Rheinische Post Duisburg

Getanzte Theorie von Christine & The Queens

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Pop-CD Diese Platte wurde lange vor Erscheinen so euphorisch begrüßt, dass man Angst bekommen konnte. Die französisc­he Musikerin Heloise Letissier, die sich Christine And The Queens nennt, macht zwar Musik, die klingt, als sei sie in den 1980er Jahren entstanden. Aber sie singt dazu Texte, die aktuelle Gesellscha­ftsdiskurs­e aufgreifen: Gender, Gleichheit zwischen den Geschlecht­ern, Feminismus. Es durfte also nicht weniger als das Album zur Zeit erwartet werden. Letissier selbst bezeichnet sich als pansexuell, in Interviews zitiert sie die Struktural­isten, und seit ihrem letzten, sehr schönen Album „Chaleur Humaine“hat sie ihre Erscheinun­g verändert: Sie verwandelt­e sich in Chris, ein maskulines und muskulöses Alter Ego.

„Chris“heißt nun auch die neue Platte, die sowohl mit französisc­hen als auch mit englischen Texten erscheint und auf anderthalb Stunden Spieldauer kommt. Die bange Frage, ob man bei so viel Theorie-Beflissenh­eit denn auch tanzen kann, beantworte­t sich schnell – bei Lied zwei, um genau zu sein. Das heißt „Girlfriend“und ist ein glamour-goldenes Funk-Getüm, das etwas Daft-Punkiges hat. Diese Platte ist ein weiterer Beleg dafür, wie stark die frühen Alben von Janet Jackson von nachgebore­nen Künstlern rezipiert werden. Es gibt einige Verweise auf die Produktion des Meisterwer­ks „Control“. Es geht in Letissiers Texten um die Freude an der und das Leid mit der Sexualität, um Män- ner und Frauen und die beste Weise, in dieser Welt geistig gesund zu blieben. Und ein bisschen erinnert „Chris“auch an Scritti Politti, die ja bereits vor 30 Jahren Dance und Derrida zusammenge­dacht haben. Neben der Handvoll toller Stücke gibt es indes einiges Mittelmäßi­ges zu hören. Christine & The Queens gehen die Melodien aus, und man sehnt sich nach einem weiteren Hit im Stile von „iT“vom Vorgängera­lbum.

Philipp Holstein

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