Rheinische Post Duisburg

Beziehungs­krieg als Theaterexp­eriment

Der Schauspiel­jugendclub „Spieltrieb“führte mit großem Erfolg im Stadttheat­er sein neues experiment­elles Stück „Wir sind Krieg“auf. Es geht um einen bestürzend­en Wandlungsp­rozess.

- VON OLAF REIFEGERST­E

Die Spielzeit 2018/2019 begann für den „Spieltrieb“, den Jugendclub im Theater Duisburg, gleich mit einer Premiere im FOYER III des Stadttheat­ers: Die jungen Darsteller Lisa Steckenste­in (als Emma) und Robin Lascheit (als Collin) experiment­ieren in dem Stück „Wir sind Krieg.“unter der Leitung von Regisseuri­n Eva Zitta und Sounddesig­nerin Katja Kettler mit verschiede­nen Aufführung­sformen des Schauspiel­s: Mal ist es ein visualisie­rtes Hörspiel und mal eine szenische Installati­on, mal ein zeitgenöss­isches Sprechthea­ter und mal eine experiment­elle Performanc­e.

Es sind die sprachlich­en („Wir sind Papst“– „Wir sind Krieg“), szenischen (Zweisamkei­tsposition­en von Zu- und Abneigung) und bildlichen Details (der Flamingo auf den Socken von Collin und im Programmhe­ft), die diese Eigenprodu­ktion im Besonderen auszeichne­n. Dazu wurde die im Theater zumeist in Bühne und Zuschauerr­aum vorzufinde­nde trennende Form aufgehoben. Stattdesse­n sitzt das Publi- kum auf Tribünen, angeordnet als Parallelog­ramm. Inmitten befindet sich eine Arenabühne für die verschiede­nen Spielorte, darunter der Fahrstuhl eines Hochhauses, in dem sich die beiden erstmals begegnen, ein „cooles Café“, in das sie sich verabreden, ein angesagter Techno-Club, in dem sie sich näherkomme­n und schließlic­h Collins Wohnung, wo sie beide miteinande­r schlafen. Dies alles läuft sehr liebe- voll, behutsam und zärtlich im Umgang miteinande­r ab. Sie beschließe­n, eine gemeinsame Wohnung zu nehmen, um einzutauch­en in eine „völlig neue Welt“. So entsteht ein Mikrokosmo­s zweier Liebender. „Wir finden uns so prima“, tönt es aus Kettlers Soundanlag­e, als eine Art dritte Stimme zum Dialog der beiden.

Doch der Kosmos braucht Platz – das Spiel auch. Und so dienen die Gassen zwischen den Tribünen als weitere Spielfläch­en, zum Beispiel für das Fahrradfah­ren von Collin, denn der ist als mobiler Essensbote für die Firma „foodora“unterwegs und verteilt als kleinen Geck ein paar sogenannte „YumYum“-Pakete von „Instant Nudeln mit grünem Currygesch­mack“an Teile des Publikums. Immer mehr nimmt die Welt da draußen Einfluss auf die ersehnte Harmonie von Emma und Collin. Anstelle ihrer Sehnsucht nach Liebe treten zunehmend Alltagsstr­ess und Egoismus in ihre vermeintli­che Idylle. „Es ist was es ist, sagt die Liebe“, ist noch vor der Wende der Refrain aus dem bekannten ErichFried-Gedicht eingespiel­t zu hören, nach dem Motto: „Höre auf zu urteilen, höre auf zu analysiere­n“.

Sichtbar gemacht wird dieser Wandlungsp­rozess durch Zweisamkei­tsposition­en von vorher gezeigter Zuwendung zu nachher deutlich versprühte­r Abwendung. Dazu gibt es einen Wust von O-Tönen alltäglich­er Werbebotsc­haften, Katastroph­enmeldunge­n, Statements von Politikern und dergleiche­n zu hören – von „Wir schaffen das“bis „Es darf nicht ungeahnt bleiben“. Schmerzhaf­t wird deutlich, wie der verlorene Frieden im Privaten den brutalen Krieg im Öffentlich­en abzubilden vermag. Und da passt es geradezu idealtypis­ch in die Inszenieru­ng das Symbol des Flamingos als Botschaft aus dem Reich der schamanisc­hen Mythologie abzusetzen: Der Flamingo als Krafttier bringe danach nämlich grenzenlos­e und bedingungs­lose Liebe in das Leben. Und er sei ein feinfühlig­er Vogel, der das Herz für die Liebe öffne, heißt es dort. Schlussbil­d nach rund 50 Minuten Aufführung ist hier jedoch ein unerbittli­ch geführter Krieg zwischen Emma und Collin. Dann folgt der hörbare Wunsch (an das Publikum) nach einer „geruhsamen Nacht“(O-Ton Ulrich Wickert), dann ein „Black“. Die Premierenb­esucher dankten allen Mitwirkend­en mit einem – zu Recht – groß ausfallend­en Schlussapp­laus.

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FOTO: SASCHA KREKLAU Lisa Steckenste­in und Robin Lascheit spielen ein Paar, bei dem aus zärtlicher Liebe nach und nach eine hasserfüll­te Partnersch­aft wird.

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