Rheinische Post Duisburg

Wieder Leben in der Alten Brotfabrik

Die einstige Brotfabrik in Beeck war bis 1999 das Atelier von Cyrus Overbeck und eine Kulturstät­te. Jetzt ist der Künstler zurück.

- VON PETER KLUCKEN

So ein Wiedersehe­n nach 19 Jahren ist schon etwas Besonderes. Über Cyrus Overbeck und sein Atelier in der einstigen Brotfabrik, die sein Ururgroßva­ter im Jahr 1904 gegründet hatte, hat der Schreiber dieser Zeilen viele Artikel geschriebe­n. Die Alte Brotfabrik an der Arnold-Overbeck-Straße 58 in Beeck war nicht nur Atelier des erfolgreic­hen Grafikers Cyrus Overbeck, die großzügige­n Räume in alten Gemäuern waren von 1995 bis zum Jahr 1999 auch Schauplatz vieler hochkaräti­ger Kulturaben­de. Doch dann verlagerte Cyrus Overbeck mehrfach seinen Lebensmitt­elpunkt; in die Alte Brotfabrik kehrte er nur noch ganz privat zurück, unbemerkt von der Öffentlich­keit. Das ist nun wieder anders:

Cyrus Overbeck ist in seine Alte Brotfabrik zurückgeke­hrt. Für Sonntag, 23. September, lädt er von 11 bis 15 Uhr, zu einem „Art-Happening“ein – als Wiedereröf­fnung. Dabei wird er vor den Augen der Besucher einen Siebdruck anfertigen, zugleich bietet er seine aktuellen Grafiken zum Kauf an, wobei alle Einnahmen aus diesen Verkäufen zu 100 Prozent auf das Hilfswerkk­onto des Lions Club Duisburg-Hamborn fließen. Mit dem Geld sollen soziale Projekte im Duisburger Norden unterstütz­t werden.

Künstler sind ja häufig ungewöhnli­che Menschen. Cyrus Overbeck ist ein Vollblutkü­nstler. 1970 als Sohn eines syrischen Vaters und einer deutschen Mutter geboren, leb- te er bis 1979 in Teheran. Dann kam er mit seinen Eltern nach Duisburg. Bereits mit 16 Jahren schaffte er seine eigene Radierpres­se an und richtete sich in der Alten Brotfabrik ein Atelier an. Nach seinem Abitur im Jahr 1989 studierte er evangelisc­he Theologie, Geschichte und Deutsch. Daneben schuf er Siebdrucke und Holzschnit­te in der Alten Brotfabrik. Aber nicht nur das: er lernte Eva Pankok kennen, war monatelang Gast im Haus Esselt im Pankok-Museum und veröffentl­ichte 1995 eine große Biografie über Otto Pankok. Das bescherte ihm den ersten Artikel in der Rheinische­n Post, dem bis zum Ende des Jahres 1999 noch viele folgen sollten. Und wie ging es mit Overbeck ab dem Jahr 2000 weiter? Gerafft sieht der Lebensweg so aus: In Neulouisen­dorf bei Kalkar eröffnete Overbeck ein Atelier, in dem er drei Jahre lang arbeitete. Das Jahr 2003 war für ihn ein Wendepunkt: Er erwarb das Bürgermeis­ter-Becker-Haus im norddeutsc­hen Esens und baute es zu einem Atelier aus. Dieses Haus in Esens ist bis heute Overbecks zweites ständiges Domizil neben dem in Duisburg. Parallel zu seinem Beruf als freier Künstler war Overbeck von 2004 bis 2007 Lehrer für die Fächer Deutsch, Religion, Geschichte und Kunst an mehreren norddeutsc­hen Schulen.

Als er merkte, dass ihm der Lehrerberu­f zu wenig Zeit für die Kunst ließ, machte er beruflich einen Schnitt und zog für ein Dreivierte­ljahr nach New York, wo er sich als Maler betätigte. Wieder in Deutschlan­d zurück, arbeitete er vorzugswei­se als Grafiker, zum Teil mit einer gigantisch­en Radierpres­se von 2,40 Länge und einem Meter Breite. Zusätzlich entstanden bildhaueri­sche Werke. Aktuell ist er mit einer Auftragsar­beit beschäftig­t: eine überlebens­große Bronze für den Hafen von Neuharling­ersiel.

Parallel dazu ist Cyrus Overbeck auch in Mainz aktiv, unter anderem ist er dort in ein Forschungs­projekt der Johannes-Gutenberg-Universitä­t eingebunde­n. Nicht ohne Stolz berichtet Overbeck, dass er Jurymitgli­ed des Gutenberg-Museums Mainz ist. Eine noch größere Ehre ist allerdings seine Mitgliedsc­haft in der Europäisch­en Akademie der Wissenscha­ften und Künste in Salzburg.

Das alles kann man nur verwundert nacherzähl­en. Was bei der ersten Begegnung nach 19 Jahren aber wohl am meisten erstaunt, ist Overbecks Umgang mit einem gesundheit­lichen Schicksals­schlag: Vor vier Jahren musste er wegen eines lebensgefä­hrlichen Aneurysmas behandelt werden. „Meine Überlebens­chancen waren nicht groß“, sagt er heute. Wochenlang konnte Overbeck weder laufen noch sprechen. Nach und nach kamen die Fähigkeite­n zurück: vom Rollstuhl, zum Rollator, von da zum Stock und dann, wie früher, ohne Hilfsmitte­l. Auch die Sprache kehrte während einer monatelang­en Reha vollständi­g zurück. Das Erstaunlic­he: „Ich habe nicht eine Minute lang den Mut verloren“, sagt Overbeck. Der Bibelspruc­h „Bedenke, dass du sterblich bist, auf dass du klug wirst“, habe ihm geholfen. Heute freue er sich darüber, dass seine Gesundheit von Woche zu Woche besser wird. „Man muss mutig sein, aber ein bisschen Glück muss man auch haben“, sagt er.

Trotz vieler Wendungen seines Lebens erkennt man Overbecks Wesenszüge auch nach 19 Jahren deutlich wieder. Er ist ein Genussmens­ch, aber einer, der mit großer Deutlichke­it und Geste auf die von Menschen produziert­en Schattense­iten deutet. Ein wichtiges aktuelles Werk ist eine Grafik, die den in Auschwitz ermordeten Künstler Felix Nussbaum zeigt. Neben dem Künstlerko­pf steht eine arabische Schrift: Es ist der spiegelver­kehrt geschriebe­ne Name Felix Nussbau auf Arabisch. „Kunst soll Fragen stellen, sie darf keine Propaganda sein“, sagt Overbeck dazu.

Schön, dass Cyrus Overbeck wieder hier in der Stadt präsent ist. Man darf sich auf viele anregende Begegnunge­n freuen.

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FOTOS: PETER KLUCKEN Nach einer Zeit von 19 Jahren trafen wir Cyrus Overbeck in seinem Atelier an der Arnold-Overbeck-Straße 58 wieder.
 ??  ?? Das Portrait des Künstlers Felix Nussbaum, der in Auschwitz umkam.
Das Portrait des Künstlers Felix Nussbaum, der in Auschwitz umkam.
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Blick auf einige Kataloge des multiaktiv­en Künstlers.

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