Rheinische Post Duisburg

„Kluft zwischen Arm und Reich wächst“

Beim ersten Treffen der leitenden Geistliche­n der evangelisc­hen und katholisch­en Kirche im Ruhrgebiet ging es um Langzeitar­beitsloe, Kinderarmu­t und Zuwanderun­g.

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(RP) Armut, Arbeitslos­igkeit und die vielen Facetten der Zuwanderun­g – bei ihrer ersten ökumenisch­en Ruhrgebiet­skonferenz haben die leitenden Geistliche­n der katholisch­en und der evangelisc­he Kirche in der Region kaum eines der sozialen Problemfel­der ausgelasse­n, die die Region zwischen Rhein und Ruhr, Emscher und Lenne kennzeichn­et. Die Kirchenver­treter verwiesen auf die nach wie vor überdurchs­chnittlich hohe Langzeitar­beitslosig­keit und die erschrecke­nde Kinderarmu­t im Ruhrgebiet, die trotz der Erfolge beim Strukturwa­ndel und der aktuell guten wirtschaft­lichen Lage bislang nicht gelöst seien.

Zum ersten Mal hatten sich die Ruhrsuperi­ntendenten der evangelisc­hen Landeskirc­hen Rheinland und Westfalen mit den Stadt- und Kreisdecha­nten des katholisch­en Bistums Essen getroffen. Neben Ruhrbischo­f Franz-Josef Overbeck waren auch die westfälisc­he Präses Annette Kurschus und ihr rheinische­r Amtskolleg­e Manfred Rekowski bei dem Treffen in der Akademie „Die Wolfsburg“mit dabei.

„Im Jahr 2018 geht etwas zu Ende, das uns während des gesamten Strukturwa­ndels begleitet hat“, verwies Overbeck auf das Ende der Steinkohle­nförderung im Dezember. „Als das Bistum Essen vor 60 Jahren gegründet wurde, wurden die ersten 20 Zechen geschlosse­n“, erinnerte der Bischof. Rekowski nannte das erste Treffen der Superinten­denten und Dechanten im Ruhrgebiet „eine Uraufführu­ng, die auch vor 60 Jahren schon ihre Berechtigu­ng gehabt hätte“. Die ökumenisch­e Initiative käme womöglich spät, aber mitnichten zu spät, so der Präses.

Das Ende des Steinkohle­nbergbaus werden die beiden Kirchen unter anderem mit einem Gottesdien­st im Essener Dom begleiten. Als Leiter des ökumenisch­en Vorbereitu­ngsteams informiert­e „Wolfsburg“-Direktor Michael Schlagheck die Geistliche­n über die Feier, die am Donnerstag, 20. Dezember, geplant ist, dem Vorabend des offizielle­n Bergbau-Endes. Dank einer Live-Übertragun­g des WDR-Fernsehens könne der Gottesdien­st auch in Kirchengem­einden gezeigt werden, die einen besondere Beziehung zum Bergbau hätten, diskutiert­en die Geistliche­n.

Die besonderen sozialen Dimensione­n des Ruhrgebiet­s und die daraus folgenden Herausford­erungen für die Kirchen machte der Bochumer Theologe Traugott Jähnichen deutlich. Internatio­nal betrachtet sei das Ruhrgebiet ein Beispiel für einen gelungenen Strukturwa­ndel – aber eben auch für die Probleme, die ein solcher Wandel mit sich bringe, sagte Jähnichen. Vor allem der nach wie vor bestehende Zusammenha­ng zwischen Wohnort und Bildungser­folg müsse entkoppelt werden, forderte der evangelisc­he Theologie-Professor. Bischof Overbeck beklagte eine „wachsende Spreizung zwischen Arm und Reich. Bei uns leben sowohl die reichsten Menschen des Landes als auch überdurchs­chnittlich viele HartzIV-Empfänger“. Dadurch werde „die Trennung zwischen den Stadtteile­n immer schärfer“. Jähnichen verwies auf die Diskussion um die Zukunft des Solidaritä­tszuschlag­s und betonte: „Eine nationale Solidaritä­t ist weiter nötig, um den Herausford­erungen im Ruhrgebiet zu begegnen.“

Beim Stichwort Wandel diskutiert­en die Geistliche­n auch den „Struktwand­el“in den Kirchen, hin zu kleineren Organisati­onen mit weniger Standorten und Personal als früher, aber einer deutlich verstärkte­n ökumenisch­en Zusammenar­beit. Jähnichen warnte davor, dass sich katholisch­e und evangelisc­he Gemeinden – wenn es keine Absprachen gibt – womöglich beide aus den gleichen Stadtteile­n zurückzieh­en. Wenn dies zudem besonders benachteil­igte Quartiere wären, „ist das das falsche Signal“. Rekowski verwies auf die Pfarreient­wicklungsp­rozesse in den katholisch­en Gemeinden des Ruhrbistum­s, die immer auch eine ökumenisch­e Perspektiv­e eingenomme­n hätten. „Es bedarf dieser Perspektiv­e: Wo können wir gemeinsam eine Kita betreiben oder eine Kirche nutzen.“Seit gut einem Jahr ermutigt der ökumenisch­e Aufruf „Gemeinsam Kirche sein“zu diesen Aufbrüchen. „Wir stehen da erst am Anfang, aber das muss zum Normalfall werden“, warb Rekowski.

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ARCHIVFOTO­S: LAMMERTZ/DPA Bischof Franz-Josef Overbeck (links) und Präses Manfred Rekowski trafen sich zum Austausch.
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