zur Befeuchtung der Schleimhäute und der Linderung des Schnupfens beitrugen, hatten die Inhalationen kaum eine Wirkung. Die Kopfschmerzen wurden zwar ein wenig besser, doch das könnte man auch durch den intensiven Placebo-Effekt erklären, der vom Inhalieren ausgeht. Wobei das auch nicht ungefährlich ist: In der Fachliteratur existieren diverse Fallberichte von Verbrühungen durch den heißen Wasserdampf. Ob sich der Wirkungsgrad der Inhalationen erhöht, wenn man das heiße Wasser mit Kamillenblüten versetzt, ist fraglich. Denn derenWirkstoffe sind zwar entzündungshemmend, doch sie sind auch überwiegend wasserunlöslich, so dass sie kaum in den Dampf übergehen.
Gewürznelken helfen gegen Zahn- und Zahnfleischschmerzen
Stimmt. Gewürznelken lassen sich lutschen oder zwischen die Zähne stecken – und dämpfen so den Schmerz. Hauptwirkstoff ist das ölige Eugenol, das sowohl örtlich betäubende als auch antibakterielle Wirkungen hat. Früher wurde es deshalb in Zahnfüllungen gemischt. Eugenol wirkt innerhalb von zwei bis sieben Minuten und ist gut verträglich.
Cola und Salzstangen helfen gegen Durchfall
Stimmt nicht. Cola und Salzstangen enthalten zwar Zucker und Mineralien, die dem Körper durch den Durchfall verloren gehen, aber damit ist ihr positiver Effekt erschöpft. Cola enthält viel Koffein, das die Darmtätigkeit anregt und möglicherweise den Durchfall verstärkt. Und ihr Zuckergehalt ist so hoch, dass es zu einer vermehrten Wasserausscheidung über die Niere kommen kann. Dadurch verliert man unter Umständen noch mehr Flüssigkeit und Mineralien. In einer Studie der Universität Ioanni- na (Griechenland) offenbarte sich Cola in einer Dosierung von zwei bis drei Litern geradezu als Kaliumräuber. Effektivere Durchfallstopper sind gerbstoffhaltige Pflanzen wie Cystus und Blutwurz: Zwei Teelöffel dieser Kräuter mit einer großen Tasse kochendem Wasser überbrühen, nach fünf Minuten abseihen. Drei Tassen pro Tag.
Warme Wickel machen die Schnupfennase frei
Stimmt: Immunbiologen der Yale University in Connecticut ermittelten, dass Schnupfenviren sich schwächer vermehren, wenn es warm wird. Deswegen halten sie sich ja auch in den oberen Atemwegen auf, weil der Luftstrom dort für moderate 33 Grad-Temperaturen sorgt. Bestrahlt man nun die Stirnhöhlen mit Infrarotlicht und legt man einen warmen Wickel um den Hals, steigen die Temperaturen, und die Erreger haben schlechte Karten. Für denWickel einfach ein feuchtes Baumwolltuch um den Hals wickeln und mit einem Handtuch abdecken, das Erhitzen besorgt dann die Körperwärme.
Heiße Milch hilft beim Einschlafen Stimmt nicht. Babys schlafen bekanntlich besser, wenn man ihnen vorher Milch zu trinken gibt. Doch das hat vor allem etwas mit ihrer Sättigung zu tun: Sie haben keinen Hunger mehr, damit fehlt ein wichtiger Störfaktor für ihren Schlummer. Aber bei Erwachsenen stößt warme Milch als Einschlafhilfe an ihre Grenzen. Denn Milch enthält zwar die Aminosäure Tryptophan, die der Körper zur Produktion Schlaf fördernder Hormone heranziehen könnte. Doch damit das tatsächlich in einem so nennenswerten Umfang geschieht, dass der Mensch besser in den Schlummer gleitet, müsste man Tryptophan im Tausender-Milligramm-Bereich dosieren. Ein Glas Milch enthält jedoch gerade mal 40 Milligramm. Man müsste also mindestens 25 Gläser konsumieren – und das würde wohl eher schlaflos als müde machen.
Ein Schnaps hilft der Verdauung Stimmt nicht. Ein Forscherteam der Uniklinik Zürich überprüfte, ob Alkohol opulente Speisen verträglicher macht. Dazu verabreichte man 20 Testpersonen zunächst ein Weißbrot mit geschmolzenem Käse und danach entweder einen Schnaps oder die gleiche Menge Wasser. Den Käse hatten die Forscher mit speziellen Kohlenstoffatomen (C13) mar-
kiert, um herauszufinden, wie zügig die Nahrung verdaut wurde. Denn die werden beim Verdauen freigesetzt und mit dem Atem ausgeschieden, so dass man sie per Spektrometer nachweisen kann. Das Ergebnis: Bei den Schnapstrinkern stiegen die C13-Werte im Atem langsamer, ihr Magen brauchte ungefähr anderthalb mal so lang, bis er sich zur Hälfte entleert hatte. Als Ursache vermutet Studienleiter Mark Fox:„Der Schnaps entspannt offenbar intensiv die Muskeln der Magenwände und hemmt dadurch die Pumpbewegungen, die den Mageninhalt vorwärts bewegen.“
Leinsamen senken den Cholesterinspiegel
Stimmt – bei Männern. Bei denen senkt, laut einer Studie der US-amerikanischen Iowa University, der Verzehr von täglich drei Teelöffeln Leinsamen den Cholesterinspiegel um über zehn Prozent. Dieser Effekt beruht jedoch auf seinen Lignanen, die Ähnlichkeit mit dem weiblichen Hormon Östrogen haben. Davon haben Frauen in der Regel ja genug, und daher bringt bei ihnen die Zufuhr pflanzlicher Östrogene nichts. Tröstlich: Erhöhte Cholesterinwerte kommen bei ihnen seltener vor als bei Männern.